So., 19.12.21 | 19:20 Uhr
Das Erste
Kanada: Der syrische Schokokönig
Direkt am Hafen von Halifax , ganz nahe am Weihnachtsmarkt, hat der Frieden einen besonders süßen Geschmack. 'Peace by Chocolate', Frieden durch Schokolade, heißt ein neuer Laden und hinter dem Titel verbirgt sich eine fast märchenhaft Geschichte. "Danke Nova Scotia, wir sind hier um Freude und Glück zu verbreiten, Schokolade ist dafür gemacht und hat einen guten Einfluss", sagt Tareq Hadhad. Er ist stolzer Jungunternehmer in Kanada, dem Land, das ihn und seine Familie vor fünf Jahren aufgenommen hat. Ihre Friedensbotschaft verbreiten die Hadhads mit unzähligen Pralinen- und Schokoladensorten und in vielen Sprachen. "Das ist unsere Friedenwand, denn Frieden ist in jeder Sprache und in jeder Weise wunderschön. Das ist der Slogan unserer Firma", erzählt Tareq.
Schokolade verbindet
Tareqs Vater Essam ist der Chocolatier, bis 2012 betrieb er eine Schokoladenfabrik in Syrien. Aber dann kamen die Bomben. Regierungstruppen von Assad bombardierten die Vororte von Damaskus, die Schokoladenfabrik lag in Trümmern, die Hadhads verloren alles. Am anderen Ende der Welt, im karg besiedelten Nova Scotia, nahmen die Menschen Anteil am Schicksal der syrischen Flüchtlinge. Lucille wollte handeln und helfen. Die frühere Leiterin eines Frauenhauses wandte sich schließlich an ihre Mitbürger:innen: "Wir haben ein Treffen einberufen und einige Leute aus der Stadt kamen zusammen. Wir haben uns gefragt, ob wir eine Flüchtlingsfamilie sponsern wollen und alle sagten, absolut."
Tareq kam als erster in Antigonish an, seine Eltern und Geschwister folgten später. Von Anfang an hat Lucille die Familie begleitet, sie ist stolz auf die Hadhads. Essam, der Vater, zeigt ihr nochmal das Foto von 2016, als alles begann und sie frisch aus Damaskaus in Antigonish ankamen. "25 Jahre habe ich Schokolade in Syrien hergestellt, ich liebe Schokolade. Dann habe ich hier in der Küche neu angefangen. Bald brauchten wir mehr Platz, weil ich alles frisch zubereitet habe. Es wurde dann zu eng in der Küche, so busy waren wir", erzählt er. Ungefähr so hat es ausgesehen. Die Szene ist in einem Spielfilm nachgestellt, der mittlerweile über die Familie Hadhad entstanden ist. "Ein Flüchtling zu werden, bedeutet, dass du hast alles verloren hast, nirgendwo hingehörst. Es ist keine Entscheidung, kein Lebensziel, es ist keine Wahl. Wir waren gezwungen, unser Heimatland zu verlassen und das ist das Schlimmste", sagt Tareq.
In diesem Gartenhaus begannen sie mit der kommerziellen Produktion, ein örtlicher Geschäftsmann hatte den Hadhads einen Kredit gegeben. Jetzt wird hier nur noch verkauft. Tareqs Schwester Alla kam erst ein Jahr später mit ihren Kindern nach: "Schokolade ist Glück. Sie bringt allen Freude. Ich traf dann hier die Menschen und jetzt kennen mich alle. Wenn ich über die Straße gehe, sagen alle, was macht die Schokolade? Wie gefällt dir das Land?" Die Hadhads sind angekommen und angenommen – ihr Laden ein regelrechtes Ausflugsziel. "Ich liebe den Namen. Frieden durch Schokolade. Es ist schön, die lokalen Geschäfte zu unterstützen. Sie kamen aus Syrien, das durch so harte Zeiten geht. Und jetzt wollen alle helfen", erzählt eine Kundin der Hadhads.
Eine Geschichte mit Happy End
Frühschicht vor Weihnachten. Über dreißig Angestellte arbeiten mittlerweile in der Schokoladenfabrik. Vater Essam ist jeden Tag vor Ort und beaufsichtig die Produktion. Die Rezepte sind natürlich Betriebsgeheimnis. Das hauseigene Werbevideo zeigt immerhin, wieviel Handarbeit in der kanadisch-syrischen Süßigkeit steckt.
30 Jobs in fünf Jahren, so helfen die Einwanderer auch dem Ort Antigonish. Selbst Kanadas Premierminister Trudeau ist ein überzeugter Fan der Schokolade, er verschenkt sie mittlerweile gerne als regionale Spezialität. Für ihn ist die Erfolgsgeschichte der Hadhads ein Beispiel gelungener kanadischer Flüchtlingspolitik und er ist stolz auf Tareq und seinen Vater Essam: "Trudeau dankt Tareq für seinen Einsatz für die Gemeinschaft."
Eine Geschichte mit Happy End für die erfolgreiche Großfamilie und alle , die an sie glaubten. Für die Hadhads ist Antigonish Heimat, für Lucille sind sie Freunde. "Was wir zurück bekommen haben mit all der Wärme, Gastfreundschaft und Offenherzigkeit der Familie war mindestens so viele oder mehr als wir selbst gegeben haben", sagt sie. Zehn weitere Flüchtlings-Familien hat der große Ort mittlerweile aufgenommen, sie glauben hier an Frieden durch Menschlichkeit und Schokolade.
Autorin: Christiane Meier/ARD Studio New York
Stand: 19.12.2021 20:41 Uhr
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