So., 02.12.12 | 16:30 Uhr
Das Erste
Neues vom Blitzschutz
Neues vom Blitzschutz
Jährlich gehen rund zwei Millionen Blitze über Deutschland nieder - doppelt so viele wie vor gut zehn Jahren. Die zerstörerische Energie eines einzelnen Blitzes kann für Millionstel Sekunden bis zu 200.000 Ampere betragen. Ein Haus ohne Blitzschutz übersteht so etwas selten ohne Schäden. Blitzschutzanlagen sind also Brandschutzmaßnahmen für den Eigenheimbesitzer.
„Die globale Klimaveränderung macht auch in Deutschland nicht halt und führt dazu, dass in verstärktem Maße Gewitterfronten entstehen - mit sehr heftigen Gewitterentladungen, die verbunden sind mit sehr stromstarken Blitzen, und die natürlich dementsprechend verheerende Schäden auslösen können“, warnt Diplom Ingenieur Jürgen Wettingfeld. Der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige hat als Schwerpunkt den Blitz- und Überspannungsschutz für Anlagen der Energie- und Infotechnik.
Die Zunahme von Gewittern sei verheerend, sagt Wettingfeld, weil immer mehr und empfindlichere IT- und BUS-Systeme, Hightec Steuerungen im Haus und an der Heizung, also die gesamte Kommunikation über sensible Datenleitungen erfolgt. Der Schutz vor Blitzen, meist ein notwendiges Übel in der Architekturplanung, ist vom Gesetzgeber nicht gefordert. Und für Laien, die keine DIN-kundigen und studierten Elektroingenieure sind, ist Blitzschutz und die angebotene Gerätevielfalt oft unverständlich.
Der äußere Blitzschutz
Ein wirkungsvoller Blitzschutz besteht aus genormtem äußerem und innerem Blitzschutz. Der äußere fängt den Blitz ein, leitet ihn ab und verteilt ihn im Erdreich. Damit kann ein Brandschaden verhindert werden. Der äußere Blitzschutz ist mit einem grobmaschigen, metallenem Gitter vergleichbar. Es wird vom Dachfirst herab um das gesamte Haus herum gebaut. Fangstangen am Dachfirst dienen als Anlaufstelle für den Blitz. Sie ziehen ihn an und führen ihn direkt über die Erdableitungen großflächig in den Boden. Die Drähte sind rund acht Millimeter dick und bestehen aus Stahl oder Aluminium. Damit ist das Haus eigentlich geschützt. Da immer mehr Elektronik in die Hauswände verlegt wird, muss auch der Blitzschutz reagieren. Führen beispielsweise die konventionellen Fang- und Ableitungen zu eng am Haus entlang, kann sich die Blitzenergie, also die hohe Impulsspannungen, auch den einfachen Weg suchen: durch Überschläge in die Wand. Gleitüberschlag nennt man diesen Effekt. Der Blitzschutz muss sich darauf einstellen.
Zum Beispiel mit dem „isolierenden Blitzschutz“. Der besteht aus großen Fangstangen und hochspannungsfesten Leitungen, die quasi den Blitzstrom in die Leitungen einsperren, um die sogenannten Gleitentladungen zu vermeiden. Wenn man die Rahmenbedingungen einhält, kann dieser Blitzstrom nicht in das Gebäude gelangen.
Beim isolierenden Blitzschutz kommen eine oder zwei hohe Fangstangen zum Einsatz auf dem Dach - je nach Größe des Hauses. Sie schützen das gesamte Haus; die herausragende hohe Satellitenanlage und eine nachträglich installierte Photovoltaik-Anlage benötigen keinen separaten Blitzschutz. Auch sie wird durch die hohen Fangstangen und die dicken, isolierten Leitungen geschützt. Besonders vorteilhaft für Anlagen: Die Ableitung kann beim isolierenden Blitzschutz direkt und einfach unter den Photovoltaik-Modulen hinweg geführt werden - ohne die Gefahr eines Blitzüberschlags auf den Metallrahmen.
Der äußere Blitzschutz ist also vorbeugender Brandschutz. Aber die technische Ausstattung im Haus ist immer noch gefährdet, erklärt Blitzschutz-Sachverständiger Wettingfeld. „Während der äußere Blitzschutz schon seit Jahrhunderten bekannt ist, hat die technische Ausstattung in Gebäuden immer mehr zugenommen und ist sehr komplex geworden und auch damit sehr empfindlich. Deswegen rückt immer mehr der innere Blitzschutz in den Fokus.“
Die innere Abteilung
Der innere Blitzschutz wirkt im Haus gegen gefährliche Überspannung von Blitzen. Die starken Störenergien eines Blitzes können sich noch gut in einem Radius von bis zu 1,5 Kilometer von der Einschlagstelle ausbreiten und ihre zerstörende Wirkung entfalten. Die sogenannten Überspannungen beschädigen oder zerstören empfindliche elektronische Geräte. Hinzu kommt, dass die meisten von ihnen über mehrere Leitungen, wie Netzanschluss und Datenleitung, gleich mehrfach gefährdet sind.
Wer bei Gewitter im Hause ist, kann nach altbewährter Methode die Geräte vom Netz trennen. Das ist aber nicht immer möglich und zudem recht umständlich. Um Blitzströme wirkungsvoll und sicher von Anlagen fernzuhalten, bedarf es meist mehr als eine Steckdosenleiste aus dem Baumarkt. Wirksam ist nur ein mehrstufiger Überspannungsschutz. Der Sachverständige erklärt das Prinzip: „Der Blitz hat zwei Komponenten. Das sind der Strom und die Spannung. Mit den Komponenten gegen Blitzströme bekomme ich in erster Linie die sehr hohen Ströme in den Griff und auch die sehr hohen Spannungen. Die restliche Spannung, die dann noch übrig bleibt, kann durch weitere Ableiter begrenzt werden, so dass auch die nachfolgende Installation geschützt ist.“
„Kombi-Ableiter“ verrichten diese Arbeit in einem einzigen Gerät und bauen sowohl den Blitzstrom als auch Überspannungen stufenweise ab. Sie lassen sich einfach vom Elektriker am Hausanschlusskasten installieren. Alle empfindlichen Endgeräte, wie Fernsehgeräte, Router oder Computer benötigen zudem einen fein abgestimmten Überspannungsschutz direkt an den Geräten. Die gibt es als nachrüstbare Adapter oder als Unterputzsteckdosen-Einsätze. „Unterputzsteckdosen können durch solche Einsätze durchaus wirkungsvoll geschützt werden. Dieser Schutz ist sogar so wirksam, dass benachbarte Steckdosen mit geschützt sind“, sagt Jürgen Wettingfeld
Für jedes Gerät eigene Ableiter
Das schier unüberschaubare Angebot unterschiedlicher Blitzschutzgeräte scheint auf den ersten Blick ein Marketinggag zu sein. Das sei aber nicht so, sagt Jürgen Wettingfeld. Jede Geräteklasse benötige eigene Ableiter. „Jedes Schutzgerät muss abgestimmt sein auf die technischen Erfordernisse. Zum Beispiel sind die Erfordernisse bei einem Kabelfernsehgerät ganz andere als zum Beispiel bei einer Heizungssteuerung“ Will man nicht eines Abends im Kalten stehen, weil eine Überspannung die Heizung beschädigt hat, ist es wichtig, auch die Steuerleitung der Heizungssteuerung durch Überspannungsschutzgeräte zu sichern.
Und da es für alles eine App gibt, kann man sich auch in diesem Fall blitzschnell informieren, wie gefährdet zum Beispiel der eigene Wohnort ist - bevor das große Donnerwetter kommt. Diese App können kann kostenlos im App Store oder für Android downgeloadet werden. Übrigens, auch unter BLIDS kann man sich aktuelle Blitzinfos im Internet holen. Der Blitz-Informations-Dienst von Siemens ortet Gewitterblitze in Deutschland, nutzt dabei über 130 verbundene Messstationen in Europa und ortet landesweit jeden Blitzeinschlag auf bis zu 300 Meter genau. Auch die Stromstärke der Blitze wird veröffentlicht. Über ein Abosystem per Internet und Handy erhält man sogar Gewitterwarnungen.
Autor: Werner Ahlschwedt
Stand: 11.12.2012 18:42 Uhr