Interview mit Regisseur Eric Friedler
Eric Friedler, 1971 geboren in Sydney, Australien, ist Dokumentarfilmregisseur und lebt in Hamburg, Deutschland. Für seine Filme wurde er vielfach international und national ausgezeichnet, u.a. mehrfach mit dem Grimme-Preis, dem Deutschen Fernsehpreis und dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis.
Was hat Sie an der Geschichte des Plattenlabels interessiert?
Eric Friedler: Ich war immer fasziniert von der Geschichte dieser zwei jungen Deutschen, die nach Amerika gingen und 1939 eine Plattenfirma gründen, die später zur Legende wurde. Während Hitler und die Nationalsozialisten die Welt in Brand setzten, bauten der geniale Produzent Alfred Lion und sein Jugendfreund, der herausragende Fotograf Francis Wolff, in New York das Label Blue Note Records auf, das sich auf Modern Jazz, Amerikas wohl bedeutendste Musik konzentrierte. Blue Note arbeitete vor allem mit afro-amerikanischen Musikern zusammen und bot ihnen als erste Plattenfirma uneingeschränkt eine öffentliche Plattform und faire Geschäftsbedingungen. Es ging schließlich um Jazz, um freie, improvisierte Musik. Musik, die für uns heute verloren wäre, wenn sie nicht von Blue Note aufgenommen worden wäre.
Mich interessierte auch dieser besondere historische Moment, in dem die afro-amerikanischen Bürger begannen, lautstark ihre verdienten Rechte einzuklagen. Mit Einfallsreichtum und einer großartigen künstlerischen Vielfalt. Oder wie Blue-Note-Musiker Bennie Maupin es uns im Interview sagte: "Es gibt keine Revolution ohne Musik." Blue Note Records feierte in seinen Aufnahmen diese revolutionäre Musik.
Was war das Besondere an Blue Note?
Es gibt so viele Aspekte, die das Label ausmachen. Am wichtigsten war für mich diese tiefe Freundschaft zwischen zwei so unterschiedlichen Männern, – der extrovertierte Macher Alfred und der zurückhaltende Fotograf Francis – die dennoch so vereint waren in ihrer gemeinsamen Leidenschaft für Jazz-Musik. Ihre Heimat zu verlassen, getrennt von ihren Familien, die zu Teilen von den Nationalsozialisten umgebracht wurden, lebenslange, absolute Freundschaft zu halten. Gegen alle Widerstände haben sie zusammen den Traum gelebt, den sie schon als Jugendliche in Berlin hatten: Außergewöhnliche Jazz-Musik zu produzieren und für die Welt zu erhalten.
Besonders bei Blue Note war auch, dass das Label über seine zweifelsfreie Bedeutung für die Jazz-Musik auch eine politische Relevanz besaß. Während afro-amerikanische Künstler in den USA unter Diskriminierung und Ausgrenzung litten, sahen die Deutschen Alfred Lion und Frank Wolff in den von ihnen engagierten Musikern bewundernswerte, ungemein talentierte Menschen. Sie zollten den Künstlern Respekt und pflegten mit ihnen einen würdevollen, mitmenschlichen Umgang. Bevor die Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichte und Martin Luther King, Jr. seine berühmte Rede "I have a dream" in Washington hielt, lebte man bei Blue Note diese Utopie schon lange. Heute müssen Alfred Lion und Francis Wolff wohl als frühe Wegbereiter dieser Bewegung gelten. Sie arbeiteten ungeachtet der Hautfarbe auf Augenhöhe mit allen Künstlern und entdeckten Jazz-Giganten wie Herbie Hancock, Quincy Jones, Sonny Rollins, Wayne Shorter, Miles Davis, John Coltrane, Thelonious Monk, Ornette Coleman oder Ron Carter.
Wie sind Sie bei der Auswahl der Protagonisten vorgegangen?
Es ist erstaunlich, wie viele der Musiker sich auch noch heute im vorgeschrittenen Alter nicht nur einer guten Gesundheit erfreuen, sondern aktiv immer noch im Musikgeschehen mitmischen und überall auf der Welt auf den Bühnen stehen. Und sie sind voller Leben und humorvoll und einfach großartige Interviewpartner: Lou Donaldson, dem mit seinen 91 Jahren noch immer der Schalk im Nacken sitzt. Benny Golson (89), der mit seinem Charme alle Teammitglieder bezauberte und die gleichaltrige Sheila Jordan, die noch heute in Deutschland Jazz-Clubs füllt. Neben den wohl bekanntesten wie Quincy Jones, Herbie Hancock, Wayne Shorter oder Sonny Rollins war für uns ein besonderes Highlight, den genialen Toningenieur Rudy Van Gelder zu sprechen, der uns kurz vor seinem Tod sein letztes Interview geben konnte.
In "It Must Schwing! – Die Blue Note-Story" verwenden Sie das Stilmittel der Animation. Wie kam es dazu?
Dort, wo wir keine Archivbilder fanden oder das neu gedrehte Material verwenden konnten, um die Geschichte zu erzählen, haben wir Szenen fiktionalisiert. Es gibt beispielsweise keine Aufnahmen davon, wie Alfred Lion zum ersten Mal als Teenager in Berlin Jazz-Musik gehört hat. Oder ein filmisches Zeugnis, wie Alfred und Frank zum ersten Mal in die Wohnung von Thelonious Monk kamen. Wir haben uns aber nicht zum Re-Enactment mit Schauspielern entschlossen, sondern zur Animation, weil sie uns eine noch größere Freiheit gab. In intensiven Sitzungen mit dem Trickzeichner haben wir schließlich diesen schwarzweißen Look entwickelt. Darüber hinaus konnten wir auf ein Radio-Interview zugreifen, dass exklusiv 1964 für den NDR in New York mit Alfred Lion und Frank Wolff gemacht wurde und seitdem im Archiv schlummerte. Der deutsche Korrespondent Eric T. Vogel hat damals das einzige Interview in deutscher Sprache mit den beiden geführt.
Kommentare