So., 08.12.13 | 23:05 Uhr
Die Folgen der Automatisierung
Was es bedeutet, wenn Maschinen den Menschen ersetzen
Wie werden wir morgen arbeiten? Diese Frage beschäftigt immer mehr Menschen. Doch darüber, wie die Arbeitswelt heute und in Zukunft aussieht, wissen wir nur wenig.
Entdeckungsreise zu den Maschinen
Constanze Kurz und Frank Rieger haben für ihr gerade erschienenes Buch "Arbeitsfrei" eine Entdeckungsreise unternommen: zu den Maschinen, die uns heute schon ersetzen, und in die Labors und Fabriken, in denen an der Arbeitswelt von morgen geforscht und gebaut wird.
"Viele Fabriken werden in Zukunft weitgehend automatisiert sein. Dort wird der Mensch in der Minderheit sein. Das bedeutet, dass er sich nach den Erfordernissen der Roboter, mit denen er zusammenarbeitet, richten muss. Das wird eine ganz eigene Belastung und Entfremdung mit sich bringen", sagt Constanze Kurz.
Der Ist-Zustand
Dass in einer Reihe von Produktionszweigen Menschen längst eine immer untergeordnetere Rolle spielen, zeigen die Autoren im ersten Teil ihres Buches sehr anschaulich am Beispiel der Agrar- und Lebensmittelindustrie. Ob auf dem Feld oder im Kuhstall, ob in Mühlen oder Backstuben, ob bei der Herstellung von Landmaschinen oder der Distribution von Brot - überall haben hier Maschinen bereits übernommen, gibt die Software den Takt vor.
Blick in die Zukunft
Damit ist die Entwicklung allerdings längst nicht an ihr Ende gelangt. Um besser zu verstehen, auf welche Welt wir zusteuern, wagen Costanze Kurz und Frank Rieger auch einen Blick in die Zukunft: auf selbstfahrende Autos und kuschelnde Roboter, Drohnen und ferngesteuerte Operationswerkzeuge.
Was sich noch wie Science Fiction anhören mag, ist in Teilen schon Wirklichkeit. Bereits heute werden ferngesteuerte Roboter bei Operationen eingesetzt, feuern unbemannte Drohnen zielgenau Bomben ab, bauen Roboterstraßen Autos. Im kommenden Jahr soll in den USA das erste Fastfood-Restaurant eröffnen, in dem vor allem Roboter arbeiten. Und gerade erst ließ das US-Internetkaufhaus Amazon wissen, dass es demnächst Bestellungen mit Hilfe von Helikopter-Drohnen ausliefern will.
Automatisierung des Geistes
Dabei wird die fortschreitende Automation und Roboterisierung auch jene Gebiete erfassen, in denen es um unsere kognitiven Fähigkeiten geht. "Roboter lernen gerade, mit anderen Robotern zu kommunizieren, Situationen zu analysieren und damit selbstständig zu lernen wie ein Mensch. Damit sind sie in der Lage, Entscheidungen selbstständig zu treffen. Diese Entwicklung wird die industrielle Produktion entscheidend verändern", sagt Professor Frank Kirchner, einer der führenden deutschen Robotiker vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz Bremen.
Die mit der Beschleunigung von Kommunikation und Datenverarbeitung und "intelligenter" werdenden Algorithmen einhergehende Automatisierung des Geistes wird nicht ohne Folgen für Berufsgruppen wie Anwälte, Banker, Unternehmensberater oder Journalisten bleiben. Bereits heute ist etwa Software auf dem Markt, die Artikel schreibt und in der Börsen- und Sportberichterstattung zum Einsatz kommt.
Fruchtbare Symbiose von Mensch und Maschine
Doch Constanze Kurz und Frank Rieger liegt es fern, Angst vor neuen Rationalisierungswellen zu schüren und eine verstörende Dystopie zu entwerfen. Damit wir nicht zu Verlierern in einem von Maschinen dominierten (Arbeits-)Alltag werden, ist es ihrer Ansicht nach das Gebot der Stunde, sich die Konsequenzen einer digitalisierten und automatisierten Wirtschaft für unsere Gesellschaft und unsere Sozialsysteme zu vergegenwärtigen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.
"Die Gesellschaft muss darüber debattieren, wie sie mit der Automatisierung umgehen will", sagt Frank Rieger. "Bisher beruht unser Steuersystem weitgehend auf Lohn- und Einkommensteuer. Wenn aber massenweise Jobs durch Automatisierung verloren gehen, muss man sich überlegen, ob man etwa eine Steuer auf Automatisierungsgewinne erhebt. Wie man diese Gewinne dann sozialisiert, etwa über ein allgemeines Grundeinkommen oder andere Modelle, darüber müssen wir diskutieren."
Nur so kann es nach Meinung der Autoren gelingen, positive Visionen für eine fruchtbare Symbiose von Mensch und Maschine zu entwickeln.
Die Autoren
Constanze Kurz ist Informatikerin und arbeitet als wissenschaftliche Projektleiterin am Forschungszentrum für Kultur und Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Bekannt geworden ist sie als Sprecherin des Chaos Computer Clubs sowie als Sachverständige in der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundestages. In der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schreibt sie vierzehntäglich die Kolumne "Aus dem Maschinenraum". Sie hat mehrere Bücher zum Thema Datenschutz veröffentlicht.
Frank Rieger ist technischer Geschäftsführer eines Unternehmens für Kommunikationssicherheit. Er ist einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs und Mitgründer von Startup-Unternehmen in den Bereichen Datensicherheit, Navigationsdienste und E-Reading. Zusammen mit Constanze Kurz veröffentlichte er 2011 das Buch "Die Datenfresser: Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen" (S. Fischer).
Buchtipp
Constanze Kurz/Frank Rieger: Arbeitsfrei.
Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen
Riemann Verlag 2013, Preis: 17,99 Euro
Stand: 03.02.2014 10:30 Uhr
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