Waghalsiger Halunke
Was wäre eine Serie nur ohne ihren Fiesling? Was wäre "Dallas" ohne J.R. gewesen? Das Böse ist eben das Salz in der Suppe, das Chili im Currygericht. Mit Freude verfolgen wir Intrigen, Scharmützel, Macht und Hass. Im richtigen Leben würde man die Drahtzieher sicher meiden, doch im Fernsehen zieht gepflegtes Schurkentum mit verwerflicher und faszinierender Verschlagenheit immer in den Bann. Aber warum? Der griechische Philosoph Aristoteles hat ja mal behauptet, dass angeblich die Seele gereinigt wird, nachdem man Furcht (und Mitleid) erfahren hat. Der "Sturm der Liebe"-Zuschauer wird das bald wissen, denn ab 19. April 2010 wird ihm neue Nahrung zur seelischen Reinigung geboten: Andreas Borcherding verkörpert dann den gerissenen Götz Zastrow und spielt mit seinen dunklen Machenschaften in der gleichen Liga wie Barbara, Cosima und Co. Im Interview mit DasErste.de erklärt der Münchner Schauspieler seine persönliche Faszination am Bösen.
DasErste.de: Herr Borcherding, was führen Sie als Götz denn so alles am Fürstenhof im Schilde und warum?
Andreas Borcherding: Götz Zastrow, Noch-Ehemann von Cosima, ist gerade von einer attraktiven, wohlhabenden Liebschaft verlassen worden. Auf der Suche nach einer neuen Finanzquelle und Unterkunft fällt ihm seine nun vermögende "Ex" wieder ein, die er 18 Jahre lang nicht gesehen hat. Es kommt zu allerlei Scharmützel zwischen ihm und Cosima … Und, ausgelöst durch seine Geldgier, überlässt er sogar seinen Sohn Lukas samt seiner Freundin Sandra, die von einer Lawine verschüttet wurden, ihrem Schicksal.
Wie kamen Sie zu der Rolle des neuen Bösen bei "Sturm der Liebe"?
Das war mehr oder weniger ein glücklicher Zufall. Ich war gerade auf dem Bavaria-Filmgelände unterwegs, da traf ich die Casting-Direktorin Silke Klug-Bader. Sie fragte mich, ob ich nicht mal Lust hätte, bei "Sturm der Liebe" mitzuwirken. Ich konnte mir das gleich sehr gut vorstellen. Es folgte die Einladung zum Casting und ich bekam die Rolle.
Haben Sie denn schon mal einen Fiesling verkörpert?
Ich spiele fast immer die Bösen – Typen, bei denen jeder denkt: "Ach, der ist ja nett", und die aber dann ganz fies werden, oder umgekehrt. Das ist mein Rollenprofil. Leider ist der jugendliche Liebhaber bisher komplett an mir vorbeigegangen (grinst).
Wie würden Sie Götz Zastrow beschreiben?
Götz meint nichts ehrlich, er ist zu allen Gefühlen fähig. Der berüchtigte Strafverteidiger ist eine Figur, die unheimlich viel kann und darf. Alles, was ich im Leben selbst nicht ausleben durfte, darf ich nun. Da kann man unheimlich viele Sachen rauslassen, erpressen, morden, unter Druck setzen. Das ist viel, viel spannender, als zum Beispiel einen durch und durch Guten zu spielen.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich für Ihr Rollen-Alter-Ego noch wünschen?
Dass die Rolle sich in viele unvorhersehbare Richtungen entwickelt, unberechenbar bleibt, Beziehungen und Verhalten sich dauernd ändern und weiterentwickeln. Also Überraschungen am laufenden Band, Sex und Crime (lacht).
Haben Sie schon mal in einer Telenovela gespielt?
In Serien ja, in einer Telenovela noch nicht. Ich freue mich sehr über das professionelle Arbeiten bei "Sturm der Liebe" und über meine facettenreiche Rolle. Es macht einfach unheimlich Spaß, hier mitzuspielen. Zudem ist es für einen freiberuflichen Schauspieler natürlich eine angenehme Abwechslung, über längere Zeit mal finanziell abgesichert zu sein. Die Arbeit ist aber auch extrem intensiv: Wir drehen jeden Werktag. "Sturm der Liebe" ist also Thema vom Aufstehen bis zum Schlafengehen. Und am Wochenende wird Text gelernt.
Und was sagt Ihre Familie dazu, wenn Sie am Wochenende keine Zeit haben?
Gott sei dank sind meine beiden Kinder schon aus dem Gröbsten raus. Die sind jetzt 21 und 16 Jahre alt. Da fehle ich als Papa nicht mehr so sehr. Rückblickend bin ich aber froh, dass ich damals, als die beiden noch klein waren, Zeit für sie hatte und ihre Kindheit ganz intensiv miterleben durfte.
Das sind ja ganz sanfte Töne für einen TV-Bösewicht … Wie beschreiben Sie sich ansonsten?
Angstfrei oder auch etwas übermütig: Ich habe beim Drehen früher ab und zu Dinge zugesagt, die nicht ungefährlich waren. Einmal bestand ich darauf, eine Motorradszene selbst zu drehen und habe dabei einen Unfall gebaut. Und bei einer Schlägerei in einem "Tatort" mit meinem Kollegen Michael Fitz hat ihn ein Kinnhaken wirklich getroffen. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb sind mir solche Rollen näher als die "Guten", denn was gibt es Schöneres, als verbotene Dinge zu tun und dafür auch noch Geld zu bekommen? (lacht) Man kann bei Dreharbeiten so viel machen und haben, was sonst nicht möglich ist. Mein Sohn hat mich mal, als er klein war, gefragt, wohin ich gehe, als ich auf dem Weg zu Dreharbeiten war. Da hab ich gesagt: "Ich geh spielen." Und so empfinde ich das auch.
Und was können Sie sonst noch, außer sich zu schlagen und fies zu sein?
Theater spielen, Synchron sprechen, Synchrondrehbücher schreiben. Außerdem bin ich Dialektchamäleon. Beim "Politiker-Derblecken" ("Derblecken" ist Bayerisch und bedeutet so viel wie "sich über jemanden lustig machen" oder "jemanden bloßstellen") auf dem Münchner Nockherberg hab ich zum Beispiel 2007 bis 2009 den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein verkörpert. Und ich engagiere mich in verschiedenen berufständischen Interessenverbänden für Schauspieler.
Apropos derblecken: Sagen Sie doch mal, was nervt Sie denn am meisten bei "Sturm der Liebe"?
Dass ich mich ungefähr zehnmal am Tag umziehen und immer Anzüge mit Krawatten tragen muss!
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