Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 29.01.2025
Faktencheck
Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Was sagte Olaf Scholz 2023 über eine parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD?
Was sagte Olaf Scholz 2023 über eine parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich in der Sendung zum migrationspolitischen Fünf-Punkte-Plan der Union, dem der Bundestag am vergangenen Mittwoch (29.1.25) mehrheitlich zustimmte. Scholz kritisierte die Union dafür, dass sie bei der Abstimmung bewusst die Unterstützung der AfD in Kauf genommen habe. In der Sendung ging es dabei auch um ein Zeitungsinterview aus dem Jahr 2023, in dem Scholz sich zu einer möglichen Zusammenarbeit mit der AfD positionierte. Was der Bundeskanzler damals genau sagte, schauen wir uns hier noch einmal näher an.
Maischberger: "Ist es denn schon eine Zusammenarbeit, wenn man Vorhaben im Bundestag einbringt, die man für richtig hält, und dann stimmt die AfD zu?"
Scholz: "Es war die Verabredung aus gutem Grund, dass wir untereinander versuchen, miteinander Anträge hinzukriegen bis zur Bundestagswahl, und nicht mit der AfD zusammen stimmen. Und deshalb, sage ich, ist das, was hier passiert ist, eine Zusammenarbeit, ja."
Maischberger: "Sie haben aber selber mal gesagt, das war 2023: ‚Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt.‘ Das war ein Interview mit der Thüringer Allgemeinen. Das hat genau auch Friedrich Merz so gesagt."
Scholz: "Na ja, da ging es um die Frage, was passiert in Kommunalparlamenten. Das ganze Zitat haben Sie auch vor sich liegen."
Maischberger: "Ich hab’s auch so, dass wir es alle mitlesen können, wenn Sie wollen."
Scholz: "Genau, ja. Also, es ging um Kommunalparlamente und es wurde damals diskutiert, was passiert eigentlich, wenn die AfD was beantragt, was alle gut finden. Ich nehme jetzt mal einen Kindergarten. Da habe ich gesagt, da kann man einen eigenen Antrag stellen und dann seine Mehrheiten in dieser Gemeindeversammlung suchen."
Maischberger: "Genau. Und dann kam die Frage, was macht man denn dann, wenn die AfD-Stimmen dann nötig sind, um eben diesen Kita-Bau zu [beschließen]. Und da haben Sie gesagt: 'Das ist doch keine Zusammenarbeit.'"
Scholz: "Das ist keine Zusammenarbeit. Und ich habe ergänzt –"
Maischberger: "Bitte. Es ist Ihr Interview."
Scholz: "Ich habe ergänzt, dass es aber im Deutschen Bundestag und in den 16 Landtagen nicht so ist, dass man gemeinsam Gesetze und Anträge beschließt und es auch dabei bleiben soll."
Maischberger: "Ja."
Scholz: "Und das wiederhole ich gerne. Das ist ein großer Unterschied, weil es hier um Regierungsbildung geht und um die Frage, was da passiert. Und es muss auch nicht sein."
Hintergrund: Was sagte Olaf Scholz 2023 über eine parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD?
Das betreffende Interview erschien am 12. August 2023 in der "Thüringer Allgemeinen" (TA). Der Bundeskanzler wurde darin u.a. auf die wachsenden Zustimmungswerte der AfD, insbesondere im Osten Deutschlands, angesprochen. Auf die Frage, ob die Strategie der etablierten Parteien, eine parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD kategorisch auszuschließen, gescheitert sei, antwortete Scholz:
Die Zeitung fragte daraufhin, ob Scholz der Meinung sei, dass sich dieser Kurs auch auf kommunaler Ebene durchhalten lasse, wo die Mehrheitsverhältnisse oft weniger klar seien als in Bund und Ländern. Der Bundeskanzler antwortete:
Dieser Fall, dass eine Mehrheit im Bundestag nur mit Stimmen der AfD erreicht werden kann, ist nun entgegen Scholz’ Einschätzung aus dem August 2023 eingetreten. Am vergangenen Mittwoch (29.1.25) hat die Union einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik mit Hilfe der AfD durchgesetzt. Für den Antrag stimmten 187 Abgeordnete der Union, 75 AfD-Abgeordnete sowie 80 Angehörige der FDP-Fraktion und sechs Fraktionslose. Zusammen sind das 348 Stimmen. 344 Abgeordnete stimmten dagegen.
Unions-Antrag mit AfD-Stimmen: SPD und Grüne sehen Tabubruch
SPD und Grüne sehen darin einen Tabubruch. Das bekräftigte der Bundeskanzler auch bei uns in der Sendung. Die Union habe "bewusst kalkuliert hingenommen", dass die AfD ihrem Antrag zustimmt, so Scholz. Durch die gemeinsame Abstimmung mit der AfD habe die Union einen Konsens aufgekündigt, den es seit Gründung der Bundesrepublik unter den Demokraten in Deutschland gegeben habe, betonte er.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz verteidigte sein Vorgehen am Mittwoch (29.1.25) in den "tagesthemen". Dort sagte er: "Wir haben jetzt das, was wir für richtig halten, in den Bundestag eingebracht und dafür auch eine Mehrheit bekommen." Zugleich bekräftigte er seine prinzipielle Absage an eine Zusammenarbeit mit der AfD. "Da können jetzt AfD-Leute triumphieren, wie sie wollen, die wird es nicht geben." CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ergänzte in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) vom 30.1.25, dass es seitens seiner Partei "keine Ab- und Rücksprachen mit der AfD" im Vorfeld der Abstimmung gegeben habe – "und die wird es auch nicht geben." Aus diesem Grund könne man nicht von einer Zusammenarbeit zwischen Union und AfD sprechen. Linnemann erinnerte in dem Interview auch an Scholz’ oben zitierte Äußerungen aus dem Jahr 2023: "Auch der Bundeskanzler hatte bis vor Kurzem noch eine andere Haltung. 'Das ist doch keine Zusammenarbeit. Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt', hat er gesagt. Dass die SPD jetzt versucht, uns in die Extremisten-Ecke zu stellen, ist verlogen", sagte Linnemann der FAZ.
Ex-Kanzlerin Merkel kritisiert Friedrich Merz
Am Tag nach der Abstimmung meldete sich auch die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Wort und distanzierte sich vom Vorgehen ihrer Partei. In einer schriftlichen Erklärung betonte sie, dass sie Merz' Position von November 2024 für richtig halte, dass man Mehrheiten nur mit Parteien der Mitte suchen solle. "Dieser Vorschlag und die mit ihm verbundene Haltung waren Ausdruck großer staatspolitischer Verantwortung, die ich vollumfänglich unterstütze", erklärte Merkel. Sie fügte jedoch hinzu: "Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und dadurch am 29. Januar 2025 sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen."
Rechtlich bindend ist das Abstimmungsergebnis übrigens nicht. Es handelt sich lediglich um einen sogenannten Entschließungsantrag, der vor allem appellativen Charakter hat. Das Parlament bringt damit seine Auffassung zum Ausdruck und ruft die Bundesregierung zum Handeln auf. Die Regierung ist aber nicht verpflichtet, darauf einzugehen.
Fazit: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich in einem Zeitungsinterview, das im August 2023 erschien, zum Umgang mit der AfD bei parlamentarischen Abstimmungen. Scholz betonte, eine Zusammenarbeit mit der AfD dürfe es nicht geben. Sollte es aber dazu kommen, dass ein Vorhaben aus der parlamentarischen Mitte nur mit Stimmen der AfD die nötige Mehrheit findet, könne man dies nicht als Zusammenarbeit bezeichnen. "Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt", sagte Scholz wörtlich. Damit bezog er sich aber auf die kommunale Ebene. Dass im Bundestag dieser Fall eintreten würde, hielt Scholz damals für unwahrscheinlich.
Stand: 30.01.2025
Autor: Tim Berressem