Mo., 05.03.12 | 20:15 Uhr
Das Erste
Joachim Fuchsberger
"Fang' nie an aufzuhören und höre nie auf anzufangen", gibt der 84-jährige Joachim Fuchsberger seinen Fans mit auf den Weg. Und nach dieser Devise verläuft auch sein pralles Leben voller Wendepunkte, Erfolge und Dramen.
So oft schon hat er Fernsehteams und Journalisten seine amüsanten Anekdoten, vermeintliche und tatsächliche Heldentaten und Tragödien erzählt. Blacky Fuchsberger ist der routinierte Entertainer, Schauspieler – ohne je eine entsprechende Ausbildung gehabt zu haben – er ist Dokumentarfilmer – ohne je Journalist gewesen zu sein. Er tut es einfach. Blacky kennt nur die Angst, etwas nicht zu schaffen.
Kaum einer weiß so gut wie er, wie er mit Medien umzugehen hat, denn er spürt, fast physisch, was das Publikum will: Offenheit, Echtheit, Unterhaltung auf Augenhöhe. Er gibt den Menschen das Gefühl, weniger allein zu sein. Er ist mit ihnen alt geworden, wurde wie viele seiner Fans als Jugendlicher in eine Nazi-Uniform gesteckt und schenkte ihnen nach harten Kriegsjahren Zerstreuung, indem er haarsträubende Kriminalfälle als Inspektor bei Scotland Yard aufklärte oder in Heimatschmonzetten die schönsten Frauen verführte.
Der aufregendste Auftritt des Joachim Fuchsberger war jedoch eine stumme Rolle. Bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 1972, befürchteten Sicherheitskräfte einen weiteren Anschlag. Ein entführtes Flugzeug habe Kurs auf München genommen, teilte man Stadionsprecher Fuchsberger mit. Er solle über die Evakuierung des Olympiastadions entscheiden. Fuchsberger sah zwei Abfangjäger über das Stadion donnern, behielt einen kühlen Kopf und schwieg, um eine Massenpanik zu verhindern.
Blacky findet in schwierigen Momenten die richtigen Worte und schweigt an den richtigen Stellen. Als Talk-Master gelang ihm das nicht immer. Zwar brillierte er als unangefochtener Quotenkönig mit "Auf los geht's los", doch die Kritiker warfen ihm einen unkontrollierbaren Hang zu verbalen Entgleisungen vor und beschimpften ihn als einen ungalanten Grobian. "Die Medien haben eine ungeheure Macht. Sie machen Karrieren, stellen einen auf den Sockel und bauen gleich eine Sprengladung ein", beklagt Blacky. Die Schmähungen der Kritiker schmerzen ihn bis heute.
Doch sein Publikum bliebt ihm treu, auch als er im Zorn bis ans Ende der Welt flüchtete, nach Australien, um von dort mit "Terra Australis" zurück in die heimischen Wohnzimmer zu kehren.
Es ist ein Wechselspiel. Er gibt alles von sich und vieles preis und bekommt dafür etwas Existenzielles zurück: Lebensenergie. Er braucht den Kontakt zu seinem Publikum wie die Luft zum Atmen: "Der Kontakt zum Publikum ist die einzige Droge, die ich mir leiste", gesteht Fuchsberger.
Doch woher kommt seine große Sehnsucht nach Anerkennung und Zuspruch? Wieso sucht er die Zuneigung Fremder, einer anonymen Masse und woher stammt seine unglaubliche seelische Widerstandskraft? Was treibt ihn an? Wie tickt er? Und wie schaffte er es, Klaus Kinski zu besänftigen und sich vor Romy Schneider zu blamieren?
Tina Soliman erzählt die Lebensgeschichte einer lebenden Legende, trifft Joachim Fuchsberger über einige Monate immer wieder zum Gespräch, begleitet ihn bei Veranstaltungen und Preisverleihungen, die er auch nach dem Tod seines Sohnes nicht meidet. "Es heißt: Die Zeit heilt alle Wunden, und wenn man keine Zeit mehr hat, kann es auch nicht heilen, so ist es bei meinem Bruder", verrät Otmar Fuchsberger, der für "Legenden" zum ersten Mal vor die Kamera geht. Während sein großer Bruder als Filmstar berühmt wurde, zog er mit einem Wanderkino durch Deutschland.
Die Zeit, die ihm bleibt, nutzt Blacky Fuchsberger. Leben heißt für ihn, sich bewegen, weiter machen, Neues entdecken, offen sein und neugierig bleiben. "Solange ich da oben noch richtig ticke, solange ich noch denken und reden kann, lebe ich und das sogar sehr gerne", sagt Blacky Fuchsberger. Die Trauer um seinen Sohn hat ihn nicht zerstört.
Seine Bühnenpräsenz, seine Fähigkeit das Publikum in kürzester Zeit für sich zu gewinnen, hat er auch heute nicht verloren. Als er im Oktober 2011 den Deutschen Fernsehpreis bekommt, stellt er viele Kollegen in den Schatten. Er kann es, weil er sich nicht hat verbiegen lassen, weil er unabhängig blieb. Er ist immer Blacky – auf der Bühne, vor der Kamera, im Privaten. Er spielt nicht! Er ist.
Aufrichtig und offen erzählt Blacky auch von seiner finanziellen Pleite, von schmerzlichen Erfahrungen und Wünschen. Alte Weggefährten wie Karin Dor, Dieter Pröttel, Udo Jürgens, Freunde aber auch jüngere Kollegen wie Ralf Bauer, Jan Josef Liefers und Bastian Pastewka nähern sich ihrem Freund und Kollegen.
Blacky hat viel erlebt und erlitten. Erwartungen, die das Leben umwirft, schrecken ihn nicht. Und er scheint froh darüber zu sein, immer wieder vom Weg rechtzeitig abgekommen zu sein, denn so wurde er zur Legende.
Zur Sendereihe "Legenden" bemerkt Blacky: "Legenden sind eigentlich ziemlich tot, und ich lebe ja noch und bin noch ziemlich munter." Stimmt!
Film von Tina Soliman
Tina Solimans Filmographie (Auswahl)
Studium der Germanistik, Romanistik und Politikwissenschaften an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt mit Magister-Abschluss, volontierte bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und arbeitete anschließend viele Jahre für die ARD-Politmagazine, das ZDF (37 Grad) sowie für den ARD-Kulturreport.
2011
21.01.2011: Veröffentlichung des Sachbuches (Psychologie) Funkstille. Wenn Menschen den Kontakt abbrechen | 14.0 5.2011: 6. Marler Fernsehpreis für Menschenrechte 2011 von Amnesty International für die in der ZDF-Sendereihe ausgestrahlte Dokumentation "Zur Heirat verurteilt" und Nominierung für den CIVIS-Medienpreis für Integration und kulturelle Vielfalt in Europa 2011 | PANORAMA (ARD/NDR)
2010
"Zur Heirat verurteilt" ( 37 Grad, 30', ZDF) | Pleite – und jetzt? Wege aus der Krise, ARD (45' ARD/NDR) | PANORAMA (ARD/NDR)
2009
Kampf gegen die Krankheit, Herzinfarkt (45' NDR) | Ich will sterben. Wenn alte Menschen nicht mehr leben wollen (45' ARD/NDR) | Der Hirnschrittmacher, Heilung auf Knopfdruck? (45' NDR) Ich will nicht mehr. Wenn das Alter zur Last wird (45' NDR) | 1. Preis des Bundesverbandes Herzkranker Kinder für die ARD-Dokumentation Ein Herz für Lilli (NDR).
2008
Ein Herz für Lilli. Kinder leben mit Spenderherzen (45' ARD/NDR) | Der Feind in meinem Kopf. Leben mit Parkinson (37 Grad, 30' ZDF)
2007
Jetzt will ich's wissen, Über Menschen, die den Schulabschluss nachholen (37 Grad, 30' ZDF) | Für mich bist du gestorben. Wenn Menschen den Kontakt abbrechen (45' NDR)
2006
Warum, mein Kind? Eltern nach dem Suizid von Kindern (37 Grad, 30' ZDF) | Die Ängste bleiben lebenslang. Traumata der Kriegskinder (45‘WDR)
2005
Sei froh, dass du lebst. Kriegskinder erinnern sich (30' ARD/MDR) | Herzalarm. Mitten im eben (37 Grad, 30' ZDF)
2004
Medienpreis der Deutschen Bischofskonferenz für Grausames Glück.Wenn Geburt und Tod aufeinander treffen. (37 Grad) | Verleihung durch Kardinal Karl Lehmann. Rendezvousmit der Nacht. Taxi-Tomund seine Gäste (37 Grad, 30' ZDF)
2003
Zählt nur die Liebe? Von geistig Behinderten und ihren Kindern, Menschen hautnah (45' WDR) | Grausames Glück.Wenn Geburt und Tod aufeinander treffen. (37 Grad, 30' ZDF)
2002
Wahnsinns-Kinder.Wenn die Eltern psychisch krank werden (37 Grad, 30' ZDF) | Wie heißt die Hauptstadt von Freundschaft? Aus dem Innenleben von Autisten (37 Grad, 30' ZDF)
2001
Minen, Mord und Medien. Reporter im Krieg (37 Grad, 30' ZDF) | Der Tod im Spiegel. Ein Junge kämpft ums Überleben. (37 Grad, 30' ZDF)
1993-2000
37 Grad (ZDF) | ARD-Politmagazine, Kulturreport, Moderne Menschen (HR)