Interview mit dem Drehbuchautor Orkun Ertener zum Tatort: Sternenkinder

Das Erste: Sie sind einer der "Väter" dieses "Tatorts", haben das Konzept mit entwickelt und in der Folge die Drehbücher zu den Borowski-Filmen "Stirb und Werde" und nun "Sternenkinder" geschrieben. Wie würden Sie die Entwicklung des Kieler "Tatorts" beschreiben?
Orkun Ertener: Eine Entwicklung ist sicherlich, dass die Geschichten Kommissar Borowski immer mehr in den Vordergrund stellen. Die Figur selbst ist freundlicher, sympathischer, aber auch handzahmer geworden.

Was unterscheidet den Kieler "Tatort" von anderen Filmen dieser Reihe?
Ich glaube, der Ton ist versuchsweise "skandinavisch", orientiert an den Mankell-Büchern und an der Stimmung skandinavischer Produktionen, was auch nicht unpassend für Kiel ist. Darüber hinaus ist er stellenweise figurenbetonter als manche anderen "Tatorte".

Was war die besondere Herausforderung für Sie bei diesem Drehbuch?
Es geht um Pränatalmedizin, das ist ein schweres, auf den ersten Blick trockenes Thema, das mich aus persönlichen Erfahrungen sehr interessiert hat. Ich habe drei Kinder, und vor der Geburt meiner jüngsten Tochter gab es scheinbar Komplikationen. Meine Frau musste ein, zwei Tage in der Klinik verbringen, und mich haben die Geschichten, die ich dort vorfand, sehr beschäftigt: vor allem die Macht der Medizin, der Gedanke, das im selben Haus, von den selben Ärzten, Kinder nach der 23. Schwangerschaftswoche gerettet werden, manchmal mit einem Gewicht unter tausend Gramm, und auf der anderen Seite Abbrüche kurz vor der Geburt vorgenommen werden. Die Herausforderung war, keinen 70-er, 80-er Jahre Themenfilm zu machen, sondern das Drehbuch so zu gestalten, dass sich darin unsere Ängste und Fragen lebendig wiederfinden, ohne endgültige Antworten zu geben.

Welche Recherchen haben Sie zu diesem Thema noch angestellt?
Ich habe mich medizinisch beraten lassen, vor allem hinsichtlich der Krankheiten, die in dem Film vorkommen. Dass eine Krankheit wie FAIT heute behandelbar ist, ist ein Segen. Aber wo verläuft die Grenze zur Mukoviszidose, deren Schrecklichkeit das Verhalten von Olaf Brückner und Dr. Fehlau sicher plausibel macht. Ich bin sicher, dass Krankheiten wie diese in Zukunft zu erneuten Diskussionen führen werden, was in der Pränatalmedizin und Gentechnik erlaubt sein wird und was nicht.

Moslems unter Generalverdacht, Renaissance der Religionen, Terrorismus – das sind die Themen der Nebenhandlung um Alim Zainalow. Wie realistisch ist der Umgang der Polizei mit dem des Terrorismus verdächtigten Kollegen?
Auch hier habe ich selbstverständlich recherchiert und das Drehbuch auch von befreundeten WDR-Journalisten, die sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen, gegenlesen lassen. Ermittlungen, wie die im Film gezeigte, können tatsächlich zustande kommen, weil die Moscheen alle mehr oder weniger observiert werden und gerade der Geldverkehr untersucht wird. Eher ungewöhnlich ist vielleicht, dass in der Moschee Iraner sind. Ob die Polizei allerdings einen bisher unbescholtenen Kollegen so lange in Untersuchungshaft halten würde, glaube ich nicht – eine Suspendierung wäre allerdings weniger dramatisch gewesen.

Haben Sie sich vor diesem Hintergrund auch noch genauer mit dem Schauplatz Kiel auseinandergesetzt?
Vor allem vor dem ersten Borowski-Buch. Diese Reihe jedoch ausschließlich mit kielspezifischen oder maritimen Themen zu besetzen, ist unmöglich. Das Kolorit und die Atmosphäre spielen hingegen immer eine Rolle. Gleiches gilt jedoch genauso für alle anderen "Tatort"-Formate.

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