Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 03.07.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Cathryn Clüver Ashbrook, Martin Machowecz, Markus Feldenkirchen, Anja Kohl, Nadja Atwal, Michael Kretschmer
Die Gäste (v.l.n.r.): Cathryn Clüver Ashbrook, Martin Machowecz, Markus Feldenkirchen, Anja Kohl, Nadja Atwal, Michael Kretschmer | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie haben sich Wirtschaft und Kriminalität in den USA unter Präsident Biden entwickelt?
  • Hat Deutschland Streumunition an die Ukraine geliefert?

Wie haben sich Wirtschaft und Kriminalität in den USA unter Präsident Biden entwickelt?

Die deutsch-US-amerikanische Expertin für transatlantische Beziehungen Cathryn Clüver Ashbrook und die in New York lebende Moderatorin und Unternehmerin Nadja Atwal diskutierten über die bevorstehende Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten. Atwal rechnete Joe Biden nur geringe Chancen aus, sich erneut gegen Donald Trump durchsetzen zu können. Sie begründete ihre Einschätzung damit, dass sich sowohl die Wirtschaft als auch die Kriminalität in den USA während Bidens Amtszeit negativ entwickelt hätten. Clüver Ashbrook widersprach. Insbesondere die Wirtschaft habe sich unter Biden so positiv entwickelt wie lange nicht, betonte die Politikwissenschaftlerin.

Bilanz des US-Präsidenten: Wie haben sich Wirtschaft und Kriminalität unter Joe Biden entwickelt? | Video verfügbar bis 03.07.2025

Atwal: "Das Gefühl von Sicherheit ist nicht da, und die Leute haben auch das Bedürfnis nach einer stärkeren finanziellen Sicherheit und wirtschaftlichen Sicherheit. Man kann den Leuten nicht sagen, alles ist in Ordnung, wenn sie am Ende des Monats jeden Pfennig dreimal umdrehen müssen. Und da wird es sehr schwer für Joe Biden, einfach die Mehrheit zu bekommen. Ich sehe es nicht."

(…)

Clüver Ashbrook: "Also, die Fakten stimmen da nicht. Wir haben die beste Wirtschaftsentwicklung seit 2009 in den USA. Wir haben einen Joe Biden gesehen, der es geschafft hat, innerhalb von anderthalb Jahren eine Teuerungsrate, eine Inflationsrate von 9,2 Prozent auf 3 Prozent zu drücken. Und wir sehen ein Wirtschaftsprogramm von einem Donald Trump, ein Mix aus Zollpolitik und Steuerpolitik, die große Löcher noch mal zusätzlich in den schon desaströsen amerikanischen Staatshaushalt reißen würden, die dafür sorgen würden, dass die Teuerungsrate – so rechnet Moody’s, das sind nicht meine Berechnungen, so rechnet das Ratinginstitut Moody’s – schon innerhalb von 2025 für eine Rezession in den USA sorgen würde. Also, Joe Biden hat durch vier riesengroße Politikpakete, kann man nicht anders sagen –"

Maischberger: "Aber dann müsste er doch viel besser dastehen in den Umfragen, Frau Clüver Ashbrook. Das passt ja gar nicht zusammen."

Atwal: "Und er hat die Medien auf seiner Seite."

Clüver Ashbrook: "Da haben wir jetzt genau den Punkt. Es gibt, und das ist eigentlich das wirklich große Problem für Joe Biden, es klafft eine Wahrnehmungsschere in der amerikanischen Landschaft."

(…)

Atwal: "Also, wenn in New York statt Fake-Gucci-Taschen auf einmal unter den Tischen Taser rausgegeben werden – und meine Freundinnen würden nicht ihre Wohnungen verlassen abends ohne einen Taser – dann hat sich die Realität schon verändert."

Clüver Ashbrook: "Ich war ja gerade da, also…"

Maischberger: "Es gibt auch immer mehrere Realitäten in einer Stadt."

Atwal: "Ich sage nur, also die Furcht der Menschen ist da und die lässt sich auch nicht wegreden. Das muss man respektieren. Und die Inflation ist unter Biden so stark gestiegen."

Hintergrund: Wie haben sich Wirtschaft und Kriminalität in den USA unter Präsident Biden entwickelt?

Die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes lässt sich an verschiedenen Kenngrößen ablesen. Besonders aufschlussreich sind dabei das Wirtschaftswachstum, die Inflationsrate und die Arbeitslosenquote.

In Bidens erstem Amtsjahr 2021 wuchs die US-amerikanische Wirtschaft deutlich um 5,9 Prozent, nachdem sie in Trumps letztem Amtsjahr, das besonders geprägt war durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, um 2 Prozent geschrumpft war. In den folgenden Jahren 2022 und 2023 ging das Wachstum mit 1,9 bzw. 2,5 Prozent etwas zurück. Schätzungen für das laufende Jahr 2024 gehen von einem Wachstum von rund 2,7 Prozent aus. Damit lägen die USA über dem prognostizierten Durchschnitt aller Industrieländer (1,7 Prozent).

Vergleicht man die ersten drei Amtsjahre von Trump und Biden, zeigt sich, dass sich die US-Wirtschaft unter Biden mit einem durchschnittlichen Jahreswachstum von 3,5 Prozent etwas stärker entwickelte als unter Trump (2,7 Prozent). Das belegen Zahlen des US-Wirtschaftsmagazins Forbes. Daten der Nachrichtenagentur Reuters, die nicht auf Jahreswerten, sondern auf Quartalszahlen basieren, sehen Trump und Biden etwa gleich auf. Reuters argumentiert zudem, dass der deutliche Aufschwung in Bidens erstem Amtsjahr erheblich durch die Lockerungen nach dem ersten Jahr der Corona-Pandemie bedingt war, was den direkten Vergleich der beiden Präsidenten erschwert.

Deutlichere Unterschiede sind beim Thema Inflation zu erkennen. Hier stieg der Wert unter Joe Biden zunächst deutlich stärker als unter Donald Trump. Im Jahr 2022 erreichte die Inflation mit rund 9 Prozent den höchsten Stand seit über 40 Jahren. Durch wirtschaftspolitische Maßnahmen, wie dem sogenannten Inflation Reduction Act (IRA), gelang es der Biden-Regierung, die Teuerungsrate im folgenden Jahr 2023 zwischenzeitig auf 3,1 Prozent zu senken. Der Jahreswert lag bei 4,1 Prozent. Schätzungen für das laufende Jahr 2024 gehen von einer weiter absinkenden Inflation aus (2,9 Prozent).

Während Donald Trumps Amtszeit lag die Inflation stets unter der Marke von 3 Prozent. Experten geben aber zu bedenken, dass der enorme Anstieg 2022 insbesondere durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bedingt war.

Die Arbeitslosenquote ist seit Bidens Amtsantritt von 6,7 Prozent auf rund 3,6 Prozent im Jahr 2023 gesunken. Gleichzeitig sind die Löhne um durchschnittlich 17 Prozent gestiegen. Donald Trump startete mit einer Arbeitslosenquote von 4,7 Prozent, die er zwischenzeitig auf 3,5 Prozent senkte. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie stieg sie jedoch zwischenzeitig auf 15 Prozent (April 2020). Der Durchschnittswert für das erste Pandemie-Jahr 2020 betrug rund 8 Prozent. Die Löhne sind unter Trump um durchschnittlich 15 Prozent gestiegen.

Insgesamt lässt sich also feststellen, dass Biden und Trump den blanken Zahlen nach durchaus nah beieinander liegen, was ihre wirtschaftspolitische Bilanz angeht. Die Krisen der zurückliegenden Jahre, etwa die Covid-19-Pandemie und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, machen den direkten Vergleich aber sehr schwer. Wie der eine Präsident mit den politischen Herausforderungen des anderen umgegangen wäre, darüber lässt sich nur spekulieren.

Ökonomen warnen vor Trumps Wirtschaftsplänen

Dass Fachleute mit Sorge auf die wirtschaftspolitischen Ankündigungen Donald Trumps für den Fall einer zweiten Amtszeit blicken, wie Cathryn Clüver Ashbrook in der Sendung sagte, stimmt. Trump plant nach eigenen Aussagen die Einführung neuer Zölle auf fast alle importierten Waren. Außerdem will er die Einwanderung in die USA drastisch reduzieren, was sich negativ auf den Arbeitsmarkt auswirken könnte. "Wir können wohl mit großer Zuversicht sagen, dass die Handels- und Einwanderungspolitik von Präsident Trump zu Preisspitzen führen würde", kommentierte der Ökonom Michael Strain vom American Enterprise Institute die Pläne gegenüber der New York Times. Bei einigen der Maßnahmen sei sogar damit zu rechnen, dass sie nicht nur zu einmaligen Preisanstiegen führen würden, sondern zu anhaltenden. Damit steige dann die Inflation. Davor warnt auch der Wirtschaftswissenschaftler Lawrence Summers, der unter Barack Obama US-Finanzminister war. "Es gab noch nie ein Präsidentschaftsprogramm, das so offensichtlich inflationär war wie das von Präsident Trump", so Summers gegenüber der Zeitschrift The Atlantic. Er habe "kaum Zweifel daran, dass wir mit dem Trump-Programm eine erhebliche Beschleunigung der Inflation erleben werden".

Die von Cathryn Clüver Ashbrook in der Sendung erwähnte Ratingagentur Moody’s prognostiziert das Eintreten einer Rezession (d.h. das Schrumpfen der US-Wirtschaft) bis Mitte 2025, sollte Trump seine Pläne in die Tat umsetzen. Bei einer Wiederwahl Trumps werde die Rezession zu einer "ernsthaften Bedrohung", so die Ökonomen von Moody’s wörtlich.

Kriminalität in den USA sinkt – doch die Angst in der Bevölkerung steigt

Nadja Atwal sagte in der Sendung, dass viele Amerikaner während Bidens Präsidentschaft ihr Gefühl von Sicherheit verloren hätten. Aus eigener Erfahrung berichtete sie, dass speziell in New York die Sorge vor kriminellen Übergriffen gewachsen sei.

Die Zahlen zeichnen jedoch ein anderes Bild. In den Vereinigten Staaten geht die Gewaltkriminalität seit Ende 2022 stark zurück. So sank laut Untersuchungen in mehr als 200 Städten im Jahr 2023 die Zahl der Morde um etwa zwölf Prozent. Auch andere Straftaten wie Raub oder Vergewaltigung sind in den USA laut einem Bericht des National Public Radio (NPR) auf dem Rückzug. Der Trend sei bundesweit zu beobachten, in großen und kleinen Städten, an der Ost- und an der Westküste, wie der Kriminalitätsforscher Jeff Asher gegenüber NPR erklärt.

Auch in New York ist die Kriminalität rückläufig. So erklärte New Yorks Bürgermeister Eric Adams im Januar 2024, dass die Zahlen der Schießereien und Tötungsdelikte um einen zweistelligen Wert zurückgegangen seien. Laut New York Police Department gab es im Jahr 2023 insgesamt 386 Morde in der Metropole – das sind 12 Prozent weniger als im Vorjahr. Schießereien sanken sogar um rund 25 Prozent, von 1.294 auf 974. Das sei der stärkste Rückgang von Schießereien in New York seit 1995, so Bürgermeister Adams. Insgesamt zählt New York seit Jahrzehnten zu den sichersten Großstädten der USA.

Paradoxerweise belegen Umfragen ein steigendes Unsicherheitsgefühl in der amerikanischen Bevölkerung. In einer repräsentativen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Gallup aus dem November 2023 sagten 77 Prozent, dass die Kriminalität in den USA insgesamt ansteige. 55 Prozent gaben an, dass die Kriminalität in ihrer Gegend steige. Fast zwei Drittel der Befragten waren der Meinung, dass es ein "sehr" oder "äußerst" schwerwiegendes Kriminalitätsproblem gibt. Das ist der höchste Wert in der Geschichte der Umfrage, die bis ins Jahr 2000 zurückreicht.

Dieses Auseinanderklaffen von Fakten und subjektiver Wahrnehmung ist jedoch kein Phänomen, das spezifisch für die USA ist. Auch in Deutschland ist eine solche Entwicklung zu beobachten. So schätzten in einer Befragung der Konrad-Adenauer-Stiftung aus dem Jahr 2021 nur etwa 6 Prozent der Teilnehmenden die Kriminalitätsentwicklung realistisch ein. Fast zwei Drittel gingen von einer starken bis sehr starken Zunahme der Kriminalität in den letzten fünf Jahren aus, obwohl die offiziell erfasste Kriminalität zwischen 2005 und 2019 laut Sicherheitsbericht der Bundesregierung um etwa 15 Prozentpunkte gesunken war.

Der Kriminalitätsforscher Jeff Asher sieht vor allem mediale Berichterstattung, insbesondere in den Boulevardmedien, als einen der Gründe für das Phänomen. "Es gab noch nie eine Nachricht, in der stand: 'Gestern gab es keine Raubüberfälle'", so Asher gegenüber NPR.

Fazit: Die vorliegenden Zahlen zeigen, dass Joe Biden und Donald Trump in Bezug auf das Wirtschaftswachstum eine ähnliche Bilanz vorweisen können. Was Inflation und Arbeitslosenquote angeht, ist der Vergleich jedoch schwierig, weil beide Präsidenten in ihrer Amtszeit mit unterschiedlichen Krisen (Pandemie und Ukraine-Krieg) konfrontiert waren. Fest steht: Biden ist es gelungen, die Inflation von einem Rekordwert von 9 Prozent langfristig auf einen Normalwert der Vorkriegsjahre zu senken. Die Kriminalität in den USA ist seit 2022 deutlich zurückgegangen, auch in Metropolen wie New York. Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass die Sorge vor kriminellen Übergriffen in der Bevölkerung steigt.

Hat Deutschland Streumunition an die Ukraine geliefert?

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, dass seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine immer mehr rote Linien in der Diskussion über Waffenlieferungen überschritten worden seien. In seiner chronologischen Aufzählung sagte Kretschmer u.a., dass Deutschland auch Streumunition an die Ukraine geliefert habe.

Unterstützung für die Ukraine: Hat Deutschland Streumunition geliefert?

Maischberger: "Haben Sie nicht das leiseste Moment einer Sorge, dass tatsächlich auch Ihre Bürger in Sachsen es wieder mit russischen Soldaten vor der Haustür zu tun bekommen?"

Kretschmer: "Das, was Sie sagen, hören wir jetzt seit zwei Jahren. Und das führt dazu, dass immer mehr rote Linien überschritten werden. Wir waren am Anfang bei dieser absurden Diskussion mit diesen 5000 Helmen. Dann hieß es, keine Angriffswaffen. Dann liefern wir Leopard-Panzer, dann liefern wir Streumunition. Wir reden jetzt über ganz andere Waffensysteme. Und das macht den Leuten Sorge."

Stimmt das? Hat Deutschland Streumunition an die Ukraine geliefert?

Die Bundesrepublik Deutschland hat keine Streumunition an die Ukraine geliefert und hält sich damit an das sogenannte Oslo-Übereinkommen, das den Einsatz solcher Munition international ächtet. Konkret verbietet der 2010 in Kraft getretene Vertrag Herstellung, Lagerung, Einsatz und Weitergabe von Streumunition. Über hundert Länder sind dem Abkommen beigetreten.

Die USA gehören nicht dazu. Sie entschieden sich im Juli 2023 dazu, Streumunition an die Ukraine zu liefern. US-Präsident Biden sagte damals, die Entscheidung sei ihm schwergefallen. Doch der Ukraine gehe die Munition aus und auch die USA könnten nicht genug liefern. Die Entscheidung wurde international teils heftig kritisiert.

Als Streumunition werden Raketen oder Bomben bezeichnet, die in der Luft explodieren. Dabei geben sie viele kleine Sprengkörper frei, sogenannte Submunition, die sich dann über eine größere Fläche verteilt und am Boden detoniert. Dadurch können mehrere Ziele gleichzeitig getroffen werden. Allerdings detoniert die Submunition oft nicht. Viele Sprengkörper werden zu Blindgängern, die auf dem Schlachtfeld liegen bleiben und nach Kriegsende die Zivilbevölkerung gefährden.

Fazit: Die Aussage des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), Deutschland habe Streumunition an die Ukraine geliefert, stimmt nicht. Diese Form der Munition ist durch das Oslo-Abkommen international geächtet. Der völkerrechtliche Vertrag verbietet Herstellung, Lagerung, Einsatz und Weitergabe von Streumunition. Anders als Deutschland haben die USA den Vertrag nicht unterzeichnet. Im Juli 2023 entschied die US-Regierung, Streumunition an die Ukraine zu liefern und wurde dafür teils heftig kritisiert.

Stand: 04.07.2024

Autor: Tim Berressem