Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 29.11.2023

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Michael Bröcker, Christoph Daum, Samiha Shafy, Cherno Jobatey
Die Gäste (v.l.n.r.): Michael Bröcker, Christoph Daum, Samiha Shafy, Cherno Jobatey | Bild: WDR / Melanie Grande

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Warum unterzog sich Christoph Daum einer Haaranalyse?

Warum unterzog sich Christoph Daum einer Haaranalyse?

Christoph Daum sprach in der Sendung über die Kokain-Affäre, die ihm zu Beginn der Nullerjahre den Job als Bundestrainer kostete. Daums Drogenkonsum wurde damals durch eine Haaranalyse nachgewiesen, die er unter großem öffentlichen Interesse selbst in Auftrag gegeben hatte. Wie es dazu kam, schauen wir uns hier noch einmal genauer an.

Kokain-Skandal um Christoph Daum: Warum unterzog er sich der Haaranalyse?

Maischberger: "Sie wären es ja fast geworden, Bundestrainer. Wir kommen in das Jahr 2000. Da waren Sie kurz davor, Bundestrainer zu werden. Und dann gab es Gerüchte, Sie würden Koks nehmen. Dann gab es eine Pressekonferenz, wo Sie versucht haben, dem Ding aus dem Weg zu gehen, und dann gleich eine zweite, wo man merkte, das ist irgendwie schiefgegangen."

O-Ton Daum vom 9.10.2000: "Diese Haarprobe wurde unter notarieller Aufsicht entnommen, versiegelt und wird heute dem Institut für Gerichtsmedizin in Köln übergeben. Ich tue das, weil ich ein absolut reines Gewissen habe."

O-Ton Daum vom 12.1.2001: "Die Haaranalyse, die ich habe machen lassen, muss man im Nachhinein sagen, das war ein Fehler. Ich hab’s mir auch anders vorgestellt, wie viele hier. Und die Erklärungen, die sich dann daraus ergeben haben, die waren natürlich genau so ein Mist. Aber das ist dann so, wenn du einmal in der Sache drin bist, dann ergibt das Eine das Andere."

Maischberger: "Sehr abgewogen. Drei Monate später waren Sie schon so lässig drauf. Aber wie oft haben Sie sich eigentlich gesagt, wie blöd war ich, dass ich diese blöde Haarprobe gemacht habe? Weil Sie hätten ja gar nicht gemusst."

Daum: "Das ist richtig. Weil das bedeutete die Umkehr unseres Rechtssystems. Aber das ist heute schwierig, den Leuten zu erklären, unter was für einem Druck ich stand. Also, das war – alle deutschen Medien, die irgendwie hier was zu sagen hatten, forderten eine Haarprobe, nur so könne ich noch Bundestrainer werden. Und ich habe das dann eben damals so angesehen, das ist der Befreiungsschlag."

Hintergrund: Warum unterzog sich Christoph Daum einer Haaranalyse?

Maßgeblich ins Rollen gebracht wurde Daums Kokain-Affäre am 2.10.2000 durch ein Interview des damaligen Bayern-Managers Uli Hoeneß in der "Münchner Abendzeitung". Darin zweifelte er die Tauglichkeit Daums als Bundestrainer an und brachte mit seinen Aussagen über einen "verschnupften Daum" die Drogengerüchte in Umlauf. Wenige Monate zuvor, im Juli 2000, war Daum zum Nachfolger von Bundestrainer Erich Ribbeck bestimmt worden, der nach dem schwachen Abschneiden der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in Belgien und den Niederlanden seinen Posten räumen musste. Weil Daum aber noch einen Vertrag als Coach von Bayer Leverkusen hatte, sollte er erst im Juni 2001 die Stelle beim DFB antreten. Übergangsweise übernahm Rudi Völler die Leitung der Nationalmannschaft.

Die Anschuldigungen aus der "Münchner Abendzeitung" wies Christoph Daum zurück. Er ging sogar juristisch gegen Uli Hoeneß vor und stellte Strafanzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede. Der DFB stellte sich klar hinter Daum. Der damalige DFB-Vizepräsident Gerhard Mayer-Vorfelder sprach von einer "empörenden Kampagne", die Hoeneß lanciert habe.

Drei Tage nach Erscheinen des Hoeneß-Interviews verlangte der damalige Vize-Präsident des FC Bayern München, Fritz Scherer, dass Daum sich einem Drogentest in Form einer Haaranalyse unterziehen müsse, um die Gerüchte zu entkräften. Franz Beckenbauer, damals sowohl Präsident des FC Bayern als auch DFB-Vizepräsident, begrüßte den Vorschlag und sagte, dies sei "die beste Gelegenheit, zu beweisen", dass die Gerüchte nicht wahr seien. Christoph Daum widersetzte sich der Forderung zunächst. "Ich brauche keine Haaranalyse zu machen. Das würde die Gesetze unseres Rechtsstaates völlig auf den Kopf stellen", sagte er am 8.10.2000 und bekräftigte seine Absicht, Bundestrainer zu werden.

Doch schon am nächsten Tag erklärte Daum auf einer Pressekonferenz, die auszugsweise auch in unserer Sendung gezeigt wurde, dass er sich zur Abgabe einer Haarprobe bereit erklärt habe: "Mir wurde am heutigen Montag um 8.30 Uhr in Anwesenheit von DFB-Arzt Josef Schmitt und eines Notars eine Haarprobe entnommen. Diese Haarprobe wurde versiegelt und wird dem Institut für Gerichtsmedizin in Köln übergeben", so Daum. Seinen Sinneswandel begründete er damit, dass er nach den Vorgängen der zurückliegenden Tage keine andere Wahl mehr für sich gesehen habe: "Ich muss dieses Mittel anwenden, um meinen guten Ruf zu bewahren." Daum betonte, dass er "ein absolut reines Gewissen" habe.

Am 20.10.2000 schließlich folgte das Ergebnis: Daum hatte tatsächlich Kokain konsumiert. Sowohl Bayer Leverkusen als auch der DFB beendeten die Zusammenarbeit. Daum wurde nicht Bundestrainer.

Bei einer Pressekonferenz am 12.1.2001 – auch diese wurde in der Sendung gezeigt – gestand Christoph Daum seinen Drogenkonsum erstmals öffentlich ein: "Ich gebe zu, dass ich mit Drogen in Kontakt gekommen bin und Kokain konsumiert habe." Zur Frage, warum er der Haaranalyse trotzdem zugestimmt hatte, erklärte er knapp zwanzig Jahre später, am 4.10.2020, in einem "Bild"-Interview: "Ich hatte mich natürlich vorher abgesichert, indem ich einen Haartest durchgeführt hatte. Anonymisiert und im Ausland – und dieser Test war negativ." Eigentlich wollte er die Haarprobe nicht machen lassen, aber "ich hatte schon eine negative und ich dachte: Da wäre es doch klug, eine zu machen, damit die ganze Diskussion beendet wird, weil ich in die Enge getrieben wurde." Er sei der festen Überzeugung gewesen, dass der Test negativ ausfallen werde.

Im Mai 2001 erhob die Staatsanwaltschaft Koblenz Anklage gegen Daum. Sie warf ihm unerlaubten Erwerb von Kokain in 63 Fällen sowie Anstiftung zur Beschaffung der Droge vor. Daums Anwalt wehrte sich gegen die Anklage und zweifelte die ordnungsgemäße Durchführung der Haaranalyse an. Die Ergebnisse deuteten auf einen regelmäßigen Kokainkonsum hin, Daum selbst aber gab zu Protokoll, nur gelegentlich konsumiert zu haben. Im weiteren Prozess konnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Haarprobe möglicherweise vertauscht worden war und also gar nicht von Daum stammte. Die Staatsanwaltschaft konnte ihm lediglich zwölf Fälle des Kokainbesitzes nachweisen. Das Verfahren wurde schließlich gegen eine Geldauflage in Höhe von 5.000 Euro eingestellt, die Daum an zwei Suchthilfe-Organisationen bezahlen musste.

Auf die Trainerbank kehrte Christoph Daum noch im selben Jahr zurück, zunächst als Coach des türkischen Erstligisten Beşiktaş Istanbul, dann beim FK Austria Wien, mit dem er 2003 sowohl die österreichische Meisterschaft als auch den österreichischen Pokal gewann. Im Juli 2003 kehrte Daum nach Istanbul zurück, diesmal zum Club Fenerbahçe, mit dem er 2004 und 2005 türkischer Meister wurde. Als Trainer des 1. FC Köln gelang ihm 2008 der Aufstieg in die 1. Bundesliga.

Stand: 30.11.2023

Autor: Tim Berressem