Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 04.06.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Alexander Kissler, Claus Kleber, Iris Sayram, Theo Koll
Die Gäste (v.l.n.r.): Alexander Kissler, Claus Kleber, Iris Sayram, Theo Koll | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Was sagt der Expertenrat für Klimafragen über die Klimaziele der Bundesregierung?

Was sagt der Expertenrat für Klimafragen über die Klimaziele der Bundesregierung?

Mit der Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth (B’90/Grüne) sprach Sandra Maischberger u.a. über die Klimapolitik der Bundesregierung. Konkret ging es um ein aktuelles Gutachten des Expertenrats für Klimafragen, in dem die Klimaziele der Ampel bewertet werden. Sandra Maischberger sagte, der Expertenrat komme darin zu dem Ergebnis, dass die Klimaziele in den kommenden Jahren verfehlt werden, wenn die Bundesregierung bei den derzeitigen Maßnahmen bleibe. Claudia Roth widersprach. Sowohl das Umweltbundesamt als auch der Expertenrat, so Roth, hätten festgestellt, dass die Ziele erreicht werden können, wenn die vereinbarten Maßnahmen umgesetzt werden. Was genau in dem Gutachten des Expertenrats steht, schauen wir uns hier noch einmal näher an.

Deutschlands Klimaziele: Sind sie laut aktuellem Gutachten des Expertenrats noch zu erreichen?

Maischberger: "Die Bundesregierung sitzt im Glashaus, das muss man sagen, weil sie gerade ein Zeugnis gestellt bekommen hat. Herr Habeck hat ja noch im März gejubelt, wir sind auf dem richtigen Kurs, was die Klimaziele 2030 angeht, wir erreichen diese Ziele. Und es gab jetzt den Expertenrat für Klimafragen, der hat nachgerechnet. Und der stellt der Regierung, die ihn selber beauftragt hat, ein ganz anderes Zeugnis aus und sagt: Diese Klimaziele, die die Regierung sich selber gesetzt hat, die werden verfehlt. Und zwar nicht nur 2030, sondern 2040 und 2050, wenn sie so weitermacht wie jetzt. Das klingt für mich jetzt wie 'Setzen, sechs!'"

Roth: "Nö, so nicht. (…) Das Umweltbundesamt sagt, die Ziele sind zu erreichen. Die sind hochambitioniert, und dann muss aber auch alles umgesetzt werden. Das sagt das Umweltbundesamt und der Expertenrat, der von der Bundesregierung eingesetzt worden ist, natürlich skeptisch, das finde ich auch gut, und sagt: Wenn alles das gemacht wird, was man sich vorgenommen hat, und wenn die Finanzierung stimmt, dann sind die Ziele zu erreichen."

Hintergrund: Was sagt der Expertenrat für Klimafragen über die Klimaziele der Bundesregierung?

Am 3.6.2024 legte der Expertenrat für Klimafragen ein Sondergutachten zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland vor. Konkret überprüft das Gremium darin die Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA), das im März 2024 zu dem Ergebnis gekommen war, dass Deutschland die Klimaziele für 2030 erreichen könne.

Umweltbundesamt hält Erreichen der Klimaziele für realistisch

Das UBA prognostizierte bis zum Jahr 2030 einen Rückgang der Treibhausgasemissionen um knapp 64 Prozent im Vergleich zu 1990. Das im Klimaschutzgesetz formulierte Ziel liegt bei 65 Prozent.

UBA-Präsident Dirk Messner zeigte sich vor diesem Hintergrund zuversichtlich: "Wir sind bereits ein großes Stück beim Klimaschutz vorangekommen. Wir sind noch nicht über den Berg, aber die Geschwindigkeit, die wir aufgenommen haben, passt." Auch Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (B’90/Grüne) äußerte sich damals erfreut über die UBA-Berechnungen. Die Projektion zeige "erstmals, dass wir auf Kurs sind", sagte Habeck und sprach von einem Erfolg der Klimaschutzmaßnahmen der Ampel-Regierung.

Expertenrat kritisiert UBA-Daten

Doch der Expertenrat für Klimafragen äußert nun Zweifel an der Projektion des Umweltbundesamts. Zwar sei davon auszugehen, dass die Gesamtemissionen bis 2030 substanziell sinken werden, allerdings vermutlich weniger stark als in den Projektionsdaten ermittelt. Der Expertenrat hält die vom UBA projizierten Emissionen in den Sektoren Energie, Gebäude, Verkehr und Industrie für unterschätzt. Gründe hierfür sieht der Expertenrat u.a. in aktuellen Entwicklungen, die bei der Erstellung der Projektionsdaten nicht erfasst wurden. Ein Beispiel: Weil das UBA in seinen Berechnungen nur Daten bis Oktober 2023 berücksichtigt hat, schlagen sich das Karlsruher Haushaltsurteil aus dem November 2023 und die daraus folgenden Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds darin nicht nieder. Aber auch andere Faktoren, etwa veränderte Markterwartungen für Gaspreise und CO2-Zertifikatspreise, geben laut Expertenrat Anlass zum Zweifel. Der Vorsitzende des Expertenrats, Hans-Martin Henning, fasst das Gutachten wie folgt zusammen: "In Summe können wir die von den Projektionsdaten 2024 ausgewiesene kumulierte Zielerreichung für die Jahre 2021 bis 2030 nicht bestätigen, sondern gehen im Gegenteil von einer Zielverfehlung aus." Im Gutachten heißt es zudem wörtlich: "Die Zielverfehlung für die Jahresemissionsgesamtmengen im Zeitraum 2021-2030 ist aus Sicht des Expertenrats wahrscheinlicher als die Zieleinhaltung."

Auch für den Zeitraum 2031 bis 2045 rechnet der Expertenrat damit, dass die dann noch ehrgeizigeren Klimaziele verfehlt werden. Auch das Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 werde nicht erreicht. Die Wissenschaftler fordern die Bundesregierung deshalb zu einer Intensivierung der Klimaschutzmaßnahmen auf.

Expertenrat: Nicht auf weitere Zielverfehlung warten

Laut Klimaschutzgesetz ist der Expertenrat für Klimafragen, dessen Mitglieder von der Bundesregierung berufen werden, dafür zuständig, die jährlichen Daten des Umweltbundesamts zum Treibhausgas-Ausstoß zu prüfen und die Wirksamkeit der Klimaschutzmaßnahmen zur Erreichung der deutschen Klimaziele zu bewerten. Dabei gilt: Wenn die Daten in zwei Jahren nacheinander eine Verfehlung der Klimaziele erwarten lassen, ist die Bundesregierung verpflichtet, bei den Klimaschutzmaßnahmen nachzusteuern. Vor diesem Hintergrund forderte der Gremiumsvorsitzende Henning jetzt dazu auf, "nicht auf das abermalige Eintreten einer Zielverfehlung zu warten, sondern die zeitnahe Implementierung zusätzlicher Maßnahmen zu prüfen".

Fazit: Es stimmt, dass das Umweltbundesamt (UBA) im März 2024 die im Klimaschutzgesetz formulierten Klimaziele als erreichbar eingeschätzt hat. Das UBA prognostizierte bis zum Jahr 2030 einen Rückgang der Treibhausgasemissionen um knapp 64 Prozent im Vergleich zu 1990. Das im Klimaschutzgesetz festgelegte Ziel liegt bei 65 Prozent. Doch der Expertenrat für Klimafragen äußert nun Zweifel an der Projektion des Umweltbundesamts. Laut aktuellem Gutachten sei zwar davon auszugehen, dass die Gesamtemissionen bis 2030 substanziell sinken werden, allerdings vermutlich weniger stark als in den UBA-Daten ermittelt. Auch für den Zeitraum 2031 bis 2045 rechnet der Expertenrat damit, dass die Klimaziele verfehlt werden. Die Wissenschaftler fordern die Bundesregierung deshalb zu einer Intensivierung der Klimaschutzmaßnahmen auf.

Stand: 05.06.2024

Autor: Tim Berressem