So., 07.04.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Rumänien: Schmutziges Geschäft mit Hundemord
Es ist ein grausiger Fund – gedreht mit einer Handykamera an einer rumänischen Landstraße. Überall auf dem Feld liegen erschossene Hunde. Die Markierung beweist: Sie waren registriert, stammen aus einem Tierheim. Dies war eine organisierte Tötungsaktion. Wieder einmal. Besonders grausam, denn einige Tiere wurden nur angeschossen und illegal ist das Ganze sowieso, denn das Töten von Hunden ist in Rumänien seit 2008 verboten. Nur kranke oder besonders aggressive Tiere dürfen mit den vorgesehenen Medikamenten eingeschläfert werden.
Warum sind solche Szenen dann also immer noch Alltag in Rumänien? Die Vorsitzende des Tierschutzverbandes hat darauf eine verblüffende Antwort.
Carmen Arsene, rumänischer Tierschutzverband: "Durch diese eigentlich vorbliche Gesetzgebung ist ein Hundeleben in Rumänien wertvoll geworden, zu wertvoll genaugenommen. Die kommunalen Haushalte haben enorme Summen für die gesetzlich vorgeschriebene Versorgung der Straßenhunde bereitgestellt. Aber dieses Geld kommt nicht bei den Tieren an, sondern es bereichern sich skrupellose Menschen. Konkret werden laut kommunalen Budgets bis zu 250 Euro pro Hund an die Heime bezahlt. Für deren ordnungsgemäße Kastration, medizinische Versorgung und artgerechte Unterbringung. Das ist in etwa zehnmal so viel wie internationale Hilfsorganisationen für die gleichen Leistungen berechnen."
Die Stadt Constantia zum Beispiel hat 1,2 Millionen Euro an einen Tierheimbetreiber bezahlt. Klingt nach Hundeparadies. Aber schon der Name der zuständigen Behörde macht stutzig: Amt für Tierkörperbeseitigung und Ungeziefervernichtung
Dort erklärt man uns zum Umgang mit dem Hundebudget: "Wir haben eine öffentliche Ausschreibung gemacht und das Angebot mit dem günstigsten Preis genommen. Leider gab es nur eine Firma die sich beworben hat." Cristina Itoafa, Amt für Tierkörperbeseitigung und Ungeziefervernichtung
Die nennt sich "Puppy Vet“ und lässt uns nicht im teuren Heim drehen. Die Aufnahmen mit versteckter Kamera zeigen warum: Die Hunde werden oft gleich nach der Ankunft gemeuchelt, verursachen null Kosten, bringen 100 Prozent Profit.
"Na ja", meint sie. So genau kenne man die Praktiken nicht. Immerhin gebe es jetzt deutlich weniger Straßenhunde in Constantia.
Aber sogar das ist eine Milchmädchenrechnung: Inzwischen hat sich eine regelrechte Hunde-Mafia organisiert, die großes Interesse daran hat, dass der tierische Rohstoff für das einträgliche Geschäftsmodell nicht ausgeht.
"Puppy Vet" schickt Hundefänger durchs ganze Land. Diesen Kleintransporter konnten Tierschützer 500 Kilometer entfernt stoppen. Er sollte Hunde nach Constantia bringen, darunter Tiere, die ihren rechtmäßigen Besitzern gestohlen wurden.
Einen Teil dieser Recherche hatte die ARD erstmals im Herbst veröffentlicht – mit großem Echo.
In Deutschland haben sich die Truckerin Tamara Raab und ihr Kollege Franco Symmank mit ihrem 40-Tonner auf den Weg in die Karpaten gemacht. Die Tierfreunde haben sich im Internet organisiert und Geld- und Sachspenden gesammelt.
Tamara Raab: "Der Grund war, dass ich im letzten November erfahren habe, wie der sogenannte Hundehandel betrieben wird. Und dass die Leute, die Tierschützer, die da helfen in Rumänien, sehr stark unterbuttert werden und wir versuchen den Tierschützern zu helfen."
Und sie kommen persönlich, um sicher zu gehen, dass ihre Hilfe bei den Heimen ankommt, die sich wirklich um Tierschutz kümmern.
Im Heim "Anima" etwa, in Campulung Muscel werden sie schon sehnsüchtig erwartet. 1000 Hunde haben sie hier. Und sie wissen sehr wohl um die primitiven Zustände, aber immerhin werden die Hunde hier anständig behandelt und untergebracht.
Carmen Arsene, rumänischer Tierschutzverband: "Seit ihrer ARD-Reportage im Herbst haben sich die Zustände in den schlimmen Heimen leider nicht wesentlich verändert. Aber immerhin haben wir jetzt viele Beweise für die Tierquälerei gesammelt, so dass wir sie vor Gericht bringen können. Außerdem waren wir in Brüssel, haben bei der EU-Kommission unser Problem vorgetragen, warten jetzt auf Antwort. Und dank der großzügigen Spenden aus Deutschland ist zumindest der Fortbestand dieses und anderer Heime wieder für einige Zeit gesichert. Aber längst nicht alle Dorfbewohner freuen sich darüber."
Er kann es nicht fassen, dass hier so ein Tam-Tam um die Hunde gemacht wird, wo doch jeder wisse, dass die Streunerhunde in Rumänien ein riesiges Problem seien. Was spricht dagegen sie zu töten? In Deutschland würden die Tiere in den Heimen doch auch getötet, wenn sie nicht bald vermittelt werden könnten.
Eine Frau: "Ja, so ist das bei uns. Der Kommunismus und die Armut haben die Menschen roh gemacht. Wenn ein Tier kein Fleisch, Milch oder Eier liefert, ist es nichts wert."
Wir haben noch einen anderen Fall, dem wir nachgehen wollen: Ausgerechnet die Vorsitzende der Tierärztekammer im Kreis Prahova betreibt ein dubioses Hundeheim, hat über die Jahre geschätzt hunderttausende Euro für die Unterbringung und Behandlung von tausenden Hunden in Rechnung gestellt.
Aber was ist aus den Tieren geworden? Die heimlich gedrehten Bilder zeigen: Es sind auffallend wenige da. Derzeit läuft eine Anzeige und bisher konnte die Tierärztin keinen Nachweis erbringen, dass sie genügend zugelassene Medikamente für die Einschläferung tausender Tiere besorgt hat.
Am Telefon erklärt sie uns, es handle sich um Verleumdungen der Tierschützer, für ein Treffen habe sie keine Zeit und fasst ihre Sicht so zusammen: "Rumäniens Straßen sind voll von Hunden, Prostituierten und Schlaglöchern.“ Das gelte es zu ändern.
Dabei beweisen Studien: Nur Kastration kann auf lange Sicht die Population eindämmen. Tötungsaktionen haben keinen erkennbaren Rückgang gebracht. Die Hunde im Tierheim Anima kommen jedenfalls in den Genuss dieser medizinischen Versorgung, auch wenn er ihnen erst mal zweifelhaft erscheint: Er erhöht immerhin die Hoffnung auf ein längeres Hundeleben und die Chance auf eine Vermittlung an Tierliebhaber.
Autorin: Susanne Glass, ARD-Wien
Stand: 22.04.2014 13:50 Uhr
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