SENDETERMIN So., 03.02.08 | 17:03 Uhr | Das Erste

Scharfe Gewürze

Die geschmackliche Schärfe ist kein Geschmack, sondern ein Schmerzempfinden. Der Stoff, der das stärkste Schärfegefühl erzeugt, ist Capsaicin aus der Chili-Schote.

Capsaicin wirkt auf Wärme-Rezeptoren, wodurch chemisch ein Hitze- oder Schmerzreiz ausgelöst wird. Da diese Empfindung nicht auf eine tatsächliche Temperaturerhöhung zurück geht, können auch kalt genossene scharfe Speisen als "heiß" wahrgenommen werden. Die Schärfe von Speisen wird nur zusätzlich unmittelbar durch ihre Temperatur mitbestimmt. Scharf gewürzte Speisen schmecken schärfer, je heißer sie serviert werden.

Die Chilis

Chilis sind die scharfen Verwandten der Gemüsepaprika. Ihre Schärfe ist direkt abhängig von der Menge an Capsaicin, die in der Scheidewand der Früchte produziert werden.

Die Schärfeskala

Es gibt zehn Schärfegrade, die Einheit ist Scoville. Schärfegrad 1, dazu gehört die Paprika, geht bis 500 Scoville. Bis 1000 schärfen die üblichen Pepperoni aus dem Glas auf Stufe 2, 2.500 Scoville machen die Cayenne-Chilis und dann geht’s richtig los. Thai-Chilis kommen auf 50.000 Scoville und Habanero-Chili- Pulver schafft 500.000 Scoville auf Stufe 10. Reines Capsaicin hat übrigens eine Schärfe von 16 Mio. Scoville. Die Grenze für das menschliche Schärfeempfinden liegt bei 1 Mio Scoville. Darüber hinaus kann der Schmerz nicht gesteigert werden.

Der Versuch

Moderator Dennis Wilms wollte es selbst wissen. Wo liegt seine persönliche Schärfe- bzw. Schmerzgrenze? Und was passiert dabei in seinem Körper?

Dennis wird die einzelnen Schärfegrade durchprobieren, von mild nach sehr scharf. Die Grundlage bildet ein Reiscurry ohne scharfe Gewürze. Die Schärfe kommt durch Chilisoßen, die den Schärfegraden 1-10 entsprechen.

Heike Lemberger, Ökotrophologin der Universität Hamburg, erklärt, was die Schärfe mit Dennis macht.

Schärfe 4

Dennis steigt sportlich ein: 1500 – 2500 Scoville, das ist die Schärfe von Stufe vier. Drei Tropfen der Soße werden unter sein Essen verrührt. Er zeigt sich unbeeindruckt, dafür empfindet er das Reiscurry als viel Würziger.

Heike Lemberger: "Das Capsaicin in der Chili trifft in der Haut, vor allem in unserer Schleimhaut, zwei Rezeptoren. Der eine Rezeptor ist für zuständig für Hitze und der andere für Schmerzen, so dass man sagen kann: Schärfe ist also ein Hitze- und Schmerzgefühl und kein Geschmack. Die einfache Formel: Je schärfer das Essen ist, desto größer der Schmerz."

Schärfe 7

Dennis will eine deutliche Steigerung: 15.000-30.000 Scoville, das ist Stufe sieben. Diesmal reagiert er auf die drei Tropfen mit einem Schweißausbruch, auch die Stimme wirkt belegt. Dennis will wissen, warum man eigentlich in warmen Ländern ausgerechnet scharf essen soll?

Heike Lemberger: "Die Schärfe bewirkt, dass die Darmaktivität verstärkt ist und dann sind die Erreger auch nicht solange im Körper. Und damit schützt man sich im Endeffekt auch vor Infektionskrankheiten."

Chilis töten Bakterien – ein Märchen

Der Schärfe wird ja auch nachgesagt, dass sie keimtötend wirkt. [W] wie Wissen lies deshalb Capsaicin-Lösung in einem Hygienelabor untersuchen. Auf einem Nährmedium mit Lebensmittelkeimen soll sich zeigen, ob der Schärfestoff Einfluss auf das Bakterienwachstum hat. Nach 24 Stunden herrscht Klarheit: Capsaicin wirkt nicht keimtötend. Die Bakterien wachsen ungebremst – sogar auf den Wirkstoffplättchen.

Schärfe neun

Wie wird der Moderator auf Schärfe neun reagieren. Es warten: 100.000 Scoville. Wohl bekommt’s! Die drei Tropfen haben es in sich. Dennis hat Mühe zu sprechen. Er schwitzt, er hechelt, er weint. Dennis bricht ab und sucht nach Linderung. Er darf sich zwischen Milch und Wasser entscheiden und nimmt das Wasserglas.

Falsche Entscheidung Dennis!

Schärfe will kein Wasser

Ein Mischversuch der Substanz Capsaicin je mit Wasser und Öl, macht klar warum: Capsaicin löst sich gut in Fett und würde in der Milch für den Abtransport der Schärfe von den Rezeptoren sorgen. Capsaicin ist hydrophob, d.h. im Wasser geht der Schärfestoff nicht in Lösung, es bilden sich nur kleine, scharfe Tröpfchen und die verteilen sich optimal im Mund

Ist Capsaicin gesund oder schädlich?

Capsaicin reizt die Nervenenden, die das Wärmegefühl weiterleiten. Je stärker die Reizung, desto brennender der Schmerz. Allerdings desensibilisiert Capsaicin die Enden der Schmerzrezeptoren und so gewöhnt man sich an scharfe Speisen relativ schnell. Deshalb wirkt Capsaicin auch bei Verdauungsstörungen (Dyspepsie). Die Schärfe betäubt die gereizten Nerven.

Wieviel Schärfe ist gesund
Dieser Frage näherten sich italienische Wissenschaftler. Sie verabreichten Patienten mit Verdauungsstörungen täglich 2,5 g scharfes Paprikapulver. Nach fünf Wochen zeigte sich eine Verminderung der Symptome um etwa 60 Prozent bei den Patienten. Das hat bisher noch kein chemisch erzeugtes Medikament geschafft.

Autor: Uwe Leiterer

Adressen

Gewürzmuseum

Am Sandtorkai 32
20457 Hamburg
Telefon: 040 / 36 79 89
Telefax: 040 / 36 79 92

Internet: www.spicys.de

Literatur

Das Standardwerk rund um die Chilis:
Das Chili Pepper Buch
- Anzucht, Rezepte, Wissenswertes

Harald Zoschke
Schönberg-Verlag 1997
ISBN 3-924685-05-3

Die deutsche Bibel über Capsicum:
Paprika - Gewürz und Gemüse

Teubner, Schönfeldt, Lundberg
Teubner Edition
ISBN 3-7742-1776-9

Kurze Einführung in die Gewürz- und Kräuterkunde, mit Rezepten:
Teufelsküche
- Höllisch scharfe Sachen

Cristina Moles Kaupp
dtv-Verlag 2000
ISBN 3-423-36169-7

Stand: 11.05.2012 13:00 Uhr

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So., 03.02.08 | 17:03 Uhr
Das Erste

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