So., 02.07.17 | 23:35 Uhr
Performance, Politik, Protest - Künstler gegen G20 Hamburg
Lehmverkrustet gegen G20: Proben zur Performance "1000 Gestalten". Die sollen am Mittwoch in der Hamburger City zusammenströmen, grau von Kopf bis Fuß, bedrückt und stumm. "Was wir damit ausdrücken wollen ist eine Befürchtung, die in unserer Gesellschaft entsteht", sagt Gudrun Schoppe: "Dass wir eine Gesellschaft sind, die hilflos ist, die in der Sprachlosigkeit versinkt, die nicht weiß, wie sie sich äußern, beteiligen kann und auch Einfluss nehmen kann auf die Verhältnisse."
Ein neues Gefängnis nur für Demonstranten
Hamburg rüstet sich. Die Stadt ist eine große Sicherheitszone. Versammlungsverbote, eingeschränkte Bürgerrechte – und ein neues Gefängnis, nur für Demonstranten. Die Proteste gegen G20 sollen die Mächtigen nicht stören. Aber ob diese wirklich über das Wohl aller Menschen oder nur über nationale Wirtschaftsinteressen beraten - wer weiß das schon. "Stacheldraht, 20.000 Polizisten, kein Journalist im Saal, kein Bürger auf der Tribüne, der zuhören kann, was da diskutiert wird – eine total illegitime Herrschaftsstruktur", sagt der Soziologe Jean Ziegler. Und Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard beschreibt es so: "Man kann ja nicht Globalisierung verhindern, Globalisierung ist ja Entwicklung. Wir leben in einer medial vernetzten Welt, haben Zugang in alle Kontinente, der Warenaustausch geht weltweit. Aber es entstehen viele Probleme, zwischen der Nord- und Südhalbkugel, zwischen arm und reich, auch in unseren wohlhabenden Ländern. Und man hat das Gefühl, dass die Globalisierung sehr wirtschaftsgetrieben ist und man eigentlich mehr wieder zurückdenken muss an die Menschen."
"Global Citizen"-Konzert für weltweite Gerechtigkeit
Mit Musik für weltweite Gerechtigkeit. Coldplay oder U2 traten schon bei "Global Citizen"-Konzerten auf, bei denen man die Karten nicht kaufen kann. Nur, wer sich ehrenamtlich engagiert, kommt rein. So ein Megaevent findet am Vorabend des Gipfels in Hamburg statt. Mit dabei: Andreas Bourani. "Es geht überhaupt nicht gegen G20, im Gegenteil", sagt er. "Ich bin jemand, der auch an eine Welteinheit glaubt, an die Globalisierung, an ein Miteinander glaubt. Aber es geht darum, auf Humanismus aufmerksam zu machen, Mitmenschlichkeit und auch das Ungleichgewicht, das in der Welt einfach herrscht."
Stimmung schaukelt sich hoch
30 Millionen Euro sollen allein die Sicherheitsvorkehrungen für den Gipfel kosten. Und was dabei rauskommt, weiß keiner. Die Stimmung schaukelt sich hoch. Linksautonome rufen zur Demo, Randale kalkuliert: "Welcome to Hell". Rapper Johnny Mauser hat den Mobilisierungssong geschrieben. Propaganda von links. "Das ist wirklich ein Punkt, an dem es symbolisch darum geht, den Leuten wie Trump und Erdogan zu zeigen, so geht es nicht weiter, so eine autoritäre Politik ist für uns nicht hinnehmbar, und deswegen werden wir auf den Putz hauen. Und wenn dabei auch mal Scherben entstehen, dann ist das eine Sache, die im Verhältnis zu der Gewalt, die täglich herrscht, für mich lange nicht so schlimm ist und wo ich mich nicht von distanzieren will." Der Soziologe Jean Ziegler sagt: "In einer Demokratie braucht es keine Gewalt, da ist jede Anwendung von Gegengewalt politisch unsinnig, unnütz und total zu verurteilen."
Mit Kunst und Fantasie die Gesellschaft verändern
Im Hamburger Gängeviertel setzt man auf Kunst und Fantasie für die Veränderung der Gesellschaft. In der Gipfelwoche wird das links-alternative Zentrum zur Oase für alle Demonstranten, ein offener Begegnungsort. "Wir werden hier Workshops haben, es gibt das antifaschistische Jodeln, es gibt Ausstellungen, Lesungen, Performances, Infoveranstaltungen", erklärt Hannah Kowalski. In unmittelbarer Nähe zum Tagungsort heißt das Motto: Alles allen. "Lieber tanz' ich als G20": Die meisten Proteste werden friedlich sein. Aber die Stimmung ist angespannt. Die fast schon militärische Aufrüstung in der Stadt macht Angst. Und vermittelt leider den Eindruck: Die Bürger, wir, müssen draußen bleiben. Aber: Die Zukunft unseres Planeten geht uns alle an. "Das sollte man nicht allein den Bürokraten überlassen, sondern es fehlt der große gesellschaftliche Pakt und dafür plädieren viele der friedlichen Gegner. Überlassen wir nicht alles der Politik, nehmen wir die Dinge selber in die Hand", sagt Kampnagel-Intendantin Deuflhard.
Dafür steht die Performance "1000 Gestalten". Am Mittwoch sollen sich die grauen Lehmmenschen aus der Erstarrung befreien und sich in etwas Positives verwandeln, in ein Bild der Solidarität.
(Beitrag: Natascha Geier)
Stand: 09.07.2017 11:50 Uhr
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