So., 07.07.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Der Fall Snowden: Thomas Drake
Was das Vorbild zu sagen hat
"Land der Freiheit, Heimat der Mutigen", so heißt es in der amerikanischen Nationalhymne. Anfang Juli ist Unabhängigkeitstag. Doch diesmal zeigen auch eingefleischte Patrioten dem Trubel die kalte Schulter. "Keine Geheimgesetze" - dieser Appell werde mit Füßen getreten. Empört protestieren Hunderte gegen die Bespitzelungen - unter ihnen Tom Drake. Der Computerexperte kennt die Macht des Überwachungsapparat. Er gehörte beim Geheimdienst NSA zu den Führungskräften. Bis er das, was dort geschah, nicht mehr vertreten konnte.
2005 beginnt die Hexenjagd
Als Drake 2005, lange vor Snowden, das Geheimprogramm "Prism" öffentlich macht, beginnt die Hexenjagd. Heute ist er der Veteran der Whistleblower. Auch Snowden nennt ihn als Vorbild. "Die haben mein Leben auf den Kopf gestellt. Die haben alles bespitzelt: meine Freunde, meine Familie, alle Kontakte von mir. Meine Mails, meine Telefonate - alles von mir haben die gefunden und gespeichert", erzählt Drake. Er verliert seinen Job, erhält Morddrohungen, auch Frau und Kinder werden unter Druck gesetzt. Sein einziges Vergehen: Er hat vor der verfassungswidrigen Überwachung von Millionen von US-Bürgern gewarnt.
"Wir hatten erwartet, dass Obama die geheimen Bespitzelungen der Bush-Regierung zurücknehmen würde. Das hatte er vor seiner Wahl versprochen. Aber er ist Teil des Überwachungsstaats geworden und hat den noch ausgedehnt, weit über Bush hinaus. Ich konnte damals nicht weiter schweigen. Ich war der Erste. Deshalb wollen sie an mir ein Exempel statuieren. Sie wollten mich an den Pranger stellen und sagen: Seht, das passiert denen, die Geheimnisse preisgeben, auch wenn sie die Wahrheit sagen", schildert Thomas Drake seine Geschichte.
Tomas Drake kämpft - mit Erfolg
Wir begleiten Tom Drake zu seiner Anwältin. Genau wie Snowden war auch ihm vorgeworfen worden, gegen das Spionage-Gesetz verstoßen zu haben. Ihm drohen 35 Jahre Gefängnis. Er kämpft, hat Glück - alle Vorwürfe müssen fallen gelassen werden. Er bekommt lediglich ein Jahr Bewährung für eine Lappalie. Fast alles, was Snowden jetzt enthüllt, hatte Drake bereits öffentlich gemacht.
Tom Drake zeigt uns Bilder aus seinem früheren Leben. Hoch dekoriert war er bei der NSA, der größten und mächtigsten Geheimdienstorganisation der Welt: technischer Leiter der Entwicklungsabteilung. Später testet Drake jene Software, mit der die Flut der abgefangen Daten gespeichert wird. Als ihm Zweifel kommen, schreibt er mit zwei Kollegen ans Verteidigungsministerium. Sie wenden sich an Kongress und Senat. Niemand reagiert.
Drake hält den BND für feige
Dass heute der BND nichts von dem Abhörprogramm gewusst haben will, hält Drake für feige: "Ich kann Ihnen nichts über die aktuellen Operationen sagen. Aber ich weiß persönlich von geheimen Absprachen zwischen der NSA und dem BND. Die haben zusammengearbeitet und sich Zugang zu ihren Systemen ermöglicht. Ich glaube, auch beim BND kocht bald ein Skandal hoch. Ich halte es für Wahrscheinlich, dass auch der BND eigene Vereinbarungen mit Internetanbietern hat. Natürlich geheim. Und dass dies vielleicht von hochrangigen Politikern gedeckt wird." Beweise dafür kann er uns nicht liefern. Das FBI hat alles mitgenommen, als sie seine Wohnung durchsucht und seine Computer beschlagnahmt haben, sagt Drake. Dass Snowden die Kopien an sicheren Orten deponiert habe, das könnte seine Lebensversicherung sein. Denn die Regierung versuche alles, um Snowden mundtot zu machen - davon ist Drake überzeugt.
"Sein Leben ist in Gefahr. Es gibt Elemente in der Regierung, die ihn unter allen Umständen ausschalten wollen. Die können das. Das ist die dunkelste der dunklen Seiten der Macht", warnt Drake. Er selbst habe das Schlimmste hinter sich, glaubt der ehemalige NSA-Mitarbeiter. Doch der Preis, dafür sei hoch gewesen. "Ich hätte nie gedacht, dass ich zu einem Kriminellen würde, nur weil ich die Wahrheit gesagt habe, die meine Regierung nicht hören will. Freiheit gibt es nicht umsonst. Wenn Bürger jetzt nicht ihre Rechte verteidigen, wird alles noch schlimmer."
"Im Land der Schatten ist die Wahrheit eine Lüge", hat uns Tom Drake zum Abschied gesagt. Eine deutliche Warnung vom Veteranen der Whistleblower.
Autorin: Tina Hassel, ARD-Studio Washington
Extra-Videos: Interview mit Thomas Drake (Teil 1+2)
Stand: 15.04.2014 11:08 Uhr
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