Mo., 08.05.17 | 05:00 Uhr
Das Erste
Breil: Der Flüchtlingshelfer
Hoch oben in den französischen Seealpen – dort wo die Berge wild und das Meer nicht weit ist. Es ist einsam hier und doch ist dieser Ort so etwas wie ein Geheimtipp für Menschen, die einen langen und beschwerlichen Weg hinter sich haben.
Auf einem Öko-Bauernhof haben sie eine vorläufige Unterkunft gefunden. Mitten zwischen Olivenbäumen ist fast so etwas wie ein kleines afrikanisches Dorf entstanden.
Ein menschenfreundliches Frankreich
Jahrelang hat Cédric Herrou allein in der Einsamkeit seines Bauernhofs gelebt – doch dann kam die Wende. Er hatte Flüchtlinge, die nachts auf der Straße in der Nähe seines Bauernhofs waren, mit zu sich nach Hause genommen, ihnen etwas zu essen gegeben und ein Dach über dem Kopf. Zwei Jahre ist das jetzt her. Seitdem hat Cédric knapp tausend Flüchtlinge bei sich aufgenommen und ihnen geholfen, sich registrieren zu lassen. Der 37-jährige hat ihnen ein menschenfreundliches Frankreich gezeigt.
Die Eier der vielen Hühner, die er normalerweise verkauft, kann Cédric jetzt gut für seine Gäste gebrauchen, so nennt er die Flüchtlinge, die bei ihm leben.
"Sie kommen aus Italien entweder zu Fuß über die Straße, zu Fuß über die Eisenbahnschienen oder über die Berge. Auch wenn die Grenze geschlossen wäre, sie kämen trotzdem rüber. Manche Leute glauben, wir wollen die Flüchtlinge unbedingt nach Frankreich bringen. Das stimmt nicht. Ich will, dass sie mit Würde empfangen werden."
Flüchtlingslager unter Olivenbäumen
Mit drei Flüchtlingen hat es angefangen, dann wurden es immer mehr. Cédric hat Wohnwagen aufgestellt, eine Holzhütte gebaut, Duschen installiert. Und seit einigen Wochen gibt es sogar eine große Küche. Freunde haben ihm dabei geholfen. "Cédric ist ein guter Mann. Ich bin hierhergekommen und er gibt mir alles. Dusche, Trinken, Essen, Haus, Hose, Schuhe, Medikamente." "Wollen Sie denn in Frankreich bleiben?" "Ja, ich will leben in Frankreich", erzählt Gazaai, ein Gast von Cédric.
Er teilt sich einen Wohnwagen mit zwei anderen Flüchtlingen. Hier spürt er Wärme und Geborgenheit, sagt er. Wenn die Flüchtlinge bei Cédric eintreffen sind sie erschöpft, müde und energielos. Bei ihm finden sie Ruhe.
Sein Flüchtlingslager, mitten unter seinen Olivenbäumen, ist ein Lager auf Zeit. Nach zwei, drei Wochen, wenn sie wieder Kraft haben, fährt Cédric mit ihnen runter nach Nizza. Dort können sie einen Asylantrag stellen. Dann haben sie Anrecht auf eine offizielle Flüchtlingsunterkunft.
Handeln aus Menschlichkeit und nicht aus finanziellem Profit
Der Bauernhof von Cédric liegt zwar einsam und außerhalb des Ortes, aber alle hier wissen, dass dort Flüchtlinge leben. "Die kommen aus Italien, es gibt schon viele." "Werden es mehr?" "Ja, immer mehr." "Stört euch das?" "Mich stört das nicht. Sie leben ihr Leben. Sie sind einfach da, was will man da machen. Ein Mensch ist ein Mensch. Kein Tier", sagen Bewohner von Breil.
Sie haben sich daran gewöhnt – viele aus dem Ort helfen Cédric, bringen ihm Lebensmittel oder Kleidung. Aber es gibt auch kritische Stimmen. Über 36% haben im Departement Alpes-Maritime den rechtsextremen Front National gewählt.
"Der verlangt Geld. Natürlich. Ich weiß nicht wieviel Geld pro Flüchtling. Merde." "Wen bittet er um Geld?" "Das erzählt man sich hier. Angeblich holt er Migranten und wird so und so viel pro Monat bezahlt. Das wird gesagt", erzählt ein Bewohner.
Diese Vorwürfe kennt Cédric Herrou gut. Er wurde wegen illegalem Flüchtlingstransport von Italien nach Frankreich und illegaler Flüchtlingshilfe zu einer Geldstrafe von 3000 Euro auf Bewährung verurteilt. Dagegen hat er Berufung eingelegt. Er handelt aus Menschlichkeit sagt er und nicht aus finanziellem Profit.
"Dafür riskiere ich eine Gefängnisstrafe und Geldstrafen"
"Wir werden als Schleuser behandelt, als Schmuggler. Man behauptet, dass wir Geld dafür nehmen. Aber ich leiste nur reine Informationsarbeit und humanitäre Hilfe. Dafür riskiere ich eine Gefängnisstrafe und Geldstrafen." Die Flüchtlinge werden weiterziehen, Richtung Marseille oder Paris. Und Cédric will weitermachen, will weiter den Flüchtlingen ein kurzes Zuhause geben – egal welcher Präsident gewählt wird.
"Wenn man das Profil von unseren Politikern in Frankreich sieht, Leute, die öffentliche Gelder unterschlagen, dann glaube ich, kann man nicht viel von ihnen erwarten. Ich glaube, man muss das politische System in seiner Gesamtheit erneuern. Ich glaube man muss diese Leute rausschmeißen. Ganz einfach. Sie sind nicht würdig, die französische Republik zu vertreten", findet Cédric.
Cédric, der gute Mensch von Breil, macht seine eigene Politik. Wen er heute wählen wird, hat er uns nicht gesagt.
"Die Flüchtlinge darf ich nicht arbeiten lassen, weil es keine Gegenleistung geben darf. Keine Mehrdeutigkeit. Ich lasse sie hier nichts tun. Sie helfen aber beim Zusammenleben, beim Essen kochen, beim Gemüsegarten, um Essen für die nächsten Flüchtlinge wachsen zu lassen. Das ist Arbeit, die sie nicht direkt für mich leisten."
Autorin: Ellis Fröder / ARD Studio Paris
Stand: 14.07.2019 13:40 Uhr
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