Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 28.05.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Gregor Peter Schmitz, Susanne Gaschke, Tina Hassel, Sigmar Gabriel
Die Gäste (v.l.n.r.): Gregor Peter Schmitz, Susanne Gaschke, Tina Hassel, Sigmar Gabriel | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie steht es um die Netzabdeckung mit Mobilfunk in Deutschland?

Wie steht es um die Netzabdeckung mit Mobilfunk in Deutschland?

Mit dem Bundesminister für Digitales und Verkehr Volker Wissing von der FDP sprach Sandra Maischberger in der Sendung u.a. über die digitale Infrastruktur in Deutschland. Hierbei ging es auch um die Frage, wie es um die Netzabdeckung mit Mobilfunk in Deutschland bestellt ist. Die Hintergründe und konkreten Zahlen schauen wir uns hier noch einmal genauer an.

Funklöcher in Deutschland: Wie steht es hierzulande wirklich um die Netzabdeckung? | Video verfügbar bis 28.05.2025

Maischberger: "Okay. Sie haben den Minister-Titel umgedreht. Das heißt jetzt Digitales und Verkehr. Das ist Ihnen also wichtig. Deutschland ist auf Platz 23 bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit. Wann sind wir denn auf den ersten drei Rängen?"

Wissing: „Also, wir sind ziemlich vorne, was die digitale Infrastruktur angeht. Da haben wir kräftig aufgeholt. 97 Prozent Abdeckung mit 4G, 92 Prozent Abdeckung mit 5G, Verdoppelung der Glasfaser. Im Ausland werde ich gefragt: Wie konnten Sie so schnell aufholen?"

Maischberger: "Aber jeder, der in Deutschland fährt, weiß, dass das einfach nicht stimmt, weil man überall durch diese Funklöcher fährt. Irgendwo stimmen die Zahlen nicht. Ich kann nicht verstehen, wie es funktioniert. Aber ich höre immer Leute, die vom Ausland kommen und sagen: Wieso habe ich hier keinen Empfang?"

Wissing: "Ich kenne diese Reaktionen, aber das ist tatsächlich so, dass wir eine der besten Abdeckungen haben in Europa."

Maischberger: "In der Theorie."

Wissing: "Nein, auch in der Praxis. Frau Maischberger, da gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis."

Maischberger: "Nicht da wo ich fahre, quer durch…"

Wissing: "Ja gut, ich fahre auch viel, und man muss aufpassen, dass man sich nicht an das zurückerinnert, was mal war. Achten Sie alle mal drauf: Die Funklöcher in Deutschland verschwinden. Wir haben eine 97 Prozent Abdeckung mit Mobilfunk in der Fläche. Das ist so."

Hintergrund: Wie steht es um die Netzabdeckung mit Mobilfunk in Deutschland?

Um die Frage zu klären, hilft zunächst eine Übersicht über den Mobilfunk in Deutschland. Es gibt verschiedene Mobilfunkstandards im Land. Aktuell werden drei davon verwendet: die langsamste, weil älteste Variante 2G, 4G (auch als LTE bekannt) und die modernste und leistungsfähigste Variante 5G. Mobilfunknetze bieten in Deutschland vier Netzbetreiber an: die Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica und seit Dezember 2023 auch 1&1. Die für die Netzbetreiber benötigten Funkfrequenzen vergibt die Bundesnetzagentur (BNetzA). Ende 2025 sollten die Zuteilungen neu verhandelt werden. Hierfür gab es seit 2022 ein Positionspapier der Bundesnetzagentur. Dieses wurde jedoch 2023 öffentlich in Frage gestellt. Geltende Nutzungsrechte sollen nun zunächst verlängert anstatt neu vergeben werden, um den Netzbetreibern eine erhöhte Planungssicherheit zu gewähren. Diese sollen so vor allem im ländlichen Raum den Ausbau der Mobilfunkversorgung voranbringen.

Die Bundesnetzagentur ist eine der verantwortlichen Stellen, die den Mobilfunkausbau in Deutschland politisch koordinieren. Daneben gibt es weitere: Die Ziele zum Netzausbau – und somit auch der Netzabdeckung – sind in der Mobilfunkstrategie der Bundesregierung festgehalten. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr, dem Volker Wissing als Minister vorsteht, informiert über verschiedene Strategien und konkrete Ziele auf seiner Website. Es ist auch zuständig für den Aus- und Aufbau der digitalen Infrastruktur. 2023 wurde zudem die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG) gegründet. Ihr Ziel ist es, letzte Funklöcher in Deutschland zu schließen.

Netzabdeckung in Deutschland

Die aktuelle Netzabdeckung in Deutschland lässt sich mit Hilfe der interaktiven Mobilfunkkarte der Bundesnetzagentur überprüfen. Sie zeigt eine Übersicht der Netzabdeckung aller Netzbetreiber. Sie wird regelmäßig, aber zeitlich verzögert aktualisiert und ist somit nicht aktuell nutzbar. Tagesaktuelle Daten liefern die Netzkarten der einzelnen Netzanbieter.

Die Daten für die Mobilfunkkarte erhebt die Bundesnetzagentur anhand von Angaben der vier großen Netzbetreiber in Deutschland. Zusätzlich überprüft die Bundesnetzagentur die Daten durch das Nutzen der Breitbandmessungs-App (auch Funkloch-App genannt) und eigene Messungen. Auch Messwerte der Verbraucher aus der App fließen in die Datengrundlage ein. Laut Bundesnetzagentur soll so ein "transparentes Bild zur Flächenversorgung mit Mobilfunk in Deutschland" entstehen.

Anhand der erhobenen Daten lassen sich folgende Aussagen von Volker Wissing überprüfen: "97 Prozent Abdeckung mit 4G, 92 Prozent Abdeckung mit 5G, Verdoppelung der Glasfaser. Im Ausland werde ich gefragt: Wie konnten Sie so schnell aufholen?" Zudem sagt Wissing: "(…) man muss aufpassen, dass man sich nicht an das zurückerinnert, was mal war. Die Funklöcher in Deutschland verschwinden. Wir haben eine 97 Prozent Abdeckung mit Mobilfunk in der Fläche. Das ist so."

Tatsächlich bestätigen die Zahlen der Bundesnetzagentur die Aussagen von Volker Wissing in unserer Sendung. Die Angaben zur Flächenversorgung mit Mobilfunk sowohl für den Bund als auch für die einzelnen Bundesländer sind online einsehbar (Stand Januar 2024). Die flächendeckende Mobilfunknetzabdeckung beträgt in Kombination aller Anbieter mit Mobilfunkstandard 2G 99,80 Prozent, mit 4G 97,36 Prozent und mit 5G 91,23 Prozent. Die 97 Prozent Abdeckung in der Fläche, die Wissing anspricht, beziehen sich auf die Bereiche des Landes, in denen entweder 4G, 5G oder beides empfangbar ist.

Auf 15,14 Prozent der Fläche des Bundesgebietes liefern nicht alle Anbieter 4G oder 5G (sogenannte graue Flecken). Auf 2,36 Prozent der Fläche kann weder 4G noch 5G empfangen werden (sogenannte weiße Flecken). Funklöcher finden sich nur auf insgesamt 0,2 Prozent der Fläche Deutschlands.

Neben Flächenabdeckung auch andere Faktoren wichtig

Die reinen Prozentangaben sind jedoch nur ein Faktor für die Mobilfunknutzung. Wichtig sind neben der Netzabdeckung in der Fläche auch die Abdeckungsraten der einzelnen Netzbetreiber. Mobilfunknutzer haben zumeist nur einen Anbieter, bei dem sie einen Vertrag abgeschlossen haben. Sie sind somit von dessen individueller Netzabdeckung abhängig. Hier hilft die detaillierte Einzelauswertung der Bundesnetzagentur. Spitzenreiter bei allen verfügbaren Netzstandards ist hier die Deutsche Telekom, gefolgt von Vodafone und Telefónica. 1&1 startete erst kurz vor dem letzten Erhebungszeitraum mit einem eigenen Netz und liefert bisher keine repräsentativen Daten (Stand Januar 2024). Während die Zahlen bei 2G sowie 4G bei allen drei etablierten Anbietern ähnlich sind, liefert die Deutsche Telekom bei 5G in der Fläche rund 80 Prozent Netzabdeckung, Telefónica derzeit um die 63 Prozent. Die Netzabdeckung – insbesondere mit 5G – ist somit je nach Netzbetreiber signifikant unterschiedlich.

Zudem profitieren nicht alle Mobilfunknutzer von den steigenden Zahlen bei der Netzabdeckung. Auch wenn die 5G-Netzabdeckung in der Fläche mehr als 90 Prozent beträgt, vewenden den neuesten Mobilfunk-Standard laut aktuellen Umfragen noch immer weniger als die Hälfte der Bevölkerung. Und das, obwohl den Daten zufolge rund 95 Prozent der Menschen in Deutschland in Gebieten leben, in denen sie 5G-Netze nutzen könnten. Gründe für die geringe Nutzung sind z.B. fehlende Kompatibilität älterer Smartphones sowie höhere Preise und gedrosselte Geschwindigkeiten bei 5G-Verträgen von Drittanbietern.

Große Fortschritte in den letzten Jahren

Trotz dieser Probleme: In Sachen Netzabdeckung hat Deutschland in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Noch 2019 lag die Abdeckung bundesweit gerade einmal bei 65,5 Prozent der Fläche. Damit war die Bundesrepublik weltweit nur auf Rang 70 der Länder mit der besten Mobilfunkabdeckung. Heute liegt Deutschland bei der 5G Netzabdeckung mit 91 Prozent deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 81 Prozent. Dies stützt die folgende Aussage von Volker Wissing, auch wenn aus seiner Formulierung nicht hervorgeht, auf welche konkreten Zahlen sich der Minister bezieht: "Ich kenne diese Reaktionen, aber das ist tatsächlich so, dass wir eine der besten Abdeckungen haben in Europa."

Auch die Angaben Wissings zum deutlichen Anstieg des Mobilfunkausbaus lassen sich mit Zahlen belegen. So stieg etwa der Ausbau der 5G Flächenversorgung im ersten Jahr der neuen Gigabitstrategie der Bundesregierung von 2022 bis zu Beginn des Jahres 2024 um rund 27 Prozent an. Von den 100 Maßnahmen der Gigabitstrategie sind nach Angaben des BMDV bisher 71 abgeschlossen oder fortlaufend aktiv, 29 Maßnahmen offen oder in Bearbeitung.

Anders als beim Mobilfunkausbau sieht es in Deutschland bei der Versorgung mit Glasfaser-Internet für Haushalte aus. Hier liegt Deutschland mit rund 19 Prozent Abdeckung weit hinter dem europäischen Durchschnitt von 56 Prozent zurück. Es ist zwar, wie von Wissing gesagt, ein deutlicher Anstieg des Glasfaser-Ausbaus zu verzeichnen. Der Anstieg bezieht sich jedoch vorerst nur auf verlegte Kabel. Glasfaser-Internet kommt häufig noch nicht in den Haushalten an. Die von Wissing angeführte Verdoppelung bei Glasfaser kann anhand der Zahlen nicht bestätigt werden. Es bleibt allerdings unklar, auf welche konkreten Daten sich der Bundesminister für Digitales und Verkehr bei seiner Aussage beruft.

Fazit: Die flächendeckende Netzabdeckung mit Mobilfunk in Deutschland ist in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Stand Januar 2024 sind fast 100 Prozent der Landesfläche mit Mobilfunkempfang versorgt, rund 97 Prozent davon mindestens mit 4G Mobilfunkstandard. Funklöcher ohne jeden Empfang sind beinahe gänzlich verschwunden. Die vom Bundesminister für Digitales und Verkehr Volker Wissing in unserer Sendung angebrachten Zahlen zur Netzabdeckung in Deutschland werden durch die Daten der Bundesnetzagentur und die Netzbetreiberangaben bestätigt. Wichtig sind neben der Netzabdeckung in der Fläche allerdings noch weitere Faktoren. So profitieren bisher noch verhältnismäßig wenige Nutzer von der gestiegenen Netzabdeckung mit 5G. Die Gründe dafür sind unter anderem ökonomische Faktoren, Vertragsdetails von Drittanbietern sowie veraltete Smartphones. Bei der Nutzbarkeit von Glasfaser hingegen bescheinigen die Zahlen Deutschland ein Defizit. Der Ausbau von Glasfaserkabel schreitet zwar voran, ist jedoch vielerorts noch nicht für Haushalte nutzbar.

Stand: 30.05.2024

Autor: Mitja Blümke