Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 05.06.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Ulrike Herrmann, Julia Löhr, Hubertus Meyer-Burckhardt, Markus Preiß, Daniel Cohn-Bendit
Die Gäste (v.l.n.r.): Ulrike Herrmann, Julia Löhr, Hubertus Meyer-Burckhardt, Markus Preiß, Daniel Cohn-Bendit | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie funktioniert die Bürokostenpauschale für EU-Abgeordnete?

Wie funktioniert die Bürokostenpauschale für EU-Abgeordnete?

Mit dem ehemaligen grünen Europa-Abgeordneten Daniel Cohn-Bendit und dem Leiter des ARD-Hauptstadtstudios Markus Preiß sprach Sandra Maischberger u.a. über die öffentliche Kritik am EU-Parlament. Konkret ging es dabei um die sogenannte Bürokostenpauschale, die jeder Abgeordnete erhält, ohne dass überprüft wird, wofür das Geld ausgegeben wird. Wie diese Pauschale genau funktioniert, schauen wir uns hier noch einmal näher an.

Vergütung ohne Kontrolle: Wie funktioniert die Bürokostenpauschale für EU-Abgeordnete? | Video verfügbar bis 05.06.2025

Maischberger: "Ich will, weil gerade schon gesprochen wurde über DIE PARTEI – das ist eine Satire-Partei –, über Herrn Semsrott kurz mit Ihnen sprechen. Der war parteiloser EU-Abgeordneter, nachdem er nicht mehr bei DIE PARTEI war, und er hat ein ganzes Buch darüber geschrieben, was nicht funktioniert im Parlament, und z.B. gibt es da eine Bürokostenpauschale. Das sind fast 300.000 Euro pro Wahlperiode, die die Abgeordneten ausgeben können für ihre Mitarbeiter, das Büro und alles, was dazugehört. Aber die Sache hat einen Haken."

Einspieler Semsrott: "Der Clou an der ganzen Sache ist: Was mit dem Geld gemacht wird, wird nicht kontrolliert. Niemand hat da Einblick in dieses Konto. Warum ist das so? Die Konservativen haben gesagt, es darf keine Kontrollen geben. Die Progressiven haben gesagt, es muss aber Regeln geben. Dann hat man sich auf den Kompromiss geeinigt, okay, es gibt Regeln, aber niemand kontrolliert."

Maischberger: "Das klingt witzig, ist es aber gar nicht, oder?"

Cohn-Bendit: "Passen Sie mal auf, wir reden die ganze Zeit über Bürokratieabbau, und dann kommt einer und sagt, ich will mehr Bürokratie. Also, das ist das Problem. Entweder will man Abgeordnete haben und man hat ein Vertrauen. Aber wenn man glaubt, Abgeordnete sind nur da, um zu bescheißen, dann muss man viel mehr kontrollieren. Und das geht mir auf die Nerven. Weil ich finde, dass die meisten Abgeordneten organisieren – was heißt Büro organisieren? Sie haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Sie modernisieren die Arbeit, Sie müssen bestimmte Dinge zusammenfügen. Und von mir aus soll man punktuell mal überprüfen."

(…)

Preiß: "Um mal vielleicht so ein bisschen eine Basis da noch mal reinzuziehen – also, man bekommt Geld. Die Abgeordneten in der allerallergrößten Mehrzahl, die ich kenne, haben ein Büro, haben Mitarbeiter, kaufen was für den Kopierer und geben das Geld aus. Und dann gibt’s auch noch ein paar, die einfach sich ins Parlament wählen lassen, was ich auch einmal für eine Legislatur als ein ganz nettes Satireprojekt finde, aber das Geld die ganze Zeit mitnehmen und kritisieren, dass sie es kriegen, aber auf der nächsten Liste auch wieder stehen."

Hintergrund: Wie funktioniert die Bürokostenpauschale für EU-Abgeordnete?

Die Mitglieder des Europäischen Parlaments erhalten verschiedene Vergütungen zur Deckung der Kosten, die ihnen durch die Ausübung ihres parlamentarischen Mandats entstehen. Neben den Reisekosten und dem Tagegeld, das bei Anwesenheit während der Plenarsitzungen gezahlt wird, macht der Posten "Allgemeine Kostenvergütung" den größten Teil aus. Darunter fallen Kosten für Büroorganisation (inklusive Miete und Mitarbeitern), Telefonrechnungen und Porto sowie für den Kauf, den Betrieb und die Wartung von Computer- und Telekommunikationsausstattung. Deshalb ist hier auch oft von der sogenannten Bürokostenpauschale die Rede.

Aktuell beträgt die allgemeine Kostenvergütung monatlich 4.950 Euro. Gewählt werden die EU-Abgeordneten für eine Dauer von fünf Jahren. In Summe erhalten sie also knapp 300.000 Euro pro Legislaturperiode. Einzige Einschränkung: Wenn der Abgeordnete ohne triftigen Grund nicht mindestens die Hälfte der Plenarsitzungen eines Jahres besucht, halbiert sich der Betrag.

Wie bereits in der Sendung erklärt, gibt es keine verpflichtenden Kontrollen darüber, wofür das Geld ausgegeben wird. Die Abgeordneten können aber auf ihrer Profilseite der Parlaments-Website eine freiwillige Prüfung oder Bestätigung veröffentlichen, aus der hervorgeht, dass ihre Verwendung der allgemeinen Kostenvergütung dem vorgesehenen Zweck entspricht.

Im Oktober 2022 lehnte das Präsidium des EU-Parlaments eine stärkere Kontrolle der Büropauschale ab. Das Plenum hatte zuvor gefordert, dass die Abgeordneten über die Verwendung des Geldes künftig Nachweise führen sollten, um Missbrauch zu verhindern. Das Präsidium aber folgte dem Vorschlag einer Arbeitsgruppe, der die Abgeordneten zu mehr Transparenz anregt, aber nicht verpflichtet. Parlamentsvizepräsidentin Katarina Barley (SPD) stimmte dagegen und kritisierte die Entscheidung des Präsidiums damals: "Ich bin der Auffassung, dass nur ein an­gemessener Teil der Summe als Pauschale ausgezahlt werden sollte." Künftig sollte "stich­probenartig überprüft werden, ob dieses Geld korrekt ver­wendet wird", so Barley.

Das heißt: Obwohl sich die Mehrheit der Abgeordneten für stärkere Kontrollen stark machte, wurde dies durch das Präsidium verhindert.

Vor allem die Grünen im Europaparlament kritisieren das Fehlen entsprechender Kontrollen. Sie haben sich daher eine Selbstverpflichtung auferlegt, die Verwendung der Gelder offenzulegen. Um die Transparenz zu erhöhen, muss das Geld zum Beispiel auf ein separates Konto überwiesen werden und Restbeträge müssen am Ende des Mandates zurückbezahlt werden. Auch ist klar geregelt, welche Ausgaben in Frage kommen. "Eine Kontrolle von Seiten des Europäischen Parlamentes findet nicht statt. Die Fraktion Grüne/EFA hat jedoch interne Transparenz-Richtlinien eingeführt, welche sicherstellen sollen, dass die Gelder für den vorgesehenen Zweck verwendet werden. Ich lege meine Ausgaben seit Beginn meines Mandates offen", schreibt etwa der grüne Europaabgeordnete Niklas Nienaß auf seiner Website.

In der Legislaturperiode zuvor, im Jahr 2017, forderte ein internationaler Zusammenschluss investigativer Journalisten das Europaparlament dazu auf, offenzulegen, wie die Abgeordneten ihre Gelder einsetzen. Das Parlament weigerte sich damals. Die Journalisten reichten daraufhin Klage beim Europäischen Gerichtshof ein. Im September 2018 kam das Urteil: Das Gericht stellte sich auf die Seite des Parlaments. Die geforderten Informationen mussten nicht herausgegeben werden.

Fazit: Die Mitglieder des Europäischen Parlaments erhalten verschiedene Vergütungen zur Deckung der Kosten, die ihnen durch die Ausübung ihres parlamentarischen Mandats entstehen. Dazu gehört die sogenannte "allgemeine Kostenvergütung" in Höhe von knapp 5.000 Euro monatlich, also insgesamt etwa 300.000 Euro pro Legislaturperiode. Mit dieser Summe sollen die Kosten für den Unterhalt des jeweiligen Abgeordnetenbüros getragen werden. Deshalb spricht man hierbei auch oft von der Bürokostenpauschale. Verpflichtende Kontrollen darüber, wie das Geld eingesetzt wird, gibt es aber nicht. Erst 2022 stimmte das Präsidium des EU-Parlaments dagegen, obwohl die Mehrheit der Abgeordneten dafür war. Zahlreiche Parlamentarier geben stattdessen freiwillig Auskunft über ihre Verwendung der Pauschale.

Stand: 07.06.2024

Autor: Tim Berressem