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Iran: Aufbruch

Iran: Aufbruch | Bild: SWR

Noch ist es kein "iranischer Frühling“, aber ein wenig politisches Tauwetter hat es seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Hassan Rohani bereits gegeben. Mehr "Freiheit“ liegt in der Luft und das ist vor allem in der Hauptstadt Teheran zu spüren. Blogger, Internetaktivisten und Künstler haben immer noch Probleme mit der allgegenwärtigen Zensur. Aber sie trauen sich wieder mehr und es keimt etwas in ihnen, das für jeden Fortschritt unabdingbar ist: "Hoffnung“ Über eine Gesellschaft im vorsichtigen Wandel berichtet  Martin Weiss, ARD Teheran.

Am Kaspischen Meer weht ein rauer Wind und peitscht die See auf. Amir und Javad stört das wenig. Sie fahren am Wochenende oft hier her. Abschalten vom Moloch Teheran - die Gedanken sortieren. "Als Rohani noch nicht Präsident war, hatte ich den Plan aus dem Land zu verschwinden, wie das viele gemacht haben“, sagt Amir Hadi Anvari, Journalist und Blogger. “Doch 2013 ist einiges passiert. Und nach den Wahlen hab ich wieder Hoffnung geschöpft. Die Lage hat sich verbessert, ist offener geworden.“ Und weil im Iran politisches Tauwetter herrscht, so sagt er, überlegen einige seiner Freunde, die vor Jahren ins Ausland gingen, jetzt sogar wieder zurückzukommen. Sie fahren über die Berge wieder in die Stadt - genießen noch einmal die klare Luft hier draußen und den heißen Tee, der im Iran eine lange Tradition hat. Für die beiden das liebste Freizeitvergnügen.

Amirs Arbeitsgerät: Der Computer. Diese Tastenkombination zu drücken, war vor sechs Monaten strafbar, und auch heute ist nicht klar, ob man das wirklich darf: Die im Iran beliebte Seite Facebook öffnen. Er ist Journalist und Blogger. Immer häufiger schreibt er seine Artikel auf Facebook, weil er hier mehr direkte Reaktionen bekommt. Seit Iran einen neuen Präsidenten hat, und auch der Außenminister Facebook nutzt, ist er froh, dass sich langsam was ändert. "Jetzt ist es klasse. Seit vier, fünf Monaten ist es viel leichter geworden, ins Internet zu kommen. Früher war es ein großer Aufwand, diese Seite zu öffnen.“

Kunde und Verkäufer im Lebensmittelgeschäft
Seit die internationalen Sanktionen greifen sind die Preise für die Lebenshaltung extrem gestiegen | Bild: SWR

Amir ist 29 und lebt mit seiner Mutter im Westen der 15 Millionenmetropole Teheran. Wie so viele, die noch nicht verheiratet sind, bleibt man zuhause im familiären Umfeld. Und billiger ist es auch. Denn seit etwa zwei Jahren seit dem die internationalen Sanktionen richtig greifen sind die Preise für die Lebenshaltung extrem gestiegen. So sind die Preise für Brot ums Dreifache gestiegen. Für Gemüse und Obst ebenso. Waren aus dem Ausland zum Teil ums Fünffache, wenn es sie überhaupt noch gibt. Der Staat ist quasi pleite. "Die Preise de Grundnahrungsmittel haben sich bisher nicht geändert. Es wird sicher noch ein paar Monate  dauern - falls sich überhaupt was ändert.“

Wir begleiten Amir zu Iran Khodro, dem größten Automobilhersteller im Mittleren Osten. Nach Öl und Gas ist die Automobilindustrie der wichtigste Wirtschaftssektor des Landes. Als die Sanktionen mehr und mehr wirkten, sanken die Produktionszahlen dramatisch. Doch im Iran wusste man zu reagieren. Mit Hilfe der Südkoreaner und Chinesen wurde dagegen gesteuert. Amir schrieb schon immer über Statistik und Zahlen, die besonders während der Ahmadinedschad-Zeit verfälscht wurden. Und das nicht nur im Automobilbau. Natürlich wäre es den Iranern lieber mit dem Westen zu kooperieren, zumal viele der Maschinen aus dem Westen oder aus Deutschland kommen. Siemens, Bosch oder Continental haben einst hier gute Geschäfte gemacht. Heute stellt Iran viele Zulieferteile selbst her, die noch vor zwei Jahren importiert wurden. Der stellvertretende Direktor von Iran Khodro erwartet, dass nach den positiven Genfer Atombeschlüssen die Sanktionen gelockert werden und dass Firmen aus Europa bald wieder in den Iran zurückkehren. "Die meisten Firmen, mit denen wir schon zusammengearbeitet haben, wie Bosch und Continental, von denen wir wichtige elektronische Bauteile und Sicherheitskomponenten bekamen, signalisierten bereits, wieder mit uns zusammen zu arbeiten“, sagt Hossein Najjari.

Journalistin
Journalisten beobachten schleichende Veränderungen in der Gesellschaft | Bild: SWR

Seinen Lebensunterhalt verdient Amir nicht mit Bloggen sondern bei der Zeitschrift "Welt der Wirtschaft“. Facebook ist auf vielen Bildschirmen geöffnet. Auch wenn noch immer vereinzelt Zeitungen und Webseiten geschlossen oder blockiert werden: Die Stimmung in der Redaktion ist lockerer geworden. Amir war, wie viele seiner Kollegen im Gefängnis: 10 Tage Einzelhaft im berüchtigten Evin-Gefängnis. Er bleibt eher skeptisch, was einen schnellen Wandel im Land betrifft auch wenn eine große Geschichte über Facebook vor einem halben Jahr nicht denkbar gewesen wäre. "Jetzt ist es zum Beispiel leichter, die Regierung zu kritisieren ohne dass man Angst haben muss, sofort angeklagt zu werden. Alles andere ist nach wie vor gleich geblieben.“ Noch immer ist eine gewisse Skepsis unter den Journalisten zu spüren. Sie alle sind in Wartehaltung und beobachten, denn die acht Jahre unter Ahmadinedschad wirken noch lange nach. "Das erste was nach den Wahlen passiert ist, dass die Menschen ruhiger geworden sind. Sie haben den Eindruck, die jetzige Regierung kann das Land managen und die Probleme lösen“, sagt ein Journalist. Eine Kollegin ergänzt: "Die Hoffnung auf bessere Zeiten ist spürbar an der Börse. Eine Begeisterung der Bevölkerung gibt der Börse Stabilität. Der Index ist gestiegen und die Preise für manche Waren gefallen.“

Frau in Kunstausstellung
Gerade in der Kunst hat die Zensur früher extrem zugeschlagen | Bild: SWR

Wir begleiten Amir und Javad zu einer Ausstellung. Gerade in der Kunst hat die Zensur früher extrem zugeschlagen. Regierungskritisches wurde schon im Ansatz verboten. Und die Ausstellung die sie besuchen ist hoch politisch. 93 Künstler malten 93 Portraits von Politikern aus der ganzen Welt. Und wie sehr die Schere im Kopf der Künstler noch wirkt zeigt sich hier, wo eigentlich der das Portrait von Staatsgründer Ajatollah Khomeini hängen sollte. Wohl aus Angst etwas falsch zu machen, malte der Künstler lieber nichts.

Stand: 15.04.2014 10:36 Uhr

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