Interview mit Alina Levshin als Anja Raabe
Alina Levshin im Gespräch über den Film "Wolfswinkel"
Was bedeutet Heimat für Sie?
Heimat ist das Gefühl des Bekannten. Das kann ein Ort sein, an dem man sich wohl fühlt, Menschen, mit denen man etwas geteilt hat oder ein bestimmtes Essen, dass einem das Gefühl aus der Kindheit vermittelt. Man kann sich in vielerlei Hinsicht in etwas wieder erkennen. Das gibt einem ein gutes Gefühl.
Als Anja und Lydia sich nach vielen Jahren wieder treffen, prallen völlig gegensätzliche Weltanschauungen aufeinander, obwohl beide früher eng befreundet waren. Was, außer ihrer Weltanschauung, unterscheidet die beiden?
Sie haben ebenfalls verschiedene Temperamente. Doch oft ziehen sich genau solche gegensätzlichen Menschen auch an. Sie könnten sich gut ergänzen und sich gegenseitig helfen.
Anja steht offen für ihre Überzeugungen, während das ganze Dorf schweigt und lieber in Ruhe gelassen werden möchte. Warum gibt Anja nicht auf?
Sie kann nicht anders. Sie hat schon als Schulkind den Neuankömmlingen die Schule gezeigt und den fehlenden Kindern die Hausausgaben nach Hause gebraucht. Sie steht für Gerechtigkeit. Anja lässt sich gerne provozieren. Je stärker der Gegenwind, desto kräftiger wird sie an ihrer Überzeugung festhalten.
Nach Ihrer Darstellung des Neonazi-Mädchens Marisa in David Wnendts Spielfilm "Kriegerin" spielen Sie nun wieder in einem Film, der rechtes Gedankengut thematisiert. Was nehmen Sie durch die Verkörperung solcher Rollen in Ihren Alltag mit?
Das Thema ist mir tatsächlich nicht neu. Mein Alltag ist zwar nicht mit Rassismus durchtränkt, aber gerade Alltagsrassismus schleicht sich subtil an und kann großen Schaden bewirken. Ich lege jedem ans Herz genauer hinzuhören und sich zu trauen, Rassismus zu entlarven. Gemeinsam kann man Veränderungen im Bewusstsein schneller vorantreiben.
Was fällt Ihnen zu dem Satz „Wir holen uns unsere Heimat zurück!“ ein?
Ziemlich rechts angehaucht. Man sollte sich die Frage stellen, was genau jeder unter Heimat versteht und warum er oder sie meint, sie habe ihre Heimat überhaupt verloren. Es ist leichter auf andere mit dem Finger zu zeigen, als zu schauen, was man selbst für sich tun kann. Die Argumente der Missstände bei anderen zu suchen ist mitunter faul und feige.
Wie würden Sie mit Freunden umgehen, die eine – ob politisch oder gesellschaftlich – extremistische Haltung bekommen haben?
Den Dialog suchen, fragen, woher die ein oder andere Meinung kommt und nicht unangenehme Themen umgehen, nur weil man meint, der andere könnte sich auf den Schlips getreten fühlen. Gerade Freunde können voneinander lernen und sich trauen ehrlich miteinander zu sprechen ohne versteckte Vorwürfe. Denn hinter extremistischen Haltungen steckt oft eine Angst oder Verletzung. Dies gilt es sanft zu entblättern.