So., 10.06.12 | 17:00 Uhr
Borreliose – eingebildete Krankheit?
Unterschätzte Gefahr oder übertriebene Panikmache?
Eigentlich ist die Borreliose eine ganz normale Infektionskrankheit, die von Zecken übertragen wird. Eigentlich - denn so richtig "normal" geht es bei der Borreliose nicht zu: Um diese Krankheit tobt ein sehr ungewöhnlicher, heftiger Streit. Im Kern geht es in dem Konflikt darum, wie gefährlich die Borreliose ist und wie genau sie diagnostiziert und wie sie behandelt werden muss.
Die Übeltäter
Erreger der Borreliose sind bewegliche, spiralförmige Bakterien, die bei einem Zeckenstich übertragen werden können: Borrelien. Diese Bakterien wurden erst in den 1980er-Jahren entdeckt, nachdem einige Jahre zuvor in der amerikanischen Kleinstadt Lyme eine Häufung von auffälligen Erkrankungen untersucht worden war. Daher auch der weitverbreitete Name Lyme-Borreliose für die Krankheit.
Die Borrelien haben sich an ihren Überträger, die Zecke, sehr gut angepasst. Sie bilden an ihrer Oberfläche kleine Haken aus, mit denen sie sich in die Darmwand der Zecke einhängen. Wenn die Zecke mit der Blutmahlzeit beginnt, bauen die Borrelien diese Haltehaken ab, verlassen den Zeckendarm und gelangen über die Speicheldrüse des Spinnentiers in die Wunde des Opfers. Dieser Vorgang kann mehrere Stunden in Anspruch nehmen - deshalb kann durch das möglichst frühe Entfernen der Zecke eine Infektion verhindert werden. Der beste Schutz vor einer Borreliose. Dafür wird die Zecke unmittelbar über der Haut, zum Beispiel mit einer feinen Pinzette, gegriffen und herausgezogen, ohne den Hinterleib der Zecke zu quetschen. Anschließend die Wunde desinfizieren.
Die Infektion
Sind die Borrelien aber erst einmal in die Wunde des Opfers gelangt, können sie dort vom Zeckenspeichel sogar vor der körpereigenen Abwehr des Opfers eine Zeit lang geschützt werden. Der Zeckenspeichel enthält übrigens auch eine Art Betäubungsmittel, so dass der Zeckenstich meist nicht zu spüren ist. Sobald das Immunsystem die Eindringlinge erkennt, reagiert es mit einer Entzündungsreaktion. An der Haut ist dann eine entzündliche Rötung zu sehen. Weil die Borrelien sich in der Haut aktiv kreisförmig ausbreiten, wandert die rötliche Entzündung mit den Bakterien: Es kommt zu einem roten Fleck, der immer größer wird und dabei in der Mitte schon wieder verblassen kann - die sogenannte Wanderröte. Dieses eigentlich typische erste Symptom tritt zwar fast immer auf, wird aber dennoch leicht übersehen oder nicht als Wanderröte erkannt, denn nicht immer sieht es lehrbuchmäßig aus.
Einmal erkannt sollte eine Wanderröte mit Antibiotika behandelt werden, eine rund zweiwöchige Therapie gilt als ausreichend. Wird die Wanderröte übersehen oder auch wenn gar keine Wanderröte auftritt, was in einer geringen Zahl von Fällen vorkommen kann, können sich die Borrelien im Organismus ausbreiten. Dabei können sie von der körpereigenen Abwehr entdeckt und vernichtet werden, die Borreliose heilt dann von selbst aus.
Borreliose im fortgeschrittenen Stadium
Gelingt es dem Immunsystem aber nicht die Borrelien zu vernichten, können sie verschiedene Organe befallen und mitunter massive Probleme verursachen. Typisch sind beispielsweis Gelenkbeschwerden, vor allem am Kniegelenk oder, wenn Nerven attackiert werden, neurologische Beschwerden wie Schmerzen und Lähmungen. Auch in der Haut können sich die Borrelien einnisten und zu jahrelangen Infektionen führen.
Weil sich die Patienten oftmals weder an einen Zeckenstich noch eine Wanderröte erinnern, kann die Diagnose einer Borreliose in diesem fortgeschrittenen Stadium schwierig sein. Zumal die Bakterien selbst nur schwer nachzuweisen sind. Meist gelingt ein Labornachweis deshalb nur indirekt, in dem Antikörper gegen die Borrelien nachgewiesen werden. Mit solchen Antikörpern verteidigt sich der Körper nach einer gewissen Zeit in der Regel immer gegen solche Infektionen. Allerdings sind die Antikörper nur ein Hinweis, dass das Immunsystem sich schon einmal mit Borrelien auseinandergesetzt hat. Der Nachweis von Antikörpern ist aber kein Beweis, dass diese Auseinandersetzung just in diesem Moment stattfindet. Einen verlässlichen Labortest, mit dem sich eine solche akute Borrelien-Infektion nachweisen lässt, gibt es bislang leider nicht.
Folgeschäden
Wird eine Borreliose in einem dieser späten Stadien schließlich entdeckt, wird auch sie mit Antibiotika behandelt. In der Regel reicht dabei eine Therapie von zwei bis vier Wochen, wobei das Antibiotikum mitunter aber per Infusion gegeben werden muss. Wenn die Borrelien zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits größere Schäden angerichtet haben, können Restbeschwerden bleiben - auch nach einer erfolgreichen Antibiotika-Therapie, bei der alle Borrelien vernichtet wurden. Diese Restbeschwerden können meist mit anderen, symptomatischen Therapien, wie etwa Schmerzmitteln, gelindert werden. In seltenen Fällen können aber auch massive Beeinträchtigungen zurückbleiben.
Die Borreliose ist also durchaus eine ernstzunehmende Krankheit, insbesondere wenn sie längere Zeit übersehen wird. In der Regel aber ist sie - nicht zuletzt wegen der Wanderröte - gut zu erkennen und gut behandelbar.
Wo ist das Problem?
Ein Problem liegt auf der Hand: Die Borreliose macht einigen Ärzten noch immer Probleme bei der Diagnose. Dadurch kann es zu langwierigen, chronischen Verläufen der Borreliose kommen. Werden betroffene Patienten aber erst sehr spät behandelt, führt das mitunter zu ernsthaften Folgeschäden der vorangegangenen Infektion.
Bei der Borreliose kommt aber auch noch ein anderes, sehr ungewöhnliches Problem dazu: Es gibt nämlich viele Menschen, die fest überzeugt sind, dass sie unter einer chronischen Borreliose leiden - obwohl es dafür mitunter keinerlei wissenschaftlich anerkannten Nachweis gibt.
Diese Menschen sind nicht etwa "eingebildete" Kranke oder Hypochonder, sondern Menschen die tatsächlich und ohne Frage massive gesundheitliche Probleme haben. Das können Schmerzen sein, Konzentrationsstörungen, Gelenkbeschwerden und vieles mehr -und nicht zuletzt auch psychosomatische Beschwerden. Für solche Symptome lässt sich oft keine einfache, befriedigende Erklärung finden. Die Folge: Betroffene Patienten wandern verzweifelt von Arzt zu Arzt, immer in der Hoffnung, nun endlich eine Erklärung für ihr Leiden zu finden und damit eine Chance auf Heilung. Wer sich nur kurz in die schlimme Lage eines solchen Menschen versetzt, wird das leicht nachvollziehen können. In unserem Gesundheitssystem fallen diese chronisch Kranken viel zu oft durchs Raster. Sie bekommen keine wirkliche Hilfe und werden mit ihren Problemen allein gelassen. Früher lautete die "Diagnose" bei solchen Menschen beispielsweise "Amalgam-Opfer". Heutzutage bekommen sie oft den Stempel "chronische Borreliose".
Die Borrelianer
Es gibt eine kleine, aber sehr rege Gruppe von Borreliose-Aktivisten und Ärzten, die sich der Krankheit verschrieben haben. Sie behaupten, dass die Borreliose sehr häufig unerkannt bleibt und dann in vielen Fällen chronisch verläuft. So eine "chronische Borreliose" ist dann aber angeblich nicht mehr mit einer üblichen Antibiotika-Therapie zu bekämpfen. Da braucht es, so behaupten sie, extrem lange Antibiotikagaben, über viele Monate bis hin zu Jahren. Begründet wird das unter anderem mit allerlei Fähigkeiten der Borrelien: Etwa dass diese sich "verstecken" könnten oder auch eine "Zystenform" bilden, in der sie unempfindlich gegen Antibiotika seien. Deshalb käme es auch häufig vor, dass die Borrelien nach einer "zu kurzen" Antibiotika-Therapie weiter im Körper ihr Unwesen treiben und eben besagte "chronische Borreliose" verursachen.
Alles Borreliose?
Für die Diagnose "chronische Borreliose" setzten Ärzte, die von diesem Konzept überzeugt sind, unter anderem sehr weit gefasste und in vielerlei Hinsicht unspezifische Symptom-Checklisten ein. Das können über 150 verschiedene Symptome sein: von Kopf- über Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung, Schwitzen oder Frösteln bis hin zu Blähungen. Und all diese Symptome können angeblich ihre Ursache in einer unerkannten chronischen Borreliose haben. Die meisten dieser Symptome sind allerdings so unspezifisch, dass es vielen Menschen ab einem gewissen Alter schwer fallen dürfte, nicht das eine oder andere zu finden, was sie auch schon mal geplagt hat. Der Kreis möglicher Borreliose-Opfer ist folglich groß, wenn man mit solchen unspezifischen Listen arbeitet.
Fragwürdige Labortests
Die "Borreliose-Ärzte" setzen auch eine ganze Reihe von äußerst umstrittenen Labortests ein, um eine "chronische Borreliose" zu beweisen. Besonders häufig wird der Lymphozyten-Transformationstest, kurz LTT, eingesetzt. Dabei handelt es sich zwar grundsätzlich um ein etabliertes Laborverfahren, aber eben eines, das als Nachweisverfahren für die Borreliose keineswegs anerkannt ist. Unter anderem gilt der LTT als unzuverlässig, weil er viel zu häufig auch bei gesunden Kontrollpersonen eine Borreliose "nachweist". In wissenschaftlich etablierten Leitlinien zur Diagnose und Behandlung der Borreliose wird daher sogar explizit von diesem Test abgeraten. Ebenso vom sogenannten CD-57-Test oder auch dem "Graustufentest". All diese Tests werden von der Kasse übrigens in der Regel nicht erstattet, müssen also selbst bezahlt werden.
Wenn solche ungeeigneten Tests bei Menschen durchgeführt werden, die irgendwelche unspezifischen und sehr häufigen Beschwerden haben, ist die Gefahr groß, dass viele dieser Patienten fälschlich eine "chronische Borreliose" attestiert bekommen.
Riskante extreme Antibiotika-Therapien
Steht erst einmal die Diagnose "chronische Borreliose", folgt die Therapie - und die hat es in sich. Antibiotika-Tabletten und Antibiotika-Infusionen - über mehrere Monate, ja sogar jahrelang. Die Krankenkassen zahlen auch diese Extrem-Therapien in der Regel nicht. Die sind aber nicht nur teuer, sie können auch zu ernsthaften Nebenwirkungen führen und den Patienten schädigen bis hin zur Lebensgefahr. Solche Therapien sind also gefährlich. Gleichzeitig gibt es keine anerkannten wissenschaftlichen Belege für den Nutzen dieser Extrem-Therapien. In wissenschaftlich anerkannten Leitlinien und zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird deshalb von solchen Therapien explizit abgeraten. Kein Wunder, warum sollte man einem Patienten hohe Risiken bei einem fragwürdigen Nutzen zumuten?
Pseudowissenschaftliches Tamtam
Für Laien, aber auch für viele Ärzte, ist das Treiben der Borreliose-Aktivisten und Borreliose-Ärzte nur schwer zu durchschauen. Denn für alles und jedes führen sie wissenschaftliche Studien an oder zumindest das, was sie für wissenschaftliche Studien halten. Darunter sind einige tatsächlich gut gemachte Studien, aber auch viele Studien, die einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Das Problem: Auf den ersten Blick sieht vieles von dem, was da vorgebracht wird, irgendwie sehr wissenschaftlich aus. Es braucht einige wissenschaftliche Erfahrung und viel Zeit, um da Spreu von Weizen zu trennen. Dieser anstrengenden Fleißarbeit nehmen international renommierte Wissenschaftler aber immer wieder auf sich. Dabei hat sich immer und immer wieder gezeigt, dass die Behauptungen der Borreliose-Aktivisten eben nur das sind: unbewiesene Behauptungen.
Warum Studien nicht immer das beweisen was man glaubt
Es gibt viele Gründe, warum die vermeintlichen wissenschaftlichen Beweise, die von den Borreliose-Aktivisten vorgebracht werden, nicht taugen.
Eine hohe Zahl von Studien hat so große methodische Schwächen, dass ihre Ergebnisse von vornherein mehr oder minder wertlos sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn in Therapiestudien keine anerkannten und wissenschaftlich nachvollziehbaren Ein- und Ausschlusskriterien verwendet werden.
Bei einer großen Zahl von Studien handelt es sich lediglich um Laborversuche in Kultur oder in Versuchstieren. Deren Ergebnisse können aber nicht einfach auf den Menschen übertragen werden. Wenn sich Borrelien beispielsweise in einem Kulturmedium unter Zugabe unterschiedlicher Substanzen zu einer sogenannten Zyste umformen, beweist dies keinesfalls, dass dies irgendeine Bedeutung für den Verlauf der Krankheit im Menschen, geschweige denn für die Therapie hat.
In einigen Fällen gibt es in der Tat erstaunliche Ergebnisse, die auf den ersten Blick vieles in Frage stellen. Wenn es sich dabei aber eben nur um Einzelfälle beziehungsweise Raritäten handelt und keine reproduzierbaren Gesetzmäßigkeiten, die für die Klinik von Bedeutung sind, erkennbar sind, kommt solchen Forschungsergebnissen kein großes Gewicht zu.
Bei einer großen Zahl von Artikeln handelt es sich auch schlicht nicht um wissenschaftliche Veröffentlichungen, sondern lediglich um private Meinungsäußerungen einiger Ärzte (meist aus dem Internet), die schon rein formal nicht als wissenschaftliche Quelle taugen. Zumal vielen dieser Artikel keine eigene Forschungsarbeit zu Grunde liegt. Vielmehr wird darin lediglich in eigenen Worten eine Interpretation dessen wiedergegeben, was der jeweilige Autor in anderen "Quellen" gefunden zu haben glaubt.
In vielen Fällen ist leider auch so, dass in den Studien und Artikeln, auf die verwiesen wird, schlicht nicht das drin steht, was behauptet wird.
Ein Streit unter ungleichen Gegnern
In der Gesamtschau zeigt sich: Bei dem Streit um die Borreliose handelt es sich aus unserer Sicht nicht um einen normalen wissenschaftlichen Disput. Es stehen sich eben nicht zwei gleichwertige wissenschaftliche Ansichten gegenüber. Vielmehr steht in diesem Konflikt auf der einen Seite die wissenschaftlich etablierte und evidenzbasierte Medizin und auf der anderen Seite eine kleine Gruppe Aktivisten, die zwar viel behaupten und dabei sehr wissenschaftlich daherkommen, aber die wissenschaftlichen Beweise für ihre Behauptungen letztlich schuldig bleiben. Auf der Strecke bleiben dabei die vielen Patienten, die chronisch Kranken, die verzweifelt Hilfe suchen und sich von den Verfechtern der "chronischen Borreliose" Heilung erhoffen.
Das Erfolgsrezept der Borrelianer
Die unbewiesenen Behauptungen der Borreliose-Aktivisten und Borreliose-Ärzte haben eine enorme Verbreitung gefunden. Die Verfechter der "chronischen Borreliose" treten als gefragte Borreliose-Experten regelmäßig im Fernsehen auf, sind im Radio zu hören und verbreiten ihre Thesen in Zeitungen und Magazinen. Ganz zu schweigen vom Internet. Wer "Borreliose" eingibt, landet fast zwangsläufig auf ihren Seiten und auch die Wikipedia-Artikel rund um die Borreliose sind alles andere als verlässliche Quellen. Wild durcheinander stehen dort Fakten und unbewiesene Behauptungen.
Dass die Borrelianer, wie sie sich selbst teilweise nennen, einen derartigen Erfolg haben, liegt vor allem daran, dass viele ihnen zu unkritisch gegenübertreten.
Die Borrelianer in den Medien
Wenn Journalisten im Frühjahr wieder die Zecken-Bilder aus den Schubladen holen und "Borreliose" googlen, landen sie schnell bei den Borreliose-Selbsthilfegruppen und der Deutschen Borreliose Gesellschaft. In den Selbsthilfegruppen sammeln sich viele Menschen, die fest überzeugt sind, eine "chronische Borreliose" zu haben, in der Deutschen Borreliose Gesellschaft viele der Ärzte, die diesen chronisch Kranken ihre "chronische Borreliose" attestieren. Gemeinsam liefern sie das perfekte "Borreliose-Paket" für den alljährlichen Zeckenbeitrag. Wer käme denn schon auf den Gedanken, dass das "Borreliose-Opfer" vielleicht gar keine Borreliose hat, wenn es doch von einem Borreliose-Experten vermittelt wird?
Die "Deutsche Borreliose Gesellschaft" wird vielfach als ärztliche Fachgesellschaft bezeichnet. Gegründet wurde der Verein 2001 von drei Damen in Jena unter dem Namen "Initiativ- und Förderkreis Therapiezentrum Lyme-Borreliose e.V.". Das klingt nicht gerade nach ärztlicher Fachgesellschaft, aber seit der Verein unter "Deutsche Borreliose Gesellschaft" firmiert, ist das nicht mehr ganz so offensichtlich.
Die etablierten ärztlichen Fachgesellschaften haben sich übrigens in der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlich Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)zusammengeschlossen. Die AWMF koordiniert und veröffentlicht auch die etablierten Leitlinien für Diagnostik und Therapie zu allen möglichen Erkrankungen. Die Deutsche Borreliose Gesellschaft ist weder Mitglied in der AWMF, noch sind ihre "Leitlinien" wissenschaftlich anerkannt.
All das findet aber nur heraus, wer sich etwas eingehender mit der Materie beschäftigt. Im normalen Redaktionsalltag fehlt dazu oft die Zeit. Zudem gibt es bei einer medizinischen Fachgesellschaft normalerweise auch wenig Anlass zu grundsätzlichem Misstrauen. Wenn die selbsternannten Borreliose-Experten dann auch noch in allen anderen Medien ständig auftauchen, bestätigt das nur, dass man offenbar den richtigen Experten gefunden hat.
Im Ergebnis schaffen es die Borreliose-Aktivisten seit Jahren, das Bild der Borreliose in der Öffentlichkeit maßgeblich zu bestimmen - obwohl sie eigentlich nur eine kleine, unbedeutende Außenseitergruppe sind, die viel behauptet, aber wenig beweisen kann.
Fazit
Was bleibt? Eine kleine Gruppe von Ärzten, die mit wissenschaftlich nicht haltbaren Behauptungen viele Menschen verunsichert. Patienten, mit chronischen Beschwerden, die fest glauben, dass sie an einer Borreliose leiden - auch wenn alles dagegen spricht - und die eine vollkommen unbegründete Panik schüren.
Was die "Borrelianer" treiben, hat dabei schlimme Folgen.
In einer der renommiertesten wissenschaftlichen Zeitschriften der Welt, "The Lancet", wurde jüngst vor den Verfechtern der chronischen Borreliose gewarnt, weil ihr Handeln die öffentliche Gesundheit gefährde. In dem Artikel wird die Deutsche Borreliose Gesellschaft explizit genannt, wegen des Drucks, den die Deutsche Borreliose Gesellschaft ausübt, damit offizielle Stellen die umstrittene Langzeitantibiotika-Therapien akzeptieren.
Auf der Strecke bleiben Patienten, die mit unzuverlässigen Tests zu "Chronischen Borreliose"-Patienten gemacht werden.
Keine Frage: Die Borreliose ist eine ernst zu nehmende Krankheit und sie kann schwerwiegende Folgen haben. Aber das ist die Ausnahme. In der Regel ist sie gut zu erkennen und mit Antibiotika auch gut zu behandeln. Und wenn man nach den Blutsaugern sucht - nachdem man draußen war - und sie möglichst schnell entfernt, gibt es kaum Grund zur Sorge. Zecken mögen zwar wie Monster aussehen - aber die Zecken-Borreliose hat die moderne Medizin mittlerweile ganz gut im Griff.
Egal was die Borrelianer behaupten: Es gibt keinen Grund zur Panik vor den kleinen Blutsaugern.
Autor: Patrick Hünerfeld (SWR)
Stand: 11.06.2013 09:37 Uhr