Nadja Uhl im Interview
Katja führt eigentlich ein auf den ersten Blick perfektes Leben. Wie schafft es Daniel, sie aus der Balance zu bringen?
So perfekt kann ein Leben nicht sein, in das ein Fremder so leicht eindringen kann. Durch Daniel wird sie vielleicht an ihre Sehnsucht nach einem anderen Leben erinnert. An ein unkonventionelles Leben mit weniger Vernunft und weniger Grenzen.
Im Film haben Sie als junges Mädchen von einer Karriere als Rockmusikerin geträumt. Welche Jugendträume hatten Sie selbst und welchen möchten Sie vielleicht noch immer verwirklichen?
Alle meine Vorstellungen von einem guten Leben haben sich im Wesentlichen erfüllt. Ich wollte als Kind Familie, viele Tiere und ein Haus. Und immer in der Natur sein. Die Theatergruppe war das schönste Ereignis der Woche. Heute liebe ich meinen Beruf. Und am Ende wollte ich eine gute Oma werden. Das steht in einiger Ferne noch bevor.
Im Film sagen Sie, dass Sehnsucht etwas Schönes ist. Welche Sehnsüchte haben Sie?
Ich hätte so gern noch einmal das Zeitgefühl meiner Kindheit zurück. Diese stille Langeweile: Regentropfen am Fenster, die krakeligen Antennen auf den Dächern, Feuerwanzen beobachten, beim Wolkenbruch gemütlich auf der Treppe vor dem Haus sitzen und schauen, wie der Regen Blasen in den Pfützen macht, immer wieder versuchen, ob der saure Rhabarber im Garten schon schmeckt, dicke alte Rosen vor alten Bretterzäunen, die Stille des ersten Schnees, alte verfallene Ziegeldachhäuser vor denen Holunderbäume wachsen, Schwalben und zirrende Mauersegler, das Peitschen eines Federballs auf abendlicher Straße, der blaue Himmel mit dicken, barocken Wolken und die herbstliche Dunkelheit … hinter allem ein großes, leises Geheimnis wissend. Zeitlos.
Daniel begeistert Katja mit seinen Reiseberichten, seiner wilden Unabhängigkeit und möchte, dass sie mit ihm mitkommt, um ein Leben fern jeder Konventionen zu führen. Könnten Sie sich privat ein solches Leben vorstellen?
Ich habe eigentlich immer so ein Leben geführt, wenn ich zurückschaue. Unkonventionell von meiner Jugend an. Wenn etwas nicht mehr stimmte, habe ich es geändert. Die Reisen meiner Jugend waren auch recht unkonventionell, wie sich das für junge Menschen gehört – und ich hatte mehr als einen Schutzengel. Mit meiner Familie bin ich um den halben Globus gejettet und wir haben die Wüste Syriens, den Dschungel von Malaysia, Wale vor Kapstadt und den Eiswind des nördlichen Norwegens erlebt. Wir haben viel Schönes, aber auch Armut gesehen. Ich mag mittlerweile die Ruhe. Und liebe es, hier in Deutschland auf dem Land zu sein oder in meiner Heimat an der Ostsee.
Daniel trägt seine gesamten Besitztümer in einem Rucksack umher. Auf welche Gegenstände könnten Sie nie verzichten?
Da bin ich wirklich sehr, sehr praktisch veranlagt. Ich zelte seit dreißig Jahren bzw. wir schlafen im Auto oder VW-Bus. Gutes Equipment ist der Schlüssel dafür, dass so eine romantisch freigeistige Haltung wie Daniels beim ersten Dauerregen nicht zum Desaster wird. Dass es warm ist, ist wichtig. Also braucht es eine gute Jacke, gute Schuhe, einen guten Schlafsack, Socken. Gut liegen ist ganz wichtig, deshalb hilft auch eine gute leichte Matratze. Dann noch ein gutes Messer, eine gute Schere, eine Mütze zum Über-die-Augen-ziehen, denn ab vier Uhr wird’s hell. Ich gönne mir immer noch ein Lieblingsglas für Kaffee und eins für Wein und meinen heißgeliebten Espressokocher, damit ich als Mama immer gute Laune habe.
Wie haben Sie die Dreharbeiten in der Lüneburger Heide erlebt?
Da ich ein Naturmensch bin, habe ich mich voll in meinem Element gefühlt. Heidelandschaft strahlt immer so etwas Friedvolles aus. Der Geruch der Kiefern, das Warme, Trockene. Ich fand es wunderschön! Zum Glück hat Esther Gronenborn eine große Affinität zu speziellen Orten, wie ich schon bei unserer ersten Arbeit bemerkte. Mit ihr kann man herrlich über solche Empfindungen reden. Es scheinen auch besonders nette Menschen dort zu leben. Sehr freundlich, aufgeschlossen und ehrlich. Alle wirken so unbelastet und engagiert. Es waren wirklich schöne Drehtage.
Am Ende entscheidet sich Katja für ihr „normales“ Leben mit Mann und Tochter. Wie hätten Sie sich entschieden?
Vermutlich wäre ich schon früher aus so einem gediegenen Leben ausgestiegen – oder hätte es anders gestaltet. Das sind so Leben, wo äußerlich alles zu stimmen scheint, nur dass alles grundsätzlich in der vollkommen falschen Spur läuft. Katja hätte schon vor Jahren Kind und Mann schnappen müssen, um eine andere Richtung einzuschlagen. Dazu müsste sie sich aber eingestehen und einfordern, was ihre Bedürfnisse sind. Kinder lieben Abenteuer und der Mann versteht es sicher. Muss er ja, sonst verliert er sie. Es gibt keine Ausreden, außer Krankheit. Solange man gesund ist, kann man das Leben nicht genug ausschöpfen. Also ist der Knackpunkt, wie wichtig es ist, dass wir Frauen wissen, wo unsere Bedürfnisse liegen und die Ängste hinter uns lassen, die uns daran hindern zu leben.
Wie haben Sie die Zusammenarbeit mit Carlo Ljubek empfunden?
Carlo war, wie die meisten im Team, ein absoluter Schatz. Ich finde, wir haben das zusammen ganz gut durchgezogen und wir haben wirklich sehr viel gelacht. Er ist sehr kollegial und sehr lustig. Und spielen kann er auch. Den Rahmen für so viel Harmonie haben aber auch Esther Gronenborn und Birgit Gudjunsdottir vorgegeben. Es war meine zweite Arbeit mit beiden und ich hoffe, nicht die letzte.
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