Di., 26.04.22 | 22:00 Uhr
Bundesregierung XXXL: Zusätzliche Spitzenbeamte für die Ampel
Die Regierung plant erneut einen massiven Stellenausbau im Vergleich zum Ende der Ära Merkel. Das ergibt eine Auswertung der Personallisten im Haushaltsentwurf 2022 durch das ARD-Politikmagazin REPORT MAINZ. Steuerzahlerbund und CDU halten diese Mehrausgaben für unnötig und kritisieren, sie würden mit Schulden finanziert.
Das Kanzleramt - schon heute einer der größten Regierungssitze der Welt. Und doch ist es zu klein für die wachsende Zahl an Mitarbeitern. Deshalb soll jetzt ein großer Anbau entstehen, mit zwei Brücken über die Spree. Geplant sind 400 neue Büros, ein Hubschrauberlandeplatz und eine eigene Kita für die Mitarbeiter.
Reiner Holznagel, Präsident Bund der Steuerzahler:
"Das Bundeskanzleramt steht symbolisch dafür, dass seit einiger Zeit in der Bundesregierung etwas schiefläuft, insbesondere bei der Personalpolitik. Seitdem die Bundesregierung hier nach Berlin umgezogen ist, hat sich das Personal im Bundeskanzleramt verdoppelt."
Der Ministerialapparat wächst und wächst
Immer mehr Personal - Der Regierungsapparat in Berlin wächst seit Jahren. Allein in der vergangenen Legislatur kamen rund 2.500 Stellen in den Bundesministerien dazu. Das haben Haushaltspolitiker der damaligen Opposition jahrelang scharf kritisiert, auch in REPORT MAINZ. Sven-Christian Kindler von den Grünen prangerte noch im Herbst 2021 die Versorgungsmentalität der Merkel-Regierung an:
Sven-Christian Kindler, Die Grünen, REPORT MAINZ, 05.10.2021:
"Die Große Koalition ist sehr großzügig, häufig zu sich selbst."
Und auch Otto Fricke von der FDP forderte damals einen schlankeren Staat und vor allem weniger Beamtenstellen:
Otto Fricke, FDP, REPORT MAINZ, 05.10.2021:
"So wie es für den Abgeordneten auf Zeit, wie es für einen Minister auf Zeit ist, so ist es für einen Abteilungsleiter auf Zeit und auch für einen Unterabteilungsleiter. Das ist das, was man jetzt in Koalitionsverhandlungen versuchen kann."
Auswertung der Personallisten im Haushaltsentwurf 2022
Hehre Ziele! Doch was ist daraus geworden? Um das herauszufinden, werten wir die Personallisten im Haushaltsentwurf 2022 aus. Unzählige Tabellen auf tausenden Seiten. Das Ergebnis der Analyse ist ernüchternd: Die Bundesministerien wollen 758 zusätzliche Beamtenstellen. Ein massiver Stellenzuwachs im Vergleich zum Ende der Ära Merkel.
Verwaltungswissenschaftler Prof. René Geißler lehrt und forscht seit Jahren zu öffentlichen Haushalten. Für ihn steht fest: Immer mehr Personal ist nicht nur teuer, sondern auch ineffizient.
Prof. René Geißler, Verwaltungswissenschaftler, Technische Hochschule Wildau:
"Bundesministerien haben keinen objektiven Personalbedarf. Es sind politische Behörden, die nicht unbedingt besser funktionieren, wenn sie mehr Personal haben. Im Gegenteil: Sie werden noch größer, noch mehr Hierarchien, noch mehr Referate, die letztlich im Alltag gar keine Rolle spielen. Von daher ist es hochgradig dysfunktional."
Immer mehr, immer größer, immer teurer - das gilt insbesondere für das Kanzleramt! Schon in der Ära Merkel ist die Mitarbeiterzahl um rund 60 Prozent angewachsen. Scholz setzt jetzt noch einmal einen drauf: 75 Stellen zusätzlich. Und auch das Innenministerium will mehr Personal. Obwohl für den großen Bereich Bauen und Wohnen extra neues Ministerium geschaffen wurde. Plus 103 Stellen. Dazu kommen dann noch mal 104 für das Bundesbauministerium. Auf unsere Nachfrage begründen Bundespresseamt und Ministerien das zusätzliche Personal mit der Bewältigung neuer Aufgaben.
Immer mehr hochbezahlte Spitzenbeamte
Außerdem entdecken wir in den Personallisten besonders viele hoch bezahlte Beamtenposten, mit einem monatlichen Gehalt von bis zu 15.000 Euro. Selbstverständlich unkündbar. Hochgerechnet ergeben sich insgesamt zusätzliche Personalkosten von rund 60 Millionen Euro pro Jahr. Für die CDU sind das unnötige Ausgaben. Sie kritisiert den Personalzuwachs deshalb scharf. Das ist neu, denn 16 Jahre lang hatte sie selbst kräftig Stellen aufgebaut. Jetzt übt sich der haushaltspolitische Sprecher in der Rolle der Opposition:
Christian Haase, CDU, haushaltspolitischer Sprecher:
"Interessant ist, dass gerade die Grünen und die FDP, die in der Vergangenheit an der Spitze derjenigen gestanden haben, die die alte Regierung kritisiert hat, jetzt diejenigen sind, die sich tatsächlich vollsaugen."
Und das werde dann auch noch mit Schulden finanziert.
"Kluges Personal ist Macht"
Was sagen die Haushaltpolitiker von Grünen und FDP dazu? Sven-Christian Kindler wollte uns, trotz mehrfacher Nachfrage, kein Interview mehr geben. FDP-Haushaltspolitiker Otto-Fricke stellt sich dagegen unseren Fragen:
Reporterin:
"Sie haben mir gesagt: 'Wir wollen weniger Beamte insgesamt.' Das wäre doch ein Ziel für die Koalitionsverhandlungen. Sind Sie an dieser Stelle gescheitert?"
Otto Fricke, FDP, haushaltspolitischer Sprecher:
"An der Stelle, sage ich mal so, habe ich oft auf Granit gebissen. Ich habe in den Koalitionsverhandlungen gesagt: Also mein Vorschlag wäre eigentlich an der Stelle, dass wir es wirklich so machen, dass wir ab der Besoldung B6 wirklich das alles nur noch befristet machen. Das Lächeln war sehr groß. Es war ungefähr so nach dem Motto, ich sage mal, die ursprünglichen konservativen Argumente: 'Haben wir noch nie gemacht. Wo kommen wir denn da hin? Da könnte ja jeder kommen.'"
Und dann erklärt er uns, warum auch die Minister der Ampel-Koalition immer mehr Personal wollen.
Otto Fricke, FDP, haushaltspolitischer Sprecher:
"Kluges Personal ist Macht. Und mehr Macht zu haben, heißt natürlich an der Stelle auch, mehr auf Politik Einfluss nehmen zu können."
Und die Parteien, die gerade an der Macht sind, können sich mit ihrer Mehrheit im Bundestag dieses Personal genehmigen. So wächst der Beamtenapparat in Berlin immer weiter an. Und wir Steuerzahler zahlen und zahlen immer mehr!
Stand: 27.4.2022, 11.12 Uhr
Stand: 08.02.2023 15:27 Uhr