Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 25.02.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Könnte der alte Bundestag über eine Erhöhung des Verteidigungsetats abstimmen?
Könnte der alte Bundestag über eine Erhöhung des Verteidigungsetats abstimmen?
Sigmar Gabriel (SPD) und Armin Laschet (CDU) diskutierten in der Sendung über den Wahlausgang und die daraus folgenden Mehrheitsverhältnisse. Dabei ging es auch um die Frage, ob möglicherweise der alte Bundestag noch einmal zusammenkommen könnte, um über ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr oder sogar eine Reform der Schuldenbremse abzustimmen. Im neuen Bundestag, wo die Regierung voraussichtlich keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr haben wird, wären diese Vorhaben kaum noch umzusetzen. Sigmar Gabriel hielt es für denkbar, dass der alte Bundestag noch über ein Sondervermögen abstimmen wird. Eine Reform der Schuldenbremse jedoch sei eher unrealistisch, erklärte der ehemalige Vizekanzler. Die Hintergründe schauen wir uns hier noch einmal genauer an.
Maischberger: "Es gibt ja keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr im Bundestag, sondern eine Sperrminorität. Also: AfD und Linke können Dinge, für die man zwei Drittel bräuchte, Grundgesetzänderungen zum Beispiel, verhindern. Und überraschenderweise gibt es kein Geld im Haushalt, das ist jetzt auch der CDU aufgefallen. Und es gibt Verteidigungsausgaben, die erhöht werden müssen. Und jetzt gibt es den Vorschlag, und Markus Söder hat das jetzt noch mal betont, dass er den gut fände, dass man sozusagen in dem alten Bundestag noch ein Sondervermögen für die Verteidigung macht: 'Ich glaube, dass es gar kein schlechtes Signal wäre, wenn Deutschland – bevor der ganze normale Ablauf der Regierungsbildung stattfindet – vielleicht sogar die Chance nutzt, ein international wuchtiges Signal zu senden.' Heißt also noch mal, ich glaube, es geht um 200 Milliarden für Verteidigungsausgaben als Sondervermögen gemeinsam beschließen. Wenn im März dann die neue Regierung, der neue Bundestag konstituiert ist, geht das nicht mehr. Ist das ein gutes Signal, Herr Gabriel?"
Gabriel: "Naja, es ist erst mal ein erster Schritt in die Realität. Die Verweigerung der Debatte über die Verschuldung ist ja albern gewesen. (…) Jetzt haben die das Problem, dass sie keine verfassungsändernde Mehrheit haben. Deswegen wird man versuchen, jetzt noch im Bundestag was zu machen. Viel mehr übrigens, glaube ich, wird man nicht machen können. Die Idee, jetzt noch eine Verfassungsänderung zu machen, glaube ich, wird scheitern, weil es am Ende gegen das Demokratiegebot verstößt. Ein abgewähltes Parlament, das eine Entscheidung herbeiführt, die das neugewählte Parlament nicht rückgängig machen kann – also das, glaube ich, würde beim Verfassungsgericht auflaufen. Es wird denen nichts anderes übrig bleiben –"
Maischberger: "Als das zu machen."
Gabriel: "Nicht nur das, sondern für die Infrastrukturfragen auch mit den Grünen und der Linkspartei über die Frage zu reden, wie flexibilisieren wir die Schuldenbremse für Investitionen."
Hintergrund: Könnte der alte Bundestag über eine Erhöhung des Verteidigungsetats abstimmen?
Nach der Bundestagswahl vom 23.2.2025 zeichnet sich eine schwarz-rote Regierungskoalition aus Union und SPD ab. Zusammen kämen beide Fraktionen auf insgesamt 328 Sitze und hätten damit die absolute Mehrheit im Plenum. Für manche Gesetzesvorhaben sind allerdings zwei Drittel der Abgeordnetenstimmen nötig. Von einer solchen Zwei-Drittel-Mehrheit sind Union und SPD im neuen Bundestag weit entfernt. AfD und Linke haben bei der Wahl zusammen mehr als ein Drittel der Sitze erreicht und verfügen damit über eine sogenannte Sperrminorität. Das heißt: Durch ihr Veto könnten die beiden Oppositionsparteien bestimmte Vorhaben blockieren.
Wann wird eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt?
Eine Zwei-Drittel-Mehrheit ist immer dann erforderlich, wenn es um eine Änderung des Grundgesetzes geht – z.B. auch für eine Reform der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr. Die Schuldenbremse ist seit 2009 in Artikel 115 des Grundgesetzes verankert. Das Sondervermögen Bundeswehr wurde im Jahr 2022, kurz nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, in Artikel 87a festgeschrieben. Wörtlich heißt es dort: "Zur Stärkung der Bündnis- und Verteidigungsfähigkeit kann der Bund ein Sondervermögen für die Bundeswehr mit eigener Kreditermächtigung in Höhe von einmalig bis zu 100 Milliarden Euro errichten." Obwohl dieses Sondervermögen durch Schulden finanziert wird, ist es laut Gesetz von den Regeln der Schuldenbremse ausgenommen. Da das Grundgesetz das Sondervermögen als "einmalig" bezeichnet, wäre hier eine Änderung notwendig, wollte man ein neues Sondervermögen auflegen.
Im Wahlkampf plädierten Union, SPD und Grüne für eine Erhöhung des Verteidigungsetats in Verbindung mit weiteren Militärhilfen für die Ukraine. Im neuen Bundestag wird dies jedoch kaum umzusetzen sein, denn selbst mit Unterstützung der Grünen erreichen Union und SPD dort keine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Linke wäre zwar unter Umständen für eine Reform der Schuldenbremse bereit, lehnt aber eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben ab. Die AfD spricht sich gegen eine Lockerung der Schuldenbremse aus und möchte die Ukraine nicht militärisch unterstützen.
Anders sähe es im alten Bundestag aus: Hier könnten Union, SPD und Grüne das Vorhaben mit insgesamt 521 Sitzen durchsetzen.
Abstimmung im alten Bundestag wäre möglich
Ob der alte Bundestag tatsächlich noch einmal tagt, ist aktuell noch unklar. Möglich wäre es. Denn laut Verfassung gibt es keine parlamentslose Zeit in Deutschland. Bis zur Konstituierung des neuen Bundestages besteht der bisherige Bundestag weiter. Bei Bedarf können also die bisherigen Ausschüsse zusammenkommen oder sogar das Plenum. Die konstituierende Sitzung des neuen Bundestages muss laut Grundgesetz spätestens 30 Tage nach der Wahl stattfinden. Eine Abstimmung im alten Bundestag wäre also theoretisch noch bis zum 24. März 2025 möglich.
CDU-Chef Friedrich Merz hatte zuletzt eine Reform der Schuldenbremse "in der naheliegenden Zukunft" ausgeschlossen. "Das ist, wenn es überhaupt stattfindet, eine ziemlich umfangreiche, schwierige Arbeit", sagte er. Auf die Frage, ob er alternativ ein neues Sondervermögen befürworten würde, bestätigte Merz, dass es Gespräche gebe. Er sehe dies aber auch "im Augenblick als schwierig" an. Dennoch kündigte Merz an, dass er mit SPD, Grünen und FDP sprechen wolle, was im alten Bundestag bis Ende März noch an Entscheidungen möglich sei.
SPD und Grüne haben ihre Gesprächsbereitschaft schon signalisiert. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) forderte eine Reform der Schuldenbremse, um den Bundeswehretat zu erhöhen. "Für die auskömmliche Ausstattung der Bundeswehr ist eine Ausnahme von der Schuldenbremse praktisch unumgänglich", sagte Pistorius der "Bild"-Zeitung. Auch die Grünen zeigten sich bereit, die Schuldenregeln noch in alter Zusammensetzung des Bundestages zu ändern. Außenministerin Annalena Baerbock (B’90/Grüne) forderte Friedrich Merz auf, die nächsten Wochen "verantwortungsvoll" zu nutzen.
Neues Sondervermögen: 200 Milliarden Euro im Gespräch
Nach aktuellen Medienberichten scheint es aber nicht auf eine Reform der Schuldenbremse, sondern auf ein neues Sondervermögen hinauszulaufen. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg am gestrigen Dienstag (25.2.2025) berichtete, führen Vertreter von Union und SPD derzeit Gespräche über einen zusätzlichen Etat in Höhe von bis zu 200 Milliarden Euro, um die Wehrfähigkeit zu stärken. Sie erwägen offenbar, das neue Rüstungspaket, das doppelt so hoch wäre wie das vor drei Jahren genehmigte, noch durch das scheidende Parlament zu bringen, hieß es weiter. Sprecher von SPD und CDU lehnten eine Stellungnahme ab.
Dass nach einer Wahl der alte Bundestag noch Entscheidungen trifft, wäre zwar "ein seltener Fall", wie es der noch amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) formulierte. Doch ein Novum wäre das nicht. Im Oktober 1998, inmitten des Regierungswechsels von Kanzler Helmut Kohl (CDU) hin zu Gerhard Schröder (SPD), machten Entwicklungen im Kosovo-Krieg eine schnelle Entscheidung des Parlaments erforderlich. Konkret ging es dabei um die deutsche Beteiligung an NATO-Luftoperationen.
Kritiker an diesem Vorgehen argumentieren, einem alten Bundestag fehle es an der demokratischen Legitimation durch den Wähler. Vor diesem Hintergrund sind auch juristische Anfechtungen nicht ausgeschlossen, wie Sigmar Gabriel in der Sendung sagte.
Fazit: Theoretisch könnte der alte Bundestag noch bis zum 24. März 2025 zusammenkommen, um über eine Reform der Schuldenbremse oder ein neues Sondervermögen für die Bundeswehr abzustimmen. Union, SPD und Grüne könnten so mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Erhöhung des Verteidigungsetats sorgen. Im neuen Bundestag wäre diese Zwei-Drittel-Mehrheit nicht mehr gegeben, weil AfD und Linke bei der Wahl insgesamt mehr als ein Drittel der Sitze erreicht haben. Durch ihr Veto könnten sie das Vorhaben blockieren. Dass der alte Bundestag tatsächlich noch einmal zusammentritt, ist nicht unwahrscheinlich. Laut Medienberichten sprechen Union und SPD aktuell über ein neues Sondervermögen in Höhe von 200 Milliarden Euro.
Stand: 26.02.2025
Autor: Tim Berressem