Die christlichen Kirchen und der NS-Staat

Dietrich Bonhoeffer wird von Matthias Koberlin gespielt
Dietrich Bonhoeffer wird von Matthias Koberlin gespielt | Bild: NDR / Thomas Bresinsky

Die christlichen Kirchen und der NS-Staat

von Ingo Helm (Buch und Regie)

Am Anfang der Hitler-Diktatur sind etwa 95 Prozent der Bewohner des Deutschen Reiches Christen, davon rund zwei Drittel evangelisch, ein Drittel katholisch. Jüdischen Glaubens sind 0,8 Prozent. Die Kirchen und ihre Pfarrer sind Autoritäten, ihre Stimme wird in den Gemeinden gehört. Nur in den größten Städten bröckelt ihr Einfluss. Die meisten Chancen hat die NSDAP in den evangelischen Gebieten. Dort hat Hitler schon vor 1933 die ersten Wahlerfolge. Jahrelang wählt sogar Pastor Martin Niemöller die Nazi-Partei, derselbe, der später im Widerstand eine wichtige Rolle spielen und als "persönlicher Gefangener des Führers" acht Jahre in Haft verbringen wird. Solange es noch halbwegs freie Wahlen gab, galt die Faustregel: in überwiegend protestantischen Gebieten erzielen die Nazis etwa doppelt so hohe Stimmanteile wie in katholischen Gebieten.

Hitlers Plan, um sich die Kirchen gefügig zu machen, sieht etwa so aus: Die evangelische Kirche rollt er von unten auf. Er fördert eine nazifreundliche Bewegung in den Gemeinden, die „Deutschen Christen“. Dann lässt er im ganzen Reich schon 1933 Kirchenwahlen abhalten. Erwartungsgemäß sind die "Deutschen Christen" die großen Sieger in den Gemeindevertretungen und den meisten der 28 Landeskirchen. Ihr Mitbegründer Ludwig Müller wird "Reichsbischof" – ein Amt, das dem protestantischen Geist eigentlich zutiefst fremd ist. Der Volksmund sagt spöttisch "Reibi". Die katholische Kirche dagegen will er von oben besiegen, von der Spitze der Hierarchie aus: Er schließt einen Vertrag mit dem Vatikanstaat, also mit dem Papst, das Reichskonkordat. Die Kirche verzichtet auf jede politische Betätigung, dafür bekommt sie eine Bestandsgarantie – die jedoch, wie sich zeigen wird, nicht viel wert ist.

Trotzdem gibt es evangelische und katholische Christen im Widerstand, Menschen, die von Anfang an das Verhängnis kommen sehen, das mit Hitlers Kriegs- und Rassenpolitik verbunden ist. Soweit sie ihre Haltung aus dem Glauben herleiten, gilt für sie der Satz: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen. Das schließt für sie die Orientierung an Menschenwürde und Menschenrechten ein, die sich aus der Bibel ableiten lassen. Der Beitrag von einzelnen Christen wie dem Protestanten Dietrich Bonhoeffer oder dem Katholiken Laurentius Siemer zum Widerstand war bedeutend. Menschen wie sie haben nicht nur Verfolgten geholfen. Sie haben zum Beispiel die Mitglieder des militärischen Widerstands darin bestärkt, sich dem verbrecherischen Regime zu verweigern. Ein Mann wie Werner von Haeften, der Adjutant von Claus Schenk Graf von Stauffenberg – beide wurden noch am Abend des 20. Juli 1944 hingerichtet – wäre ohne die Beratung durch Bonhoeffer vielleicht weniger mutig gewesen. Doch auch die christlichen Vordenker konnten Hitlers Diktatur nicht beenden – zum Wiederaufbau eines anderen Deutschland nach 1945 haben sie, direkt oder indirekt, viel beigetragen.

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