Di., 17.10.17 | 03:25 Uhr
Das Erste
Geschichte im Ersten: Widerstand unter Hitler
"De gode Tysker" – der "gute Deutsche" wird er in Dänemark noch heute genannt oder auch der "Schindler von Kopenhagen": Georg Ferdinand Duckwitz. Der deutsche Diplomat rettete fast 7.000 dänische Juden vor der Deportation durch die deutsche Wehrmacht. Diese Tat eines Mitglieds der deutschen Besatzungsmacht während der Zeit des Nationalsozialismus ist in Europa beispiellos. Für diese Verdienste wurde Georg Ferdinand in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" geehrt.
Der Radio-Bremen-Film von Reinhard Joksch widmet sich dieser außergewöhnlichen Rettung und dem Leben von Duckwitz mit seinen Brüchen. "Das interessante an seiner Biografie ist", so der dänische Historiker Hans Kirchhoff, "dass Duckwitz in seinem Lebensweg die Wandlung vom rechtsnationalen Korpsstudenten hin zum Demokraten und Europäer durchmacht. Er trägt sozusagen alles Schreckliche und alles Gute in sich, was wir in dem letzten Jahrhundert erlebt haben."
Eine außergewöhnliche Lebensgeschichte
Der Diplomat Duckwitz ist fast sein ganzes Leben immer wieder gegen den Strom geschwommen. Es ist die Lebensgeschichte eines Mannes, der heute vom Auswärtigen Amt als jemand bezeichnet wird, "der sich gegen den Zeitgeist und erst recht gegen die Verbrechen der Nazis stellte, dessen moralischer 'Kompass' nicht nur weiterhin funktionierte, sondern Richtschnur seines Handelns wurde."
Georg Ferdinand Duckwitz wurde 1904 in Bremen geboren. Er stammt aus einer alteingesessenen Kaufmannsfamilie. Sein Urgroßvater war der Bremer Kaufmann und spätere Bürgermeister Arnold Duckwitz. Seine Familie sei "nationalkonservativ gewesen", sagt sein Neffe Carl-Alexander Duckwitz heute. Vielleicht deshalb ist der junge Duckwitz von den Ideen Hitlers zunächst begeistert, wird 1932 Mitglied der NSDAP. Ab 1933 ist er im Außenpolitischen Amt der NSDAP tätig. Alles deutet auf eine Bilderbuchkarriere hin, die kaum erwarten lässt, dass er einmal tausenden Juden das Leben rettet. Doch anders als viele andere hochrangige Nazis zweifelt er bald am System und der Ideologie der Nationalsozialisten. Bereits 1935 wendet er sich von der Partei ab, ohne jedoch auszutreten. Er gilt als Abtrünniger und wird 1939 dennoch als Schifffahrtssachverständiger der deutschen Besatzer nach Kopenhagen entsandt und wechselt dort ins Auswärtige Amt.
Duckwitz' mutige Entscheidung
Er sei ein "anständiger Mensch gewesen", sagt heute einer der letzten noch lebenden, damals betroffenen, dänischen Juden, Herbert Pundik. Hätte Duckwitz damals nicht mutig gehandelt, da ist sich der heute 90-Jährige sicher, wäre "mein Schicksal das gleiche wie das der sechs Millionen Juden in Europa gewesen." Duckwitz hatte den Mut, die dänische Seite vor der drohenden Deportation ihrer Mitbürger zu warnen, und riskierte damit selbst sein Leben.
Am Abend des 1. Oktober 1943 wird die dänische Hauptstadt von der Außenwelt abgeschnitten. Durch die Straßen der Innenstadt fahren Lastwagenkolonnen. Dies ist der Auftakt einer großangelegten Hetzjagd. Die deutschen Besatzer planen, tausende von dänischen Juden am Morgen des 2. Oktober zu verhaften und nach Auschwitz zu deportieren.
Doch die Razzia bleibt weitgehend erfolglos. Die meisten Juden haben die Stadt bereits verlassen und sind an die Küste geflohen, von wo sie mit großer Unterstützung der dänischen Bevölkerung über den Sund nach Schweden entkommen. Sie waren von Georg Ferdinand Duckwitz gewarnt worden, der zuvor in Schweden die Zusicherung erreicht hatte, dass man alle Flüchtlinge aufnehmen würde.
Würdigung nach dem Krieg
Bereits in den letzten Kriegstagen beweist Duckwitz sein Verhandlungsgeschick in den Kapitulationsverhandlungen und verhindert damit weiteres Blutvergießen. 1953 wird er deutscher Konsul in Helsinki und kehrt 1955 als deutscher Botschafter nach Kopenhagen zurück. 1967 wird Georg Ferdinand Duckwitz von Außenminister Willy Brandt zum Staatssekretär des Auswärtigen Amtes gemacht. Brandt wusste um Duckwitz’ Rolle in Dänemark und schätzte seine Integrität.
Er wird einer der wichtigsten Vertrauten Brandts und leitet die Verhandlungen für die "Ostverträge" mit Polen. Nach dem Abschluss des Warschauer Vertrages geht er in den Ruhestand und stirbt 1973 in Bremen.
Eine Produktion von Fokus Geschichte im Auftrag von Radio Bremen gefördert von der nordmedia Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen-Bremen.
Ein Film von Reinhard Joksch
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