So., 15.02.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Das Geheimnis der Hühnersuppe
Hühnersuppe – seit Menschengedenken ein Hausmittel: Bereits im Altertum wurde seine Heilwirkung beschrieben, zur Stärkung empfehlen Hebammen den Wöchnerinnen diese Suppe bis heute. Aber auch bei Erkältungen hilft die heiße Brühe.
Viele Amerikaner bekämpfen alles Mögliche mit Hühnersuppe, die sie "Jewish Penicillin" nennen. Für Aufsehen sorgte eine amerikanische Studie, die nachweisen konnte, dass dieses Hausmittel tatsächlich einen positiven Effekt bei grippalen Infekten hat – und erst kürzlich entdeckten japanische Forscher, dass die gesundheitsfördernde Wirkung noch weit über den Einsatz als Erkältungsmittel hinaus geht.
Hühnersuppe lässt Schleimhäute abschwellen
Dr. Stephen Rennard, Lungenspezialist an der Universität Nebraska, entschlüsselte das Geheimnis der Hühnersuppe bei Infekten. Er analysierte das Familienrezept seiner Frau und fand heraus: Zu Beginn einer Erkältung werden viel zu viele weiße Blutzellen in die Nasenschleimhäute transportiert. Und genau hier greift die Hühnersuppe ein: "Wir konnten zeigen, dass Omas Hühnersuppe eine leichte, aber deutlich messbare Fähigkeit hat, den Transport dieser Zellen zu reduzieren", verkündete Rennard nicht ohne Stolz. Wer Hühnersuppe isst, dessen Schleimhäute schwellen wieder ab. So lindert die Suppe tatsächlich Erkältungs-Symptome. Doch welcher Stoff genau dafür verantwortlich ist, blieb bis heute ein Rätsel.
Auch bei Kreislaufproblemen: Hühnerbrühe!
Und die Hühnersuppe kann noch mehr: Gerade haben japanische Forscher die verblüffende Entdeckung gemacht, dass sie auch eine blutdrucksenkende Wirkung hat. "Ehrlich gesagt, waren die Ergebnisse auch für mich eine große Überraschung", sagt die Wissenschaftlerin Dr. Ai Saiga-Egusa, "aber in Japan und generell im Orient ist es Tradition, dass man bei Kreislaufproblemen oder Schlaganfällen Hühnersuppe trinkt."
Vor sieben Jahren tauchten bereits erste Hinweise auf, dass Hühnerfleisch eine leicht blutdrucksenkende Wirkung haben kann. Das Forscherteam vermutete in Hühnerfüßen eine größere Menge des Stoffes, der den Blutdruck sinken lässt. Tatsächlich wurden sie fündig und konnten diesen natürlich vorkommenden Stoff, ein sogenanntes Kollagen-Hydrolysat, extrahieren. Die Testphase zeigte, dass die tägliche Dosis von nur drei Gramm, also einer Messerspitze, für einen positiven Effekt genügt. Selbst hoher Blutdruck wird effektiv gesenkt. Größter Vorteil des Blutdrucksenkers aus Hühnerbeinen: Er hat absolut keine Nebenwirkungen, die bei Medikamenten durchaus auftreten können.
Dr. Saiga-Egusa und ihr Team bieten den Stoff nun als natürlichen Blutdrucksenker der Lebensmittelindustrie an. Etwa als Beimischung für Erfrischungsgetränke. Solche funktionellen Lebensmittel, denen gesundheitsfördernde Stoffe zugesetzt werden, sind in Japan sehr beliebt. Die Auflagen sind streng, erlaubt sind nur natürliche Zusätze, die nachweislich die Gesundheit verbessern müssen.
In Europa hingegen sind funktionelle Lebensmittel umstritten. Dabei gäbe es dafür Bedarf: Allein in Deutschland nehmen 20 Prozent der Bevölkerung blutdrucksenkende Medikamente ein. Blutdrucksenkende Lebensmittel wären für Pharmafirmen eine ernsthafte Konkurrenz.
Adressen & Links
Kurzfassung der japanischen Studie "Angiotensin I-Converting Enzyme-Inhibitory Peptides Obtained from Chicken Collagen Hydrolysate" im Journal of Agriculture and Food Chemistry (engl.).
Internet: [pubs.acs.org]
Autor: Wolfgang Zündel
Stand: 11.05.2012 13:00 Uhr