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Kanada - Ölsand im Indianerland

Kanada: Ölsand im Indianerland | Bild: WDR

Anflug auf Fort Chipewyan hoch oben im Norden der kanadischen Provinz Alberta. Eine 400 Seelen Siedlung, weit ab von allem, Indianerland, Gestrandete Fischerboote.

Fisch aus dem See Atabasqua will keiner mehr kaufen. Fort Chipewyan steht im Zentrum einer Schlacht, David gegen Goliath, Indianer gegen Weiße, Ökologen gegen Ölbarone.

Ray LaDousseur ist Trapper, einer der letzten seiner Art . Er nimmt uns mit in`s Delta des Atabasqua. Das zweitgrößte der Welt, ein riesiges Süsswassereservoir, so groß, dass es das Klima beeinflusst. Das Delta ist ein wichtiges Rückzugsgebiet für die Tiere. Und es ist in Gefahr. Früher hat Ray hier in diesen Seitenarmen seine Fallen für Bisamratten ausgelegt. Nun fängt er keine mehr. Sie sind verschwunden.

Ray LaDousseur

»Heute  kannst Du hier das Flusswasser nicht mehr trinken, Becher rein und Durst löschen. Das geht nicht mehr. Die Ölfirmen haben den Fluss verdreckt. Es landet soviel Gift im Fluss.«

2 Flugstunden flussaufwärts öffnet sich die Sicht auf das, was Ray LaDousseur meint. Ölgetränkte Erde .Das größte Rohstoffabbaugebiet der Welt. Hier lagern direkt Ölreserven, größer als die von Saudi Arabien. Mit viel Wasser und Chemie löst man das Öl aus der Erde, im Tagebau. Das sei völlig unbedenklich für die Umwelt, für Luft, Boden und Wasser, sagt die Regierung von Alberta.

Keine Rückstände im Wasser, das glaubt in Fort Chipewyan niemand mehr und das liegt an diesem Mann. Dr. O Coonor von der Regierung, als Amtsarzt zu den Indianern geschickt. Ihm vertrauten sie sich an.

Und er machte eine schreckliche Entdeckung. Hier erkranken und sterben erheblich mehr Menschen an Krebs als anderswo. Krebsarten, die vorher hier nie aufgetreten sind.

Hohe Krebssterblichkeit
Hohe Krebssterblichkeit

O Coonor

»Blutkrebs, Gehirntumore, Drüsenkrebs und das siebenmal mehr als anderswo.«

Hat die Ölproduktion doch etwas damit zu tun? Dr. O Connor forderte eine wissenschaftliche Untersuchung an seinen Patienten. Die Regierung reagierte prompt. Er wurde von seinen Schutzbefohlenen wegversetzt, Drehverbot in der Amtspraxis. Aber der Amtsarzt ließ sich nicht mundtot machen.

O Coonor

»Die Regierung hat  versucht, mir meine Zulassung als Arzt zu entziehen. Es war ein langer, harter Kampf und er ist nicht vorbei.«

Darum geht es, giftige Produktionsreste. Ölschlick, versetzt mit Metallen und aromatischen Kohlenwasserstoffen, Krebserreger. Auf Planen wird der Ölschlick offen gelagert, meterhoch, richtige Giftseen. Sie bedecken inzwischen eine Fläche von 176 Quadratkilometern. Man könnte die Großstadt Köln mit dem Ölschlick 3 Meter hoch zu decken.

Ölgetränkte Erde
Ölgetränkte Erde

Ray zeigt uns seinen Geburtsort mitten im Delta. Hier hat er Jagen und Fischen gelernt , das Handwerk des Trappers. Er erzählt uns vom Drama seiner Familie. 8 seiner Verwandten starben an Krebs. Die Regierung sagt seit Jahren, das Wasser in und um Fort Chip sei völlig in Ordnung, daran mag Ray nicht mehr glauben.

Ray LaDousseur

»I see the changes. No pollution? Get real here.«

»Sie sagen, hier gebe es keine Umweltschäden, das ist doch Quatsch.«

RÜCKBLICK: Pressekonferenz in Edmonton- im Jahr  2010:

Fisch aus dem Delta mit Geschwüren , ungenießbar Gefangen von Ray und den Seinen.

Ray LaDousseur

»Ich fische seit 62 Jahren im Delta früher haben wir kranke Fische mit Geschwüren herausgezogen. Ich werde wütend, wenn ich daran denke, was sie unserem Fluss und uns angetan haben. Wir brauchen Hilfe.«

Die kommt von einem Forscherteam um den hochangesehenen Professor der Universität Alberta, Schindler . Das Team überprüft die offiziellen Wassermessungen der Regierung und stellt große Abweichungen fest.

3 Mai 2010: Auf einer Bürgerversammlung in Fort Chipewyan präsentiert Professor Schindler die Ergebnisse. Arsen, Blei, aromatische Kohlenwasserstoffe, Rückstände aus der Ölproduktion, niedrig konzentriert im Wasser, höher im Fisch.

Hier lagern Ölreserven
Hier lagern Ölreserven

Prof. Schindler

»Die Aussage der Regierung, dass nichts nach draußen dringt, ist falsch.«

Die Regierung von Alberta wischt das Untersuchungsergebnis beiseite.

Rob Renner, Umweltminister Alberta 2006-2011

»Ich schenke dieser Untersuchung keinen Glauben.«

Prof. Schindler

»Würde so etwas ein paar tausend Weißen widerfahren, sagt Professor Schindler, würde ganz anders gehandelt. Hier handelt es sich um blanken Rassismus.«

Und wieder wird ein Patient von Dr. O Connor begraben, verstorben an Krebs. Der Amtsarzt ist gekommen, um am Grab mit uns zu sprechen. Bis heute hat niemand seine Forderung erfüllt und wissenschaftlich genau untersucht, warum so viele seiner Schutzbefohlenen an Krebs erkranken und sterben.

O Connor

»Wir haben klare Hinweise, dass es da einen Zusammenhang gibt. Und nun verdreifachen sie die Produktion. Sie schweigen weiter und machen nichts.«

Die neue Regierung von Alberta hat inzwischen beschlossen, den Abbau massiv auszuweiten, auf eine Fläche so groß wie Frankreich. Gesundheitsrisiken sieht sie weiterhin nicht. Die Behörden mussten inzwischen zugeben, im Wasser falsch oder gar nicht gemessen zu haben und wurden deshalb von der Royal Society of Canada gerügt. Die Forschungsergebnisse des renomierten Umweltexperten Schindler sind inzwischen bestätigt.

Ray bleibt nicht mehr viel außer sein Stolz und die Macht der Worte.

Ray LaDousseur

»Respektiert die Natur …«

Autor: Markus Schmidt, ARD Studio New York

Stand: 15.04.2014 11:02 Uhr

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