Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 10.10.2023

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Alev Doğan, Melanie Amann, Günther Jauch, Wolfgang Ischinger, Schimon Stein
Die Gäste (v.l.n.r.): Alev Doğan, Melanie Amann, Günther Jauch, Wolfgang Ischinger, Schimon Stein | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie wirken sich die stationären Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze auf den Verkehr aus?

Wie wirken sich die stationären Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze auf den Verkehr aus?

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sprach sich angesichts steigender Flüchtlingszahlen für stationäre Personenkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze aus. Größere Staus im Grenzverkehr seien dadurch nicht zu befürchten, das hätten bereits die Kontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze gezeigt, so Kretschmer. 

Mit Grenzkontrollen gegen Schleuserkriminalität: Welchen Effekt hat das auf den Verkehr?

Maischberger: "Grenzkontrollen in Sachsen ist noch mal eine wichtige Frage, weil die IHK in Sachsen gerade gesagt hat, stationäre Grenzkontrollen sind einfach ganz schlecht für die Pendler, für die Lieferketten, für die Fachkräfte. Und Sie kommen aus Görlitz."

Kretschmer: "Was heißt schlecht? An der bayerisch-österreichischen Grenze wird das Ganze praktiziert. Und wir haben an der Grenze, wo ich jetzt hinfahre, nach Polen, fast eine doppelt so hohe Zahl [an Flüchtlingen] wie [an der Grenze] zu Österreich. Wir müssen doch was machen. Wer kommt denn da ins Land? Was sind das für Leute?"

Maischberger: "Also Grenzkontrollen auch dann in Görlitz beispielsweise?"

Kretschmer: "Ja, aber das ist ja jetzt nicht mit einem Riesenstau verbunden, sondern man macht es mit Sichtkontrolle. Die Bundespolizei wird das gut hinkriegen, die haben es in Österreich an der Grenze hingekriegt, die werden es auch da machen. Es geht darum, dass man kontrollieren kann, wer kommt ins Land, dass man die Leute registrieren kann, und dass sich hier nicht jeder bewegen kann, wie er will."

Stimmt das? Wie wirken sich die stationären Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze auf den Verkehr aus?

Mit Inkrafttreten des Schengener Abkommens im Jahr 1985 wurden systematische Personenkontrollen an den Binnengrenzen der teilnehmenden Staaten grundsätzlich abgeschafft. Nur ausnahmsweise und vorübergehend können Grenzkontrollen wieder eingeführt werden. Die Voraussetzungen hierfür sind im Schengener Grenzkodex geregelt. Gemäß Artikel 25 können Kontrollen vorübergehend wieder eingeführt werden, wenn "die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit in einem Mitgliedstaat ernsthaft bedroht" ist. Der Zeitraum ist dabei auf maximal sechs Monate begrenzt. 

Im Herbst 2015 veranlasste der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) stationäre Personenkontrollen an der Grenze zu Österreich. Der Grund war eine hohe Zahl Geflüchteter, die über Österreich nach Deutschland kamen. Die Ausnahmeregelung wurde seither immer wieder auf Antrag des Innenministeriums bei der EU-Kommission verlängert. Zuletzt meldete Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im April 2023 eine neuerliche Verlängerung an, die Mitte Mai in Kraft trat. Als Begründung verwies Faeser auf eine "erhebliche Zunahme" von unerlaubten Einreisen. 

Von den Grenzkontrollen betroffen sind vor allem die Autobahnübergänge Suben (A3 Linz – Passau), Walserberg (A8 Salzburg – München) und Kiefersfelden (A93 Kufstein – Rosenheim). Die Kontrollen erfolgen stichprobenartig, d.h. nicht jedes Fahrzeug wird von der Polizei aus dem Verkehr gezogen. In die Entscheidung, ob ein Fahrzeug genauer kontrolliert wird, fließen unterschiedliche Kriterien ein, wie die Bundespolizei im November 2022 gegenüber dem Bayerischen Rundfunk erklärte. Wenn z.B. viele Menschen in einem Auto reisen, kann das ein Grund dafür sein, dass die Insassen kontrolliert werden. Auch das Vorhandensein eines nicht unmittelbar einsehbaren Laderaums, in dem sich weitere Personen befinden könnten, kann den Ausschlag geben. Aber auch die Herkunft eines Fahrzeugs wird bei der Entscheidung berücksichtigt. 

Durch das stichprobenhafte Vorgehen gibt es in der Regel keine größeren Staus an der Grenze. Das zeigen Angaben der österreichischen Autobahngesellschaft ASFINAG, die auf ihrer Website die jeweils aktuellen Wartezeiten an den Autobahn-Grenzübergängen nach Deutschland ausweist. Demnach müssen Autofahrer oft keine fünf Minuten warten. Nur am Übergang Kiefersfelden lag die Wartezeit am Mittwochnachmittag (11.10.23, 15:30 Uhr) bei mehr als 60 Minuten. Die genauen Gründe dafür werden allerdings nicht genannt. Größere Staus gab es im Sommer 2022, als Deutschland die Kontrollen im Vorfeld des G7-Gipfels im bayerischen Elmau verstärkte. Der ADAC weist außerdem grundsätzlich auf längere Wartezeiten während der Ferienzeiten hin.

Welche Folgen noch engmaschigere Kontrollen haben können, wurde während der Corona-Pandemie deutlich. Damals kam es durch die Verschärfung der Einreiseregeln zu teils kilometerlangen Staus an den Autobahn-Grenzübergängen.  

Ob stationäre Personenkontrollen künftig auch an den Grenzen zu Tschechien und Polen durchgeführt werden sollen, wurde in der Öffentlichkeit zuletzt kontrovers diskutiert. Vor allem die Union befürwortet ein solches Vorgehen. Sächsische und bayerische Industrie- und Handelskammern (IHK) positionierten sich dagegen. Sie befürchten, dass es durch die Kontrollen zu erheblichen Einschränkungen im grenzüberschreitenden Liefer- und Pendlerverkehr kommen könnte. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält stationäre Kontrollen zudem für "nicht effektiv“. Fest eingerichtete Kontrollpunkte würden dazu führen, dass Schleuser diese von vornherein umfahren, erklärte die Vizevorsitzende des GdP-Bezirks Bundespolizei, Erika Krause-Schöne, gegenüber der "Rheinischen Post". Stattdessen wolle sich die Bundespolizei "agil auf der Grenzlinie" bewegen können. 

Wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am 27.9.2023 mitteilte, sollen die Kontrollen an den Grenzen zu Tschechien und Polen künftig deutlich intensiviert werden, auf stationäre Kontrollpunkte wolle man aber vorerst verzichten. Vielmehr wolle man "abhängig von der jeweiligen aktuellen Lage räumlich und zeitlich flexibel" agieren. Ziel sei ein "maximaler Ermittlungsdruck auf Schleuser und der Schutz der Menschen, die oft ohne Wasser und mit kaum Sauerstoff über Grenzen geschmuggelt werden", so die Bundesinnenministerin weiter. Eine Einführung stationärer Kontrollen in der Zukunft schloss sie aber nicht aus.

Nach Angaben des bayerischen Innenministeriums ist die Zahl der im Grenzgebiet zu Österreich und Tschechien aufgegriffenen Schleuser in den letzten beiden Jahren gestiegen. 2021 waren es 183 dokumentierte Fälle, im Folgejahr 191. Im Zeitraum von Januar bis August 2023 wurden bereits 154 Schleuserfälle festgestellt, was einem Anstieg um 52,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. 

Ob eine Verschärfung der Grenzkontrollen aber dazu geeignet ist, die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge tatsächlich zu reduzieren, ist umstritten. Denn laut Asylgesetz (AsylG) darf niemand, der Asyl begehrt, an der Grenze abgewiesen werden. Erst nach Unterbringung in der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung wird im Rahmen des Asylantrags geprüft, ob die jeweilige Person in Deutschland bleiben darf oder von einem anderen Asylland aufgenommen werden muss. 

Fazit: Seit 2015 werden an der deutsch-österreichischen Grenze stationäre Personenkontrollen durchgeführt. Anlass war damals eine hohe Zahl Geflüchteter, die über Österreich nach Deutschland kamen. Die Grenzkontrollen sind gemäß Schengener Grenzkodex auf maximal sechs Monate begrenzt, sie wurden seit 2015 aber immer wieder verlängert, zuletzt im April 2023. Die Auswirkungen auf den Verkehr hängen vom Umfang der Kontrollen ab. An der deutsch-österreichischen Grenze wird aktuell nur stichprobenhaft kontrolliert. Dadurch kommt es in der Regel nicht zu größeren Staus. Welche Folgen noch engmaschigere Kontrollen haben können, wurde z.B. während der Corona-Pandemie deutlich, als es durch die Verschärfung der Einreiseregeln zu teils kilometerlangen Staus an den Autobahn-Grenzübergängen kam. Im Grenzgebiet zu Tschechien und Polen setzt Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vorerst auf flexible Kontrollen, schließt eine Einrichtung stationärer Kontrollpunkte in der Zukunft aber nicht aus.

Stand: 11.10.2023

Autor: Tim Berressem