So., 08.07.18 | 22:45 Uhr
Verklärte Geschichtspolitik
Polens patriotischer Blick auf die Vergangenheit
Der politische Kampf in Polen hat auch die Kultur erfasst. Seit drei Jahren ist die nationalkonservative PiS-Partei an der Macht – und führt kontinuierlich ihren versprochenen "guten Wandel" durch. Sie reformiert nicht nur die Justiz und stellt sich auf Konfrontationskurs mit der EU, sondern entlässt auch kritische Journalisten im öffentlichen Fernsehen oder tauscht Museumsdirektoren aus.
Ein zentrales Schlachtfeld: die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit. Ein neues Gesetz über das "Institut des Nationalen Gedenkens" stellt Äußerungen unter Strafe, die Polen mit dem Holocaust in Verbindung setzen. Wegen internationaler Proteste wurde es zwar etwas entschärft, doch ändert das nichts am Kurs der Regierung: Die Freiheit von Wissenschaft und Kunst wird mehr und mehr beschnitten. Kritische Filme und Magazine sollen nicht mehr gefördert werden. Stattdessen konzentriert man sich lieber auf die polnischen Soldaten des Zweiten Weltkriegs und feiert sie als Freiheitskämpfer und große Patrioten.
Schon Ende letzten Jahres kam ein Film in die Kinos, der diesem Geschichtsbild widerspricht. Regisseur MaciejSobieszczański drehte das Historiendrama "Zgoda" über eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte seines Landes. Nach der Vertreibung der Wehrmacht aus Polen wurden vor allem in Schlesien KZs der Nazis zu Gefängnislagern umgewandelt. Nicht nur für deutsche Gefangene, sondern auch für Kollaborateure und all jene Schlesier, die zu den "Volksdeutschen" zählten.
Ein Thema, über das in Polen gerne geschwiegen wird. Sobieszczański sieht in seinem Werk, das nun auf DVD erschienen ist, ein Mittel, um aus der Vergangenheit zu lernen und alte Vergehen nicht zu wiederholen. Doch seit Fertigstellung des Films hat sich in Polen der Wind gedreht. Die PiS-Regierung wettert gegen "antipolnische Filme", die das Land eben nicht als heroisch darstellen. Und der Kulturminister Piotr Glinski verspricht, im zum Staatsfernsehen umgewandelten öffentlich-rechtlichen Sender, die Veränderungen weiter voranzutreiben.
"ttt" hat mit Maciej Sobieszczański und dem Kulturphilosophen Andrzej Leder in Warschau über den neuen Blick auf Polens Geschichte gesprochen.
Autor: Simon Broll
Stand: 01.08.2018 18:20 Uhr
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