Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 11.03.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Nicole Diekmann, Gregor Gysi, Oliver Kalkofe, Karl-Theodor zu Guttenberg
Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Nicole Diekmann, Gregor Gysi, Oliver Kalkofe, Karl-Theodor zu Guttenberg | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Nutzt Frankreich sein Verteidigungsbudget effizienter als Deutschland?
  • Wie viele Wähler hat die SPD bei der Bundestagswahl 2025 an die AfD verloren?

Nutzt Frankreich sein Verteidigungsbudget effizienter als Deutschland?

Gregor Gysi (Die Linke) und Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) diskutierten u.a. über die Zukunft der Bundeswehr. Dabei ging es auch um die Frage, inwieweit eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben zur Verbesserung der Wehrfähigkeit führen würde. Gysi verwies in diesem Zusammenhang auf Frankreich, das zahlenmäßig zuletzt weniger für das Militär ausgegeben habe als Deutschland, aber in Sachen Verteidigungsfähigkeit deutlich besser dastehe. Guttenberg stimmte dieser Analyse grundsätzlich zu und erklärte, die französische Armee profitiere von einer effizienteren Infrastruktur, die über Jahre gewachsen sei.

Verteidigungsausgaben: Geht Frankreich effizienter mit dem Wehrbudget um als Deutschland? | Video verfügbar bis 11.03.2026

Gysi: "Ich bin ja auch dafür, dass die Bundeswehr in der Lage ist, unser Land zu verteidigen. Ich habe ihm (gemeint ist Karl-Theodor zu Guttenberg, Anm. d. Red.) das schon mal gesagt: Im Jahr 2023 hat Frankreich für Rüstung und Armee etwas über 62 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Wir über 66 Milliarden US-Dollar. Wieso sind die französischen Streitkräfte in der Lage, ihr Land zu verteidigen, und unsere nicht? Ist es wirklich immer nur die Menge des Geldes? Müssen wir nicht mal ein paar Strukturen verändern?"

(…)

Guttenberg: "Der Unterschied ist der: Die Franzosen haben über Jahre hinweg ihre Hausaufgaben gemacht, und das, was sie einsetzen, was weniger klingt, sind Dinge, die in eine vergleichsweise funktionsfähige Armeestruktur hineinfließen."

Maischberger: "Die wir nicht haben."

Guttenberg: "Die wir nicht haben. Und wo wir einen enormen Aufholbedarf bedarf haben, der gewaltig ist."

Hintergrund: Nutzt Frankreich sein Verteidigungsbudget effizienter als Deutschland?

Grundsätzlich ist festzustellen, dass die Verteidigungsfähigkeiten unterschiedlicher Staaten nur schwer miteinander zu vergleichen sind. Darauf weisen Militärexperten immer wieder hin. Denn es gibt zahlreiche Parameter, die bei einem solchen Vergleich berücksichtigt werden müssen. Manche davon lassen sich nicht in Zahlen ausdrücken und sind allenfalls durch qualitative Beschreibungen zu erfassen, wie z.B. die Einsatzfähigkeit der jeweiligen Soldaten. Das Budget, das ein Land für die Verteidigung aufwendet, ist nur eine von vielen Kennzahlen.

Richtig ist, dass Deutschland im Jahr 2023 etwas mehr als 66 Milliarden US-Dollar für das Militär ausgegeben hat, wie Gregor Gysi in der Sendung sagte. Das belegen Zahlen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. Frankreichs Verteidigungsbudget belief sich im selben Jahr auf etwas mehr als 61 Milliarden US-Dollar. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag Frankreich mit 2,06 Prozent leicht vor Deutschland (1,52 Prozent).

Ronja Kempin, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)
Ronja Kempin, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) | Bild: SWP

Ronja Kempin, Expertin für deutsch-französische Beziehungen in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, bestätigt, dass die beiden Länder in Sachen Militärausgaben etwa gleichauf liegen. Gleichzeitig weist sie aber auf einen bedeutenden Unterschied in der Infrastruktur hin:

"Die militärische Infrastruktur in Frankreich ist klarer. Das betrifft auch das Beschaffungswesen. Frankreich plant seine militärische Ausrüstung in 5-Jahresprogrammen."

Dies geschieht in Form sogenannter Militärprogrammierungsgesetze, im Französischen abgekürzt LPM. Diese werden seit 1960 im Abstand von fünf Jahren verabschiedet und ermöglichen es, Vorhaben und Mittel der Streitkräfte mittelfristig zu planen. Die Umsetzung dieser Programme obliegt einer Beschaffungsbehörde, die im Verteidigungsministerium angesiedelt ist.

Ein zweiter wichtiger Unterschied:

"Der Staat besitzt Anteile an einigen Rüstungsunternehmen und unterstützt die Rüstungsindustrie auch dabei, Waffensysteme kostendeckend zu entwickeln und zu produzieren, indem er deren Verkauf an Drittstaaten als Teil seiner Aufgabe sieht."

Dies sorgt bei den französischen Rüstungsunternehmen für bessere Planungssicherheit. Hierzulande wollte die Ampel-Koalition einen ähnlichen Weg einschlagen – mit der sogenannten nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie (SVI). Denn die Produktion von Rüstungsgütern ist langwierig, und Produktion im großen Stil sowie der Aufbau neuer Fertigungslinien ist nur dann aussichtsreich, wenn es auch langfristige Abnahmegarantien gibt. Doch das Vorhaben der Ampel wurde bislang nicht umgesetzt, sondern zunächst in die Ausschüsse überwiesen. Ob die neue Bundesregierung daran anknüpfen wird, ist noch unklar.

Jacob Ross, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Jacob Ross, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik | Bild: Jacob Ross

Jacob Ross, Experte für französische Außen- und Sicherheitspolitik, weist darüber hinaus auf einen wichtigen historischen Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich hin:

"Frankreich hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Sachen Außen- und Verteidigungspolitik eine vollkommen andere Identität entwickelt als die Bundesrepublik. Während in Deutschland die Leitsätze 'Nie wieder Krieg!' und 'Nie wieder allein' die politischen Entscheidungen prägten, bewaffnete Einsätze deutscher Soldaten im Ausland lange undenkbar machten und die Zugehörigkeit in kollektiven Bündnisstrukturen unerlässlich, war es in Frankreich fast andersherum: Die militärische Niederlage gegen das nationalsozialistische Deutschland führte dazu, dass die nationale Unabhängigkeit und militärische Stärke das Leitmotiv französischer Verteidigungspolitik waren. Sinnbildlich steht dafür die Schaffung einer souveränen nuklearen Abschreckung (ab Mitte der 1960er Jahre einsatzbereit) und das darauf folgende Verlassen der militärischen Kommandostruktur der NATO. Zwar trat Frankreich 2009 dieser Kommandostruktur wieder bei. Der Fokus auf nationale Unabhängigkeit ist trotzdem ein entscheidender Unterschied zur Bundesrepublik, die ihre eigene Verteidigungspolitik immer nur im Rahmen kollektiver Bündnisse und Identitäten dachte."

Auch seien die Strukturen der französischen Armee aufgrund der territorialen Beschaffenheit Frankreichs im Laufe der Jahrzehnte anders gewachsen als in Deutschland:

"Neben dem Staatsgebiet in Europa verfügt unser westliches Nachbarland über Gebiete und Übersee-Territorien auf der ganzen Welt. Dass die längste französische Außengrenze die mit Brasilien ist, weiß auch in Berlin der eine oder andere. Dass die Französische Republik aber militärische Infrastruktur in Südamerika, auf dem afrikanischen Kontinent und im indo-pazifischen Raum betreibt, wird häufig ignoriert. Die Staatsgebiete wie auch die entsprechende Infrastruktur sind Überbleibsel des imperialen Frankreichs und des französischen Kolonialreiches. Neben Stützpunkten und Hafenanlagen auf dem eigenen Staatsgebiet sowie einer eigenen Flugzeugträgergruppe, unterhält Frankreich zudem bis heute mehrere Basen in afrikanischen Partnerstaaten, etwa der Elfenbeinküste oder Dschibuti, sowie in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Diese Infrastruktur ist zwar kleiner geworden, vor allem weil viele Partnerregime auf dem afrikanischen Kontinent die französische Präsenz ablehnen. Trotzdem bleibt sie ein bedeutender Unterschied zur Bundeswehr, die in Litauen gerade die erste Auslandspräsenz in einem Partnerstaat in dieser Größenordnung aufbaut."

Die Frage, ob Frankreich mit seinem Militärbudget effizienter umgehe als Deutschland, sei nicht so deutlich zu beantworten, betont Jacob Ross. Zu unterschiedlich seien die Anforderungen der beiden Armeen.

"Grundsätzlich lässt sich aber sicher feststellen, dass Frankreich mit vergleichbaren oder sogar geringeren Mitteln wesentlich mehr leistet als Deutschland. Die französischen Streitkräfte waren über Jahrzehnte eine Armee im Einsatz. Mit wenigen Mitteln viel zu erreichen, gilt als Ideal. Von der 'Einfachheit' oder 'Robustheit' ihrer Armee reden viele französische Soldaten mit großem Stolz."

Außerdem habe eine Vielzahl militärischer Interventionen seit den 1960er-Jahren eine Verstetigung bestehender Strukturen zur Folge gehabt.

"Die Geschichte hat dazu geführt, dass die französischen Streitkräfte einsatzbereit sind und auf Einsätze ausgerichtet sind. Zudem sind die französische Politik, Verwaltung und auch Gesellschaft wesentlich vertrauter mit den Anforderungen solcher Einsätze."

Fazit: Tatsächlich lagen Frankreich und Deutschland bei den Verteidigungsausgaben zuletzt auf demselben Niveau. Doch in Sachen militärischer Infrastruktur unterscheiden sich die beiden Länder teils deutlich. So ist der französische Staat deutlich stärker in die Rüstungsindustrie eingebunden und sorgt für größere Planungssicherheit bei der Produktion von Rüstungsgütern. Außerdem haben laut Experteneinschätzung die historischen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dazu beigetragen, dass die französische Armee noch immer besser auf militärische Einsätze vorbereitet ist als die Bundeswehr. Ob Frankreich mit seinem Militärbudget effizienter umgeht als Deutschland, ist aber in dieser Absolutheit nicht zu beantworten.

Wie viele Wähler hat die SPD bei der Bundestagswahl 2025 an die AfD verloren?

Susanne Gaschke äußerte sich in der Sendung u.a. zur anstehenden Regierungsbildung zwischen Union und SPD. Dabei ging sie auch auf das schwache Abschneiden der Sozialdemokraten bei der Bundestagswahl ein und sagte in diesem Zusammenhang, die SPD habe einen "großen Teil" ihrer Wähler an die AfD verloren. Die konkreten Zahlen schauen wir uns hier noch einmal näher an.

Wählerwanderung: Wie viele Stimmen hat die SPD an die AfD verloren? | Video verfügbar bis 11.03.2026

Gaschke: "Sowohl Söder als auch Merz wissen natürlich, dass ihre eigene Klientel, ihre eigenen Wähler nichts mehr gehasst hätten zum Beispiel als eine Koalition mit den Grünen. Und für die Menschen, die die Union anspricht, ist es natürlich etwas schwer zu verdauen, dass jetzt sogar, nachdem die Grünen ein relativ schlechtes Wahlergebnis eingefahren haben, also wirklich keine Sieger sind, für die Politik, auch für die sehr aufdringliche Gesellschaftspolitik, die sie in den vergangenen Jahren durchgesetzt haben, dass die doch immer noch mitzureden scheinen. Also, jetzt hat man schon Union gewählt, und jetzt kriegt man erst mal die Sozialdemokraten, die eigentlich sich mal wirklich in Ruhe in der Opposition erholen müssten und sich fragen, warum es ihnen so schlecht geht und wohin ihnen die Wähler weglaufen, nämlich zum großen Teil zur AfD."

Hintergrund: Wie viele Wähler hat die SPD bei der Bundestagswahl 2025 an die AfD verloren?

Tatsächlich hat die SPD bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Gerade einmal 16,4 Prozent der Zweitstimmen konnten die Sozialdemokraten für sich gewinnen. Das ist ihr schlechtestes Resultat seit Bestehen der Bundesrepublik. Gegenüber der Bundestagswahl 2021 verlor man 9,3 Prozent.

Laut infratest dimap entschieden sich knapp 3,5 Millionen Wähler, die 2021 ihr Kreuzchen noch bei der SPD machten, diesmal für eine andere Partei. Etwa die Hälfte davon (1,76 Millionen Wähler) wanderte von der SPD zur Union ab. Die AfD folgt dahinter mit weitem Abstand (720.000), liegt aber noch vor der Linken (560.000), BSW (440.000) und Grünen (100.000).

Die AfD konnte bei der Bundestagswahl 2025 deutlich zulegen. Sie erreichte 20,8 Prozent der Zweitstimmen und verbesserte sich damit um etwa 10 Prozent gegenüber 2021. Den größten Zuwachs bezog sie dabei aus der Gruppe derer, die bei der Wahl 2021 überhaupt nicht abstimmten (1,8 Millionen Stimmen). Knapp eine Million Stimmen kamen von früheren Unions-Wählern. Die SPD-Wählerschaft war hinter dem FDP-Lager (890.000) und Sonstigen (790.000) die fünftgrößte Quelle für neue AfD-Stimmen.

Fazit: Den größten Teil ihrer Wähler, nämlich knapp die Hälfte, verlor die SPD bei der Bundestagswahl 2025 an die Union. Die Wählerwanderung in Richtung AfD machte dagegen etwa ein Fünftel aus. Für die AfD selbst kamen die meisten neuen Stimmen aus dem Lager früherer Nichtwähler. Unter den politischen Mitbewerbern konnte die AfD der Union die meisten Stimmen abringen, gefolgt von der FDP, Sonstigen und der SPD.

Stand: 12.03.2025

Autor: Tim Berressem