Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 12.03.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Auf welche migrationspolitischen Maßnahmen einigten sich Union und SPD in ihrem Sondierungspapier?
Auf welche migrationspolitischen Maßnahmen einigten sich Union und SPD in ihrem Sondierungspapier?
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) äußerte sich in der Sendung u.a. zu den abgeschlossenen Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD. Dabei ging es auch um die migrationspolitischen Pläne, auf die sich die Parteien geeinigt haben. Was zum Thema Migrationspolitik im Sondierungspapier festgehalten wurde, schauen wir uns hier noch einmal genauer an.
Maischberger: "Wir gucken auf das Thema Migration, das ist ja auch ein Streitpunkt zwischen der SPD und der Union. Es gibt jetzt eine Einigung, in der gesagt wird, Zurückweisungen an der Grenze soll es geben. Dirk Wiese sagt aber, Zurückweisungen könnten nur funktionieren, wenn unsere Nachbarn die Menschen auch wieder zurücknehmen. Haben Sie das Gefühl, dass die SPD und die CDU gemeinsam verstanden haben oder sich einig sind, was sie meinen, wenn sie sagen, Zurückweisung in Abstimmung mit den Nachbarn?"
Kretschmer: "Ich meine das sehr. Das war ein langer Weg, den die SPD gehen musste. Und der Kern ist, dass die heutige Zahl an Menschen, die zu uns kommen, zu hoch ist. In den vergangenen zwei Jahren waren das 500.000 Menschen. So geht es nicht weiter. Wir haben viele Maßnahmen aufgeschrieben, die Zurückweisung an der Grenze gehört dazu, die Aussetzung des Familiennachzugs – für Sozialdemokraten bestimmt nicht einfach, dem zuzustimmen. Änderungen im Asylverfahrensrecht, auch nicht einfach. Maßnahmen, die dafür sorgen sollen, dass wir die Kontrolle wieder zurückbekommen."
Hintergrund: Auf welche migrationspolitischen Maßnahmen einigten sich Union und SPD in ihrem Sondierungspapier?
Vor wenigen Tagen, am 8. März 2025, legten CDU, CSU und SPD die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche vor. Diese gelten als erster Schritt in Richtung einer gemeinsamen Regierungsbildung. Auch wenn die inhaltlichen Details wohl erst im Rahmen von Koalitionsverhandlungen abschließend geklärt werden, bietet das Sondierungspapier einen groben Überblick, welche Schwerpunkte die drei Parteien gemeinsam setzen wollen. Migration ist dabei eines von vier übergeordneten Themen, die im Sondierungspapier genannt werden.
Zurückweisungen an der Grenze geplant
Konkret sehen die schwarz-roten Pläne vor, die irreguläre Migration deutlich zu reduzieren. "In Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" soll es dazu an den Grenzen Zurückweisungen geben, wenn die notwendigen Einreisedokumente nicht vorgelegt werden können. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob jemand Asyl begehrt oder nicht.
Über diesen Punkt wird seit Veröffentlichung des Sondierungspapiers kontrovers diskutiert. Insbesondere der Umgang mit den europäischen Partnern wirft Fragen auf. Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) kündigte am 10.3.2025 im Podcast des Nachrichtenportals "Table.Briefings" an, Zurückweisungen an der deutschen Grenze notfalls auch gegen den Willen der Nachbarländer durchzusetzen. "Wir machen uns nicht abhängig von der Zustimmung der anderen Länder", so Spahn. Er wies ausdrücklich auf die im Sondierungspapier gewählte Formulierung hin: "Da steht nicht zustimmen, sondern in Abstimmung", sagte er. "Wir sehen alle Rechtsgrundlagen da, um es so oder so durchzusetzen." Die SPD sei bei dem Thema sehr kooperativ gewesen. "Wir haben bei der Begrenzung der Migration ein gemeinsames Interesse."
Doch SPD-Chefin Saskia Esken widersprach Spahn nur wenig später. Zwar habe man sich gemeinsam auf die Zurückweisungen geeinigt, doch müsse man dabei eng mit den europäischen Nachbarn zusammenarbeiten, statt "mit dem Kopf durch die Wand zu gehen", sagte sie. "Das halte ich für brandgefährlich und werde auch ganz klar dagegenhalten, wenn es weiter debattiert wird." Bei den nächsten Verhandlungen mit der Union wolle man das Thema klären. "Wir haben ein Sondierungspapier, in dem das auch ganz klar beschrieben ist", betonte Esken.
Österreich lehnt deutsche Pläne ab
Österreichs Regierung machte bereits deutlich, dass sie die deutschen Pläne zur Rückweisung von Asylbewerbern an der Grenze ablehnt – trotz grundsätzlicher Zustimmung zu einer restriktiveren Zuwanderungspolitik. Österreich werde Menschen, die an der deutschen Grenze abgewiesen werden, nicht annehmen, teilte das Innenministerium in Wien mit. Nach Auffassung der österreichischen Regierung dürfen Menschen, die einen Asylantrag stellen, nach geltendem EU-Recht nicht formlos an der Grenze abgewiesen werden. "Das Innenministerium hat deshalb die betroffenen Landespolizeidirektionen angewiesen, unionsrechtswidrige Einreiseverweigerungen seitens der deutschen Behörden nicht zu akzeptieren und über Wahrnehmungen unverzüglich Bericht zu erstatten", hieß es zuletzt.
Die neue österreichische Koalitionsregierung aus konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos plant selbst restriktive Maßnahmen in den Bereichen Asyl und Migration. So soll etwa der Familiennachzug von schutzberechtigten Menschen vorübergehend gestoppt werden. Das wollen Union und SPD laut Sondierungspapier auch in Deutschland durchsetzen.
Darüber hinaus soll die Zahl der Rückführungen durch umfassende gesetzliche Regelungen gesteigert werden. Die Bundespolizei soll für ausreisepflichtige Ausländer vorübergehende Haft oder Ausreisegewahrsam beantragen dürfen, um ihre Abschiebung sicherzustellen. "Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben, beginnend mit Straftätern und Gefährdern", heißt es im Sondierungspapier. Die Liste der sicheren Herkunftsstaaten will man fortlaufend erweitern.
Juso-Chef Türmer "schlichtweg erschüttert" von Sondierungsergebnissen
Deutliche Kritik an den Plänen kommt aus der SPD-Nachwuchsorganisation. "In diesem Sondierungspapier stehen viele Punkte, die für eine sozialdemokratische Partei nicht vertretbar sind", betonte der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer in einem "Stern"-Interview vom 11.3.2025. "Ich bin im Bereich Asyl und Migration schlichtweg erschüttert." Er forderte die Parteispitze zu harten Koalitionsverhandlungen auf, und zwar "ohne Einigungszwang". Dem Maßnahmenkatalog, wie er im Sondierungspapier umrissen ist, könne er in dieser Form nicht zustimmen. "Insgesamt muss das ganze Paket besser werden – sonst wird es mit der Unterstützung der Jusos sehr schwierig", so Türmer.
Tatsächlich kritisierte die SPD-Bundestagsfraktion selbst noch vor wenigen Wochen die Pläne der Union, Menschen an den deutschen Grenzen abzuweisen. "Zurückweisungen von Schutzsuchenden an den deutschen Binnengrenzen sind europarechtswidrig. Es gibt auf europäischer Ebene ein konkret festgelegtes Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit für Asylsuchende und der Überstellung in zuständige Mitgliedstaaten", stellte die SPD-Fraktion am 30.1.2025 auf ihrer Website fest.
Bei den Koalitionsverhandlungen, die am heutigen Donnerstag (13.3.2025) beginnen sollen, dürfte die Migrationspolitik also noch zu intensiven Diskussionen führen. Denn für die Bildung einer Regierung ist es nicht ausreichend, wenn sich allein die beteiligten Personen am Verhandlungstisch auf einen Kompromiss einigen. Über den Koalitionsvertrag stimmen ganz am Ende des Prozesses die Parteien ab. Bei der CDU passiert das auf einem kleinen Parteitag, bei der CSU reicht ein Vorstandsbeschluss. Die SPD plant dagegen eine Abstimmung aller Mitglieder.
Fazit: Union und SPD formulieren in ihrem Sondierungspapier das Ziel, die irreguläre Migration deutlich zu reduzieren. Dies soll vor allem durch Zurückweisungen an der deutschen Grenze erreicht werden, die "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" erfolgen sollen. Wie eine solche Abstimmung praktisch aussehen soll, wird aktuell sehr kontrovers diskutiert. Vertreter von CDU und SPD sind sich hier nicht einig. Auch die übrigen Maßnahmen, wie z.B. das Aussetzen des Familiennachzugs oder Rückführungen nach Afghanistan und Syrien, dürften bei den Koalitionsverhandlungen weiterhin für Diskussionen sorgen.
Stand: 13.03.2025
Autor: Tim Berressem