Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 21.01.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Jan Fleischhauer, Helene Bubrowski, Cherno Jobatey, Karl-Thedor zu Guttenberg
Die Gäste (v.l.n.r.): Jan Fleischhauer, Helene Bubrowski, Cherno Jobatey, Karl-Thedor zu Guttenberg | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Müssen manche Versicherte bereits jetzt Abgaben auf Kapitalerträge zahlen?

Müssen manche Versicherte bereits jetzt Abgaben auf Kapitalerträge zahlen?

Cherno Jobatey äußerte sich in der Sendung zum Vorschlag des Grünen-Kanzlerkandidaten Robert Habeck, Kapitalerträge künftig sozialversicherungspflichtig zu machen. Jobatey sagte, die Aufregung um diesen Vorstoß sei nur teilweise gerechtfertigt. Schließlich seien manche Versicherte bereits jetzt verpflichtet, Abgaben auf ihre Kapitalerträge zu zahlen, erklärte der ZDF-Moderator.

Aufregung um Habeck-Vorstoß: Müssen manche Versicherte bereits jetzt Abgaben auf Kapitalerträge zahlen?  | Video verfügbar bis 21.01.2026

Jobatey: "Ich möchte Robert Habeck auch ein bisschen in Schutz nehmen. Denn die meisten, glaube ich, wissen gar nicht, dass wenn Leute pflichtversichert sind, krankenversichert, dann müssen sie auf ihre Kapitalerträge Einkommensteuer und auch Abgaben zahlen."

Maischberger: "Oder wenn sie freiwillig versichert sind."

Jobatey: "Also, ich meine, das wissen viele Leute nicht. Insofern hat Robert Habeck da etwas gesagt, was eigentlich, naja, ein Langweiler ist. Wussten nur viele nicht, und viele unserer Kollegen halt auch nicht. Und deswegen glaube ich, wenn wir ein bisschen unaufgeregter gewesen wären, hätten wir nicht so – aber wir haben halt Wahlkampf."

Stimmt das? Müssen manche Versicherte bereits jetzt Abgaben auf Kapitalerträge zahlen?

Cherno Jobatey sprach in der Sendung über zwei unterschiedliche Arten von Abgaben, die wir zur Beantwortung der Frage auseinanderhalten müssen: Einerseits ging es um Steuern, andererseits um Krankenkassenbeiträge.

Dass Kapitalerträge besteuert werden, stimmt. Dies geschieht durch die sogenannte Abgeltungssteuer. Konkret bedeutet das: Wer mehr als 1.000 Euro im Jahr durch Zinsen, Dividenden oder Aktienverkäufe verdient, muss 25 Prozent dieses Gewinns an den Staat abgeben. Hinzu kommen ggf. ein Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 Prozent und die Kirchensteuer. Diese Abgaben werden in der Regel durch die jeweilige Bank direkt an das Finanzamt abgeführt.

Kapitalerträge werden nur in bestimmten Fällen belastet

Etwas komplizierter sieht es bei den Krankenkassenbeiträgen aus. Denn ob sich Kapitalerträge hier auf die Höhe der Versicherungsbeiträge auswirken, hängt davon ab, ob man freiwillig versichert oder pflichtversichert ist. Aktuell gilt: Verdient ein Arbeitnehmer mehr als 73.800 Euro pro Jahr, kann er zwischen der gesetzlichen oder einer privaten Krankenversicherung wählen. Entscheidet sich der Arbeitnehmer für die gesetzliche Krankenversicherung, wird er als freiwillig gesetzlich versichert eingestuft. Nur in diesem Fall werden die Kapitalerträge relevant.

Denn wer freiwillig gesetzlich krankenversichert ist, für den setzt sich das sogenannte beitragspflichtige Einkommen aus sämtlichen Einkünften eines Jahres zusammen, so z.B. auch aus Kapitalerträgen. Aktuell müssen 14,6 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens an die gesetzliche Krankenversicherung abgeführt werden, zusammen mit einem Zusatzbeitrag, der je nach Krankenkasse variiert.

Neben gut verdienenden Arbeitnehmern können sich auch andere Personengruppen freiwillig gesetzlich versichern lassen. Dazu gehören z.B. Selbstständige, Kleinunternehmer, Beamte und Rentner. Auch in diesen Fällen werden Kapitalerträge bei der Berechnung des beitragspflichtigen Einkommens berücksichtigt. Gesetzlich Pflichtversicherte hingegen betrifft dies nicht.

Das beitragspflichtige Einkommen ist bei 66.150 Euro gedeckelt. Alle Einkünfte, die oberhalb dieser sogenannten Beitragsbemessungsgrenze liegen, sind nicht beitragspflichtig. Konkret heißt das: Ein gesetzlich Versicherter, der über Einkünfte von 80.000 Euro verfügt, zahlt denselben Krankenkassenbeitrag wie jemand mit 66.150 Euro.

Weil die Beitragsbemessungsgrenze aktuell unterhalb der 73.800 Euro liegt, die ein Arbeitnehmer allein durch Erwerbstätigkeit verdienen muss, um sich freiwillig versichern zu lassen, fließen im Fall gut verdienender Arbeitnehmer praktisch keine Kapitalerträge in die gesetzliche Krankenversicherung.

Habeck will Beitragsgrundlage ausweiten

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der für die Grünen als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl geht, fordert nun, Kapitalerträge stärker in die Finanzierung der Sozialversicherung einzubeziehen. "Wir würden gern die Beitragsgrundlage erhöhen", sagte Robert Habeck am 12.1.2025 in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Derzeit würden die steigenden Kosten des Gesundheitssystems über die Löhne und Gehälter finanziert, so Habeck weiter. "Der Druck auf die Löhne wird also immer höher, und zwar auf die Löhne der arbeitenden Bevölkerung. Diejenigen, die morgens aufstehen und abends erschöpft und müde nach Hause kommen." Es sei die Frage, ob dies gerecht sei oder ob es besser sei, "weitere Einkünfte von Menschen, die Gewinne erzielen, solidarisch einzugliedern". Wie dieses Vorhaben im Einzelnen umgesetzt werden soll, ist unklar. Die Details, so Habeck, müssten in einem etwaigen Gesetzgebungsverfahren geklärt werden. Grundsätzlich gehe es aber um die "Einbeziehung der Kapitaleinkünfte von Leuten, die große Kapitaleinkünfte haben". Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge betonte, der Vorschlag würde Millionäre belasten. "Gerade diejenigen, die Millionen auf dem Konto liegen haben und selber nicht mehr arbeiten gehen müssen, weil das Geld für sie arbeitet", so Dröge am 14.1.2025 gegenüber dpa. Es gehe um ein durchdachtes Konzept mit hohen Freibeträgen für Sparerinnen und Sparer.

Bundeskanzler Scholz über Habeck-Plan: "Das ist ein alter Hut"

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisierte den Vorstoß. "Das ist ein alter Hut, das hat noch nie funktioniert", sagte er am 13.1.2025 am Rande einer Veranstaltung in Münster. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wies die Forderung bei der Klausurtagung der bayerischen CSU-Landtagsfraktion im Kloster Banz zurück. Habeck spreche zwar "über Millionäre", treffe am Ende aber "die kleinen Sparer", so Dobrindt. "Deswegen lehnen wir diese Vorschläge rundweg ab." Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) wies das Vorhaben ebenfalls zurück und sprach von einem "Angriff auf Millionen Sparer".

Positive Reaktionen kamen vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). "Der DGB fordert schon lange, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auch von Kapitaleinkünften zu erheben, weil das gerechter ist", so Vorstandsmitglied Anja Piel. Wichtig sei aber, dafür einen Freibetrag festzulegen.

Unter Wirtschaftsexperten wird der Vorschlag differenzierter betrachtet. Anne Steuernagel und Marcel Thum vom ifo Institut haben sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie sich das Beitragsaufkommen durch die Einbeziehung neuer Komponenten verändern ließe. "Wenn man den Vorschlag von Robert Habeck so versteht, dass die Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Kapitaleinkommen ausgeweitet wird, während ansonsten die Rahmenbedingungen bestehen bleiben, kommt nur wenig zusätzliches Beitragsaufkommen zusammen", sagen sie. Um das Aufkommen nachhaltig zu vergrößern, müssten zusätzlich wichtige Parameter angepasst werden, wie z.B. die Beitragsbemessungsgrenze sowie der Kreis der Menschen, die überhaupt sozialversicherungspflichtig sind. "Das meiste Kapitaleinkommen beziehen Leute, die gar nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind oder in der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung über der Beitragsbemessungsgrenze verdienen."

"Die Grundidee ist richtig, die Finanzierungsbasis der Sozialversicherung auf eine breitere Basis zu stellen und nicht nur dem Faktor Arbeit anzulasten", meint Jens Südekum, Berater des Bundeswirtschaftsministeriums und Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Düsseldorf. Offen sei aber, ob der Weg über die Kapitalerträge sinnvoll sei. "Einfacher könnte es sein, versicherungsfremde Leistungen in der Sozialversicherung noch stärker über den Bundeszuschuss aus dem Haushalt zu finanzieren, also letztlich über allgemeine Steuern statt über Beiträge."

Ähnlich argumentiert auch Andreas Peichl, Leiter des Zentrums für Makroökonomik am ifo Institut. Er sieht in Habecks Idee keine nachhaltige Lösung der Finanzierungsprobleme, da durch neue Beiträge auch neue Ansprüche entstehen. "Wenn man Kapitaleinkommen stärker belasten möchte, dann sollte dies über das Steuersystem passieren", meint er.

Fazit: Aktuell müssen Kapitalerträge grundsätzlich versteuert werden, wenn sie die jährliche Grenze von 1.000 Euro überschreiten. Bei den Krankenkassenbeiträgen hingegen werden Kapitalerträge nur in bestimmten Fällen berücksichtigt. Nur wer freiwillig gesetzlich versichert ist, muss laut aktueller Gesetzeslage Beiträge auf seine Kapitalerträge zahlen. Das betrifft z.B. Selbstständige und Kleinunternehmer. Im Fall gut verdienender Arbeitnehmer, die sich ebenfalls freiwillig versichern lassen können, ist diese Regelung oft wirkungslos. Denn das Jahreseinkommen, das ein Arbeitnehmer durch seine Erwerbstätigkeit mindestens erzielen muss, um sich freiwillig versichern zu lassen, liegt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze. So werden in diesem Fall die Kapitalerträge bei der Berechnung der Versicherungsbeiträge nicht angetastet. Robert Habeck plant nun, Kapitalerträge stärker in die Finanzierung der Sozialversicherung einzubeziehen. Ein konkretes Konzept liegt allerdings noch nicht vor. Bei den übrigen Parteien sorgte der Vorstoß für lautstarke Kritik. Wirtschaftswissenschaftler bewerten die Idee ambivalent.

Stand: 22.01.2025

Autor: Tim Berressem