Hintergrundinformationen zum Film "Oben und Unten"
Die Besonderheiten des unterirdischen Berlins
Im Gegensatz zu anderen Großstädten wie Paris oder Moskau, ist die Geschichte des unterirdischen Berlins vergleichsweise jung. Dies liegt im Wesentlichen an der geografischen Lage, verbunden mit einem hohen Grundwasserstand. Bereits ab einer Tiefe von durchschnittlich zwei bis drei Metern stößt man auf Wasser. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Kenntnisse des Tiefbaus ausreichend entwickelt, um größere Bauvorhaben umsetzen zu können. Dass die Berliner Unterwelten dennoch eine einzigartige Gestalt angenommen haben, liegt vor allem daran, dass die Entwicklung der Stadt durch den Umsturz politischer Systeme, zweier Weltkriege, einer Weltwirtschaftskrise und der jahrzehntelangen Teilung der Stadt immer wieder unterbrochen wurde.
Gewaltige Bauvorhaben
Jede Epoche hatte gewaltige Bauvorhaben: Ab 1852 wurde eine städtische Wasserversorgung eingerichtet, von 1865 an ein 400 Kilometer langes Rohrpostsystem (bis 1976 in Betrieb) und ab 1873 eine bis heute auf knapp 10.000 Kilometer angewachsene Kanalisation gebaut. Unterirdische Verkehrsführungen wurden 1895 erstmals in Form des 300 Meter langen AEG-Versuchstunnels erprobt, bevor dann 1902 der erste U-Bahnhof offiziell eingeweiht wurde. Alle weiteren Projekte wurden durch Ausbruch des Ersten Weltkriegs gestoppt.
In den 20er Jahren setzte dann ein richtiger Tunnelboom ein: Geschäftshäuser, Hotels und Banken ließen Tiefkeller und unterirdische Tresorräume bauen. Gleich vier neue U-Bahn-Linien gingen bis 1930 in Betrieb. Für weitere Strecken wurden sowohl am Potsdamer Platz, als auch unter dem Moritzplatz Tunnelrohbauten erstellt. Rund um den Alexanderplatz baute man weitere "Blindtunnel" für eine geplante U-Bahn. Dieses Mal war es die Weltwirtschaftskrise, aufgrund derer alle Vorhaben und Planungen zurückgestellt und auch später nicht mehr realisiert wurden.
Unterirdische Bauten aus der Nazi-Zeit
Im Dritten Reich waren für die neue Hauptstadt "Germania" umfassende unterirdische Bauten vorgesehen. Realisiert wurden zum Beispiel Teile des so genannten "Achsenkreuzes" unter dem heutigen Tiergarten. Gewaltige Straßenachsen sollten sich vor der geplanten "Halle des Volkes" kreuzen, wobei der von Süden kommende Verkehr in einem Tunnelsystem um den Reichstag herum weitergeleitet werden sollte. Ebenfalls fertig gestellt wurde ein 4,5 Kilometer langes Versorgungsnetz samt unterirdischem Eisenbahnanschluss für den Flughafen Tempelhof. Erneut war es der Kriegsausbruch, der alle nicht "kriegswichtigen" Bauvorhaben stoppen ließ. Ein Bunkerbauprogramm wurde ausgerufen und insgesamt entstanden über 1000 Bunkeranlagen und Luftschutzstollen. Die bekannteste Anlage bildet bis heute der so genannte "Führerbunker": In zehn Metern Tiefe wurde dafür ein 15 x 20 Meter großer Luftschutzraum mit 3,5 Meter dicken Stahlbeton-Decken errichtet. Eine der größten unterirdischen Bunkeranlagen der Stadt ist jedoch der Tiefbunker unter dem Alexanderplatz. Dieser liegt in dem riesigen Fundamentblock, der ursprünglich für die Erbauung eines U-Bahnhofes in den 20er Jahren stammt. Von hier aus wurden Schächte zu brach liegenden Tunnelstutzen gegraben, so dass eine Schutzanlage für rund 3.500 Menschen entstand.
Unerwünschte Verbindungen zwischen Ost und West
In den Zeiten des Kalten Krieges und der Teilung der Stadt spielten sich im mittlerweile nicht mehr überschaubare Tunnel-, Stollen- und Bunkersystem zahlreiche Spionage- und Fluchtdramen ab. Die Machthaber in der DDR versuchten in den 50er und 60er Jahren sämtliche Verbindungen zwischen den beiden Stadtteilen zu unterbrechen. Geisterbahnhöfe und Transitstrecken waren die Folge. 1967 wurden auf West-Berliner Gebiet dennoch drei vergessene Tunnelanlagen der "Germania"-Planungen unter dem sowjetischen Ehrenmal an der Straße des 17. Juni entdeckt. Gerüchte über mögliche weitere unterirdische Verbindungen in den Ostteil der Stadt schreckten das Ministerium für Staatssicherheit auf. Da es über die Enttrümmerungsarbeiten nach Kriegsende keine genauen Aufzeichnungen gab, wurden 16 bereits geschlossene und verfüllte Bunker- und Tunnelanlagen wieder geöffnet und genauestens untersucht. Unter diesen befand sich auch der Führerbunker. Bei den Arbeiten wurden u. a. die Tagebücher von Joseph Goebbels gefunden.
Die Tunnel werden zweckentfremdet
Nach der Wiedervereinigung sind es dann erstmals nicht staatliche Maßnahmen zur Erschließung des Untergrunds, sondern die Berliner Techno-Szene, die die unterirdischen Bauten in Betrieb nimmt. Teils öffentlich wie im Fall des wohl berühmtesten Berliner Techno-Clubs "Tresor", der in den unterirdischen Tresor- und Schließfacheinrichtungen des ehemaligen Wertheim-Kaufhauses seine Pforten öffnet, vielfach aber auch illegal. Gelegenheiten dazu gibt es viele: Nach wie vor machen rund 70 nicht vollendete oder nie genutzte Stollen, Tunnel, Bahnhöfe und unterirdische Bauten den besonderen Reiz der Unterwelten aus. Häufig haben sie eine hervorragende Akustik, wie der U-Bahnhof Dresdener Straße mit einer Größe von 4000 qm und Säulen aus poliertem schwedischem Granit. Heute liegen viele dieser Orte vergessen von Raum und Zeit in einem tiefen Dornröschenschlaf.
Es war Kaiser Wilhelm II., der bereits vor knapp 100 Jahren das Motto des künftigen Berlin ausgegeben hatte. Anlässlich der Planungen zur Kreuzung des Straßenzuges Unter den Linden soll er gesagt haben: "Drunter durch, nicht drüber hinweg!"
(Quelle: www.berliner-unterwelten.de)
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