Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 22.01.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Albrecht von Lucke, Nikolaus Blome, Linda Zervakis
Die Gäste (v.l.n.r.): Albrecht von Lucke, Nikolaus Blome, Linda Zervakis | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Erfüllt Deutschland aktuell das Zwei-Prozent-Ziel der NATO?
  • Fordert Sahra Wagenknecht eine 100-prozentige Erbschaftssteuer ab einer Million Euro?
  • Geben die europäischen NATO-Staaten mehr Geld für Rüstung aus als Russland?
  • War Adolf Hitler ein Kommunist?

Erfüllt Deutschland aktuell das Zwei-Prozent-Ziel der NATO?

Sahra Wagenknecht (BSW) und Alice Weidel (AfD) diskutierten in der Sendung u.a. über die Forderung des neuen US-Präsidenten Donald Trump, das NATO-Ziel auf fünf Prozent anzuheben. Dabei gab es Unklarheiten, inwiefern Deutschland das aktuelle Ziel von zwei Prozent erfüllt.

Nach Trumps 5-Prozent-Forderung: Erfüllt Deutschland das aktuelle NATO-Ziel?

Wagenknecht: "Trump hat gefordert, fünf Prozent der Wirtschaftsleistung in Aufrüstung zu stecken. Und direkt am nächsten Tag sind Sie (gemeint ist Alice Weidel, Anm. d. Red.) rausgegangen und haben gesagt, ja, fünf Prozent, das ist durchaus das, was wir brauchen."

Weidel: "Das habe ich nicht gesagt. Das würde ich gerne korrigieren."

Wagenknecht: "Ja, doch. Sie haben gesagt, dass Sie das für sehr wahrscheinlich halten. Und dann wurden Sie gefragt, ob Sie das unterstützen, und dann haben Sie gesagt, ja, auf jeden Fall."

(…)

Weidel: "Ich habe gesagt, und das ist rausgekürzt gewesen, dass fünf Prozent – ich sollte reagieren auf die Aussage von Donald Trump, die Forderung von fünf Prozent."

Maischberger: "Sie haben gesagt, Sie halten das für wahrscheinlich."

Weidel: "Ja, ich habe etwas anderes gesagt. Ich habe das eingeordnet, das ist aus dem Kontext raus. Ich habe gesagt, wie die Zahl zu verstehen ist. Und zwar, dass ich glaube, dass fünf Prozent symbolisch gemeint sind vonseiten Donald Trump, diese Ausgaben zu erhöhen. Das ist einfach nur das, was ich gesagt habe. Das Interview dauerte insgesamt 20 Minuten."

(…)

Maischberger: "Wenn die Forderung ist, fünf Prozent zahlt ihr, sonst kriegt ihr den Schutz nicht – was machen Sie?"

Weidel: "Ich glaube, dass es symbolisch ist. Ich glaube, es ist eine symbolische Zahl, das zu erhöhen."

Maischberger: "Was, wenn nicht?"

Weidel: "Was zur Wahrheit auch mit dazugehört, ist, dass Deutschland in den vergangenen Jahren nicht den Verpflichtungen innerhalb der NATO, zwei Prozent des BIP auch zu veranschlagen, nachgekommen ist."

Maischberger: "Richtig."

Weidel: "Wir liegen bei knapp über einem Prozent. Und das ist natürlich etwas, was die Amerikaner, so einen Donald Trump, natürlich irgendwie auf den Zaun bringt, dass er sagt: Hey, jetzt müssen wir irgendwo nachzahlen, und ihr habt eure Bundeswehr vernachlässigt. Und es heißt ja auch, wir müssen die Bundeswehr ertüchtigen."

(…)

Wagenknecht: "Erst einmal sind wir nicht bei einem Prozent. Wir sind derzeit schon bei über zwei Prozent. Wir haben ja jetzt 90 Milliarden im letzten Jahr ausgegeben, was Sondervermögen und Bundesetat angeht. Das ist der blanke Wahnsinn."

Weidel: "Sonderschulden."

Wagenknecht: "Ja, natürlich sind es Sonderschulden. Ihre fünf Prozent werden ja auch nur mit Schulden am Ende finanziert werden, weil das gar nicht anders wird. Aber ich nehme jetzt mal zur Kenntnis, an den fünf Prozent halten Sie nicht fest. Aber Sie halten daran fest, dass wir auf jeden Fall mehr als zwei Prozent brauchen. Das haben Sie ja auch schon mehrfach formuliert. Und ehrlich gesagt, ich finde das wirklich unverantwortlich, dass wir immer mehr darüber reden, dass wir viel, viel mehr Geld für Waffen ausgeben müssen."

Hintergrund: Erfüllt Deutschland aktuell das Zwei-Prozent-Ziel der NATO?

Knapp zwei Wochen vor seiner Amtseinführung als neuer US-Präsident erklärte Donald Trump, die NATO-Partner müssten ihre Verteidigungsausgaben in Zukunft deutlich erhöhen. Statt der bislang angestrebten zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) sollten die Partnerländer künftig fünf Prozent investieren, sagte der Republikaner. Bereits im Wahlkampf hatte er säumigen Mitgliedstaaten damit gedroht, sie im Falle eines Angriffs durch Russland nicht zu unterstützen.

Das aktuelle Ziel von zwei Prozent hat Deutschland im Jahr 2024 erstmals erfüllt. Das geht aus NATO-Daten hervor, die im Juni 2024 veröffentlicht wurden. Demnach meldete die Bundesrepublik Verteidigungsausgaben in Höhe von 90,6 Milliarden Euro. Das entspricht etwa 2,1 Prozent des BIP. Die Ausgaben umfassen 51,9 Milliarden Euro aus dem regulären Verteidigungshaushalt sowie 18,8 Milliarden aus den Etats anderer Ministerien, etwa aus dem Kanzleramt, das für den Auslandsgeheimdienst BND zuständig ist und somit auch zur Verteidigung beiträgt. Ein großer Teil, nämlich 19,8 Milliarden Euro, kommt zudem aus dem Sondervermögen Bundeswehr, das die Bundesregierung nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine auflegte. Das Sondervermögen umfasst 100 Milliarden Euro, verteilt auf einen Zeitraum von fünf Jahren.

Deutschland erfüllt NATO-Ziel nur wegen Sondervermögen

Anhand der genannten Zahlen wird deutlich: Ohne das Sondervermögen kann Deutschland das NATO-Ziel bislang nicht einhalten. So sorgte Trumps Forderung, das Ziel künftig sogar auf fünf Prozent zu erhöhen, für gemischte Reaktionen im politischen Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält die Zahl für unrealistisch. "Fünf Prozent wären über 200 Milliarden Euro pro Jahr, der Bundeshaushalt umfasst nicht einmal 500 Milliarden", sagte Scholz Mitte Januar am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Bielefeld. "Das geht dann nur mit massivsten Steuererhöhungen oder massivsten Kürzungen für viele Dinge, die für uns wichtig sind."

Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann stimmte grundsätzlich zu, dass zwei Prozent auf lange Sicht nicht ausreichend seien. Deutschland brauche eine starke Armee, erklärte sie gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Trumps Forderung hält sie aber für überzogen. "Wir sollten uns jetzt nicht von jeder Aussage von Trump kirre machen lassen. Wir sind hier nämlich nicht auf einem Basar", so Strack-Zimmermann.

CDU-Chef Friedrich Merz hält den Anteil des Verteidigungshaushalts am BIP vor allem für eine theoretische Größe. Wichtig sei der Aufwuchs der Bundeswehr und die Wiederherstellung der Landes- und Bündnisverteidigung, sagte er im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. "Und die zwei, die drei oder die fünf Prozent sind im Grunde irrelevant, entscheidend ist, dass wir das tun, was notwendig ist, um uns zu verteidigen." Ziel sei es, zunächst die zwei Prozent als Untergrenze in Deutschland wirklich zu erreichen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck fordert eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben: "Nach Berechnungen von Experten sind in den nächsten Jahren etwa dreieinhalb Prozent unserer Wirtschaftsleistung für Verteidigung nötig. Das teile ich", sagte der Grünen-Kanzlerkandidat Anfang Januar gegenüber dem "Spiegel". "Wir müssen fast doppelt so viel für unsere Verteidigung ausgeben, damit Putin nicht wagt, uns anzugreifen. Wir müssen den Frieden sichern und weiteren Krieg verhindern." Auf die Frage, wie die zusätzlichen Ausgaben finanziert werden sollten, sagte Habeck: "Sicher nicht aus dem laufenden Haushalt und durch Kürzungen beim Bürgergeld. Das kann mathematisch-logisch gar nicht funktionieren." Eine derart hohe Summe lasse sich "am Ende nur über Kredite vorfinanzieren".

Weidel fordert, Investitionsbedarf genau zu berechnen

Wie in unserer Sendung deutlich wurde, spricht sich auch die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel für höhere Verteidigungsausgaben aus. In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" vom 12.1.2025 antwortete sie auf die Frage, ob sie es für denkbar halte, dass der Bedarf höher als fünf Prozent liegen werde: "Ja, das halte ich für möglich und für sehr wahrscheinlich im Übrigen." In dem Beitrag wurden kurze Statements einiger Spitzenpolitiker bezüglich Trumps Forderung aneinandergereiht. Wie Alice Weidel bei uns sagte, war das gesendete Statement von ihr Teil eines längeren Interviews mit dem ZDF. Dieses Interview ist nicht in voller Länge veröffentlicht. Die Redaktion von "Berlin direkt" stellte uns aber auf Nachfrage eine Abschrift des Interviews zur Verfügung. Auf die Frage, welche Prozentzahl die AfD bei den Militärausgaben anpeilt, sagte Weidel demnach wörtlich:

Weidel: "Wir müssen erst mal komplett seriös durchrechnen, wie hoch der Investitionsstau innerhalb von Deutschland, der Deutschen Bundeswehr ist. Sie können sich noch daran erinnern, dass ein Sondervermögen, also Sonderschulden, beschlossen wurden, in beachtlicher Höhe. Und wenn wir das einfach mal durchrechnen, was vernachlässigt wurde, investiv innerhalb der letzten 25 Jahre, ich habe dazu noch keine Zahl der Deutschen Bundesregierung gesehen, dann muss man erst den Bedarf ausrechnen und dann einfach eine Cashflow-Rechnung über die nächsten zehn Jahre. Dann können wir mal darüber reden, wie viel das vom Bruttoinlandsprodukt ausmacht. Ich kann Ihnen sagen, um die Bundeswehr zu ertüchtigen, das ist nur eine Schätzung von dem, was ich in meinen Unterhaltungen auch mit Bundeswehrangehörigen höre, ist es so, dass ich vermute, dass aufgrund des Investitionsstaus möglicherweise die Ausgaben sogar noch höher sein könnten in Bezug auf das Bruttoinlandsprodukt."

Reporter: "Und das würden sie auch befürworten, dass das dann auch ausgegeben wird."

Weidel: "Unsere Prio ist die Landesverteidigung. Wir müssen zur Landesverteidigung fähig sein. Wir brauchen eine verteidigungsfähige Armee. Und wir müssen wieder als verlässlicher Partner im Bündnisfall wahrgenommen werden, auf Augenhöhe. Und dazu gehören auch Investitionen und Verpflichtungen. Denn zu Pflichten gehören auch Rechte und umgekehrt."

Reporter: "Was ich jetzt aber noch nicht ganz verstanden habe, Sie haben ja präzisiert, dass in den vergangenen Jahren, Jahrzehnten zu wenig ausgegeben worden ist. Wollen Sie denn jetzt, dass so viel bezahlt wird, wie Trump will oder nicht?"

Weidel: "Ich habe Ihnen das alles erklärt."

Reporter: "Ja, aber welche Zahl halten Sie dann für realistisch?"

Weidel: "Nein, Sie müssen erst den Bedarf ausrechnen, und diese Frage müssen Sie an Regierungsmitglieder stellen. Ich habe im Deutschen Bundestag noch keine einzige verlässliche Zahl gehört. Die Leute sind hier im Blindflug, es sind keine Experten. Wir sind hier im luftleeren Raum, und die Leute können einfach nicht mit Zahlen operieren. Ich muss doch erst mal den Bedarf ausrechnen und muss eine Status-Quo-Analyse machen. Und erst dann können Sie doch seriös einfach mal einordnen, wie viel das letztendlich ist pro Jahr."

Reporter: "Das heißt, Sie können da noch nicht mal einen Korridor beschreiben. Sie halten es dann am Ende auch für möglich, dass es bei diesen 1,5…"

Weidel: "Es wurde viel zu wenig gemacht. Nur ich bin eine seriöse Politikerin. Ich glaube, dass die Menschen hier eine ehrliche Politik verdient haben, die seriös ist. Man muss erst den Bedarf ausrechnen, und dann können wir weiterreden. Ich kann Ihnen sagen, aufgrund des Investitionsstaus, noch mal, die geringsten Netto-Investitionen in die eigene Landesverteidigung über die letzten 20, 30 Jahre, sogar die 30 Jahre, kann ich Ihnen sagen, dass die Jahresausgaben relativ gesehen zum Bruttoinlandsprodukt sogar möglicherweise höher als 5 Prozent sein können. Aber dafür müssen wir einfach mal mit Zahlen operieren, und die Zahlen liefert ja niemand."

Reporter: "Genau, das sehen ja auch viele Experten so, dass es sehr, sehr hohe Zahlen sein können am Ende."

Weidel: "Absolut."

Reporter: "Das heißt, das halten Sie auch für möglich, dass selbst ein Wert dann über 5 Prozent am Ende rauskommt?"

Weidel: "Ja. Das halte ich für möglich und für sehr wahrscheinlich im Übrigen, wenn Sie es wirklich ernst meinen mit der Ertüchtigung der Bundeswehr und auch mit der eigenen Landesverteidigung."

Reporter: "Und das würden Sie befürworten…"

Weidel: "Aber natürlich."

Im Programmentwurf der AfD für die Bundestagswahl werden keine konkreten Zahlen genannt. Dort heißt es wörtlich: "Damit dem Hauptauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung wieder Rechnung getragen werden kann, muss unsere Bundeswehr nicht nur finanziell gut ausgestattet sein, sondern muss ihr auch die Einsatzbereitschaft insbesondere bei Material und Personal zurückgegeben werden."

BSW lehnt höhere Verteidigungsausgaben ab

Sahra Wagenknecht sprach sich in unserer Sendung gegen höhere Verteidigungsausgaben aus. Entsprechend heißt es auch im Wahlprogramm ihrer Partei BSW: "Wir lehnen höhere Militärausgaben ab, die Erfüllung des Zwei-Prozent-Zieles der NATO oder gar höhere Ausgaben ebenso wie weitere Sondervermögen bzw. Schuldenfonds für die Aufrüstung der Bundeswehr oder Militärhilfen."

Übrigens: Die von Donald Trump geforderten fünf Prozent erreichen selbst die Vereinigten Staaten derzeit nicht. Den NATO-Schätzungen für 2024 nach lagen die USA zuletzt bei einem Ausgabenanteil von 3,38 Prozent.

Fazit: Mit seiner Forderung, das Zwei-Prozent-Ziel der NATO auf fünf Prozent anzuheben, sorgte der neue US-Präsident Donald Trump zuletzt für Aufsehen. Vor dem Hintergrund, dass Deutschland aktuell gerade so die zwei Prozent erreicht, und zwar nur unter Berücksichtigung des Sondervermögens Bundeswehr, lehnen zahlreiche deutsche Spitzenpolitiker die Forderung ab. Dass die Bundesrepublik künftig stärker in die Verteidigung investieren muss, dem stimmen viele zu. Bei der Frage, wie groß der Anteil der Verteidigungsausgaben am BIP sein muss, gehen die Meinungen aber auseinander. AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel forderte in einem ZDF-Interview, von dem ein kurzer Ausschnitt in der Sendung "Berlin direkt" gezeigt wurde, den Bedarf genau zu berechnen und dann zu schauen, wie groß der Anteil sein müsste. Dass dabei ein Anteil von über fünf Prozent herauskommt, schloss Weidel nicht aus. Sollte ein so hoher Anteil notwendig sein für die "Ertüchtigung der Bundeswehr", würde sie dem auch zustimmen, sagte Weidel gegenüber dem ZDF. Sahra Wagenknecht und ihre Partei BSW lehnen höhere Verteidigungsausgaben grundsätzlich ab. Im Bundestagswahlprogramm spricht sie sich sogar gegen die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels aus.

Fordert Sahra Wagenknecht eine 100-prozentige Erbschaftssteuer ab einer Million Euro?

Alice Weidel und Sahra Wagenknecht diskutierten auch über ihre jeweiligen Steuerkonzepte. Weidel sagte in diesem Zusammenhang, Wagenknecht fordere eine Erbschaftssteuer von 100 Prozent ab einem Betrag von einer Million Euro. Wagenknecht widersprach. Ihre Forderung sehe anders aus, so die BSW-Vorsitzende.

Streit um Erbschaftssteuer: Fordert das BSW eine vollständige Abschöpfung?

Weidel: "Sie haben letztes Jahr gesagt, Sie haben eine 100-prozentige Erbschaftssteuerabschöpfung ab einer Million. Das haben Sie gesagt. Das, was Sie hier erzählen, das ist etwas völlig anderes. Und das heißt, alle Familienunternehmen würden sofort in die Pleite getrieben. Das haben Sie gesagt, können Sie gerne raussuchen."

Wagenknecht: "Schauen Sie sich unser Wahlprogramm an. Sie können hier nicht mit Räuberpistolen kommen."

(…)

Weidel: "Sie will eine 100-prozentige Erbschaftssteuerabschöpfung ab einer Million. Und das ist falsch, was sie hier heute sagt."

Wagenknecht: "Ich weiß jetzt, worauf Sie sich beziehen. Ich habe in einem Buch, das 2016 erschienen ist, Alexander Rüstow zitiert. Ein Ordoliberaler, der damals genau diese Forderung aufgemacht hat. Das ist aber etwas anderes als das, was wir als BSW politisch fordern."

Stimmt das? Fordert Sahra Wagenknecht eine 100-prozentige Erbschaftssteuer ab einer Million Euro?

Eine solche Aussage Wagenknechts aus den letzten Jahren ist nicht dokumentiert. Kurz nach der Gründung des BSW im Herbst 2023 erklärte Wagenknecht öffentlich, bei der Besteuerung von Vermögen und Erbschaften gehe es ihr um "sehr, sehr große, hunderte Millionen oder Milliarden schwere Großvermögen, da ist unseres Erachtens das Problem". Von einer 100-prozentigen Besteuerung ist aber auch in diesem Fall nicht die Rede.

Auch im Bundestagswahlprogramm des BSW findet sich kein solcher Hinweis. Zur Erbschaftssteuer heißt es dort wörtlich:

"Aktuell gilt: je höher das Erbvermögen, desto niedriger der effektive Steuersatz. Das ist weder gerecht noch vernünftig, denn dadurch wird ein vererbtes Einfamilienhaus mit höheren Steuern belegt als ein vererbtes Firmenimperium im Wert hunderter Millionen Euro. Das wollen wir verändern und alle vererbten Vermögen oberhalb der Freibeträge gleich besteuern."

Das BSW bezieht sich damit auf den Umstand, dass das geltende Recht in vielen Fällen Steuerbefreiungen für geerbtes Betriebsvermögen vorsieht. Diese Unterscheidung zwischen Privatvermögen und Betriebsvermögen will das BSW abschaffen. Eine Veränderung des Steuersatzes oder der Freibeträge ist im Programm nicht vorgesehen.

Wie Sahra Wagenknecht in der Sendung sagte, erwähnte sie die Idee einer 100-prozentigen Erbschaftssteuer in ihrem 2016 veröffentlichten Buch "Reichtum ohne Gier: Wie wir uns vor dem Kapitalismus retten". In der betreffenden Passage gibt Wagenknecht einen knappen Überblick zur Geschichte des Erbrechts. In diesem Zusammenhang zitiert sie den Ökonomen Alexander Rüstow, der Mitte des 20. Jahrhunderts forderte, "die Möglichkeit des individuellen Erbes auf jenen Betrag zu reduzieren, den ein Normalverdiener tatsächlich im Laufe seines Lebens selbst erarbeiten und sparen kann." Wagenknecht beziffert diesen Betrag in ihrem Buch auf "vielleicht 1 Million Euro pro Kind". Als eigene Forderung formuliert Wagenknecht diese Idee aber nicht. Im nächsten Satz gibt sie zu bedenken, dass ein solches Erbrecht "keine beiläufige Reform" wäre, sondern eine einschneidende Veränderung für das Wirtschaftssystem bedeuten würde.

Fazit: Alice Weidel sagte in der Sendung, Sahra Wagenknecht fordere eine Erbschaftssteuer von 100 Prozent ab einem Betrag von einer Million Euro. Ein Beleg hierfür lässt sich nicht finden. Im Herbst 2023 erklärte Wagenknecht öffentlich, bei der Besteuerung von Vermögen und Erbschaften gehe es ihr um "sehr, sehr große, hunderte Millionen oder Milliarden schwere Großvermögen". Von einer 100-prozentigen Besteuerung war aber auch in diesem Fall nicht die Rede. Wagenknechts Partei BSW fordert in ihrem Wahlprogramm eine steuerliche Gleichbehandlung von Privatvermögen und Betriebsvermögen. Eine Veränderung des Steuersatzes oder der Freibeträge ist aber nicht vorgesehen.

Geben die europäischen NATO-Staaten mehr Geld für Rüstung aus als Russland?

Sahra Wagenknecht widersprach den Forderungen nach einem höheren Verteidigungsetat. Europa sei bereits verteidigungsfähig, sagte sie. Dabei verwies sie auf die aktuellen Militärausgaben, die in den europäischen NATO-Staaten höher seien als in Russland.

Verteidigungsausgaben: Investieren die europäischen NATO-Staaten mehr als Russland?

Wagenknecht: "Wir brauchen kein wahnwitziges Wettrüsten, sondern wir sollten tatsächlich versuchen, eigenständig in unserer Politik und auch verteidigungsfähig zu sein. Das sind wir allerdings als NATO-Staaten in Europa jetzt schon. Da gibt es ja auch Vergleiche mit Russland. Schon jetzt geben wir sehr viel mehr Geld für Rüstung aus als Russland."

Stimmt das? Geben die europäischen NATO-Staaten mehr Geld für Rüstung aus als Russland?

Auskunft über die weltweiten Militärausgaben liefert regelmäßig das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. Die aktuellen Zahlen stammen aus dem April 2024 und beziehen sich auf das Jahr 2023. Daten für das Jahr 2024 werden im April 2025 erwartet.

Mehr als die Hälfte der weltweiten Militärausgaben entfielen laut der Analyse 2023 auf die NATO-Staaten. Die damals noch 31 Mitgliedstaaten des westlichen Verteidigungsbündnisses (Schweden kam erst 2024 dazu) gaben demnach zusammen 1,34 Billionen US-Dollar für das Militär aus. Sahra Wagenknecht sprach in der Sendung aber ausschließlich über die europäischen NATO-Staaten. Ziehen wir also die Ausgaben der USA (916 Milliarden Dollar) und Kanada (27,2 Milliarden Dollar) ab, bleiben 396,8 Milliarden Dollar übrig. Das ist mehr als dreimal so viel, wie Russland im selben Jahr für seine Rüstung ausgab (109 Milliarden Dollar). Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt Russland mit seinen Militärausgaben aber vor den NATO-Staaten. Während der Kreml etwa 5,9 Prozent der russischen Wirtschaftsleistung ins Militär steckte, waren es bei den europäischen NATO-Staaten etwas weniger als zwei Prozent.

Experten weisen allerdings darauf hin, dass das Verhältnis der Militärausgaben – auch wenn man sie in Relation zum BIP setzt – nur bedingt Aufschluss über die tatsächlichen militärischen Kräfteverhältnisse zwischen den Staaten geben kann. Das liegt vor allem an der unterschiedlichen Beschaffenheit der Volkswirtschaften. Mit diesem Problem der Vergleichbarkeit haben wir uns bereits ausführlich im Faktencheck zur Sendung vom 12.6.2024 beschäftigt.

War Adolf Hitler ein Kommunist?

Alice Weidel wiederholte in der Sendung ihre These, Adolf Hitler sei ein Kommunist gewesen.

AfD-Kanzlerkandidatin Weidel wiederholt umstrittene These: "Hitler war im Geiste ein Linker"

Maischberger: "Adolf Hitler war ein Kommunist? Woran machen Sie das fest?"

Weidel: "Ich mache das daran fest, dass Adolf Hitler einen neuen Menschen schaffen wollte. Einen neuen Menschen, der in eine Richtung marschiert, eine komplette gesellschaftliche Gleichmacherei, mit Einpferchung der Kinder in irgendwelche Camps, Hitlerjugend, und Gleichschaltung der Medien. Und mit einer staatsgelenkten Kommandowirtschaft, das sollte uns auch vielleicht irgendwie bekannt vorkommen. Und es gibt dort Parallelen natürlich mit dem Kommunismus und sozialistischen Systemen. (…) Hitler wurde im Nachkriegsdeutschland als Rechter gelabelt, was absolut falsch ist. Er war im Geiste ein Linker."

Stimmt das? War Adolf Hitler ein Kommunist?

Alice Weidel hatte diese These bereits in ihrem Gespräch mit Elon Musk am 9.1.2025 auf der Plattform X geäußert. Im Anschluss meldeten sich zahlreiche Historiker und Politikwissenschaftler zu Wort, die Weidels Argumentation einhellig widersprachen. Dem schlossen sich auch unsere Studiogäste Albrecht von Lucke und Nikolaus Blome nach dem Gespräch mit Alice Weidel an.

Die Kolleginnen und Kollegen der Deutschen Welle haben einige wissenschaftliche Einschätzungen zum Thema bereits in einem ausführlichen Faktencheck versammelt, auf den wir an dieser Stelle gerne verweisen.

Auch das Recherchenetzwerk Correctiv bearbeitete das Thema umfassend in einem Faktencheck, der hier zu finden ist.

Stand: 24.01.2025

Autor: Tim Berressem