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Frankreich: 60 Jahre Freundschaft – Bekommt das Nebeneinander an der Grenze Risse?

Frankreich: 60 Jahre Freundschaft – Risse an der Grenze? | Bild: NDR

2020 waren wegen der Corona-Pandemie die deutsch-französischen Grenzen dicht. Für die Bewohner in den Grenzgebieten war das eine traumatische Erfahrung, dass sie nicht mehr zu Verwandten oder in ihren Supermarkt fahren können. Drei Jahre später, auch an der deutschen Grenze, gibt es einen neuen Konflikt: den Bau von Windrädern. 

Zweisprachige Kultur in der Grenzregion

Volltreffer. Clubabend im Schützenverein in Petite-Rosselle, einem französischen Örtchen direkt an der Grenze zu Deutschland bei Saarbrücken. Hier trainiert der Franzose Joël Kaiser gemeinsam mit seinen deutschen Schützenfreunden: "Ganz eng sind wir, es gibt viel Austausch. Manche kommen aus Deutschland hier vorbei, um ein Glas zu trinken. Wir diskutieren – über Politik und andere Sachen." Ob Deutschland oder Frankreich spielt hier keine Rolle, außer bei der Ausrüstung: "Das ist einfach das Beste, was wir hier haben, von den Gewehren. Das ist deutsch. Das ist ein absolutes Schmuckstück von der Technik her", sagt Fabrice Bauer, Präsident des Schützenvereins. Das gemeinsame Getränk danach, gehört im Clubheim dazu.

Alle sind hier zweisprachig und wechseln ganz selbstverständlich hin und her – zwischen Deutsch und Französisch. "Wir sind gewohnt, beide Sprachen zu sprechen. Leider wird das immer weniger. Das verliert sich bei der Jugend", erzählt Joël Kaiser. Ob über das nächste Schützenturnier oder über das trübe Wetter – im Clubheim diskutieren sie über alles. Nur ein Thema ist tabu: Das neue Windrad um die Ecke: "Nee, das wäre ein Kriegsgrund zwischen Deutschland und Frankreich, das müssen wir aussparen", sagt Hardy Burghard.

Tabuthema Windrad

Baustelle für die Errichtung eines Windrades.
Das nächste Windrad entsteht bereist. | Bild: NDR

Das Tabuthema ist ein riesiges Windrad, 229 Meter hoch, direkt auf der deutschen Seite der Grenze – und nur einen Kilometer von Joël Kaisers Garten entfernt. Gerade ist es fertig geworden. "Mein Blick hat sich fundamental verändert. Vorher war das eine schöne Gegend, mit viel Wald. Aber das Ding wirkt schon bizarr in der Landschaft. Ich hoffe, es gibt nicht zu viel Lärm", sagt Joël Kaiser. Er ist stellvertretender Bürgermeister von Petite-Rosselle. Frankreich und Deutschlands liegen hier eng beieinander, auf der einen Seite des Flusses das deutsche Großrosseln. Auf der anderen Seite das französische Petite-Rosselle. "Man überschreitet ständig die Grenze, ob zum Einkaufen oder Arbeiten. Es ist als würde es sie gar nicht geben", sagt Kaiser. Doch so wenig in Kaisers Heimat im Alltag ein Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland spürbar ist. Bei der Energiepolitik prallen zwei Welten aufeinander. "Frankreich hat sich für Atomenergie entscheiden. Das ist nicht ohne Risiko, aber erzeugt wenig Emissionen. Deutschland dagegen steigt aus der Atomenergie aus. Aber Windkraft ist da doch nicht die Antwort", glaubt Kaiser.

Die Windräder stehen näher an den französischen Ortschaften

Der Abgeordnete für Petite-Roselle in der Pariser Nationalversammlung formulierte es noch drastischer. Für Kévin Pfeffer von der Rechtsaußen-Partei Rassemblement National ist das Windrad ein Affront. Freundschaft ja, sagt er, aber nicht um jeden Preis – und vor allem nicht ohne gegenseitigen Respekt: "Wir haben uns dem Wunsch Deutschlands unterworfen, unser Atomkraftwerk Fessenheim an der Grenze zu schließen, um die Freundschaft zu erhalten. Aber wir waren nicht so geschickt wie die Deutschen, unsere eigenen Interessen und die der Anwohner der Windräder zu verteidigen."

Und was nun passiert, empört die Kritiker noch mehr. Direkt neben dem ersten Windrad bauen sie ein zweites. Noch höher. Fast 250 Meter, eines der größten in Europa – und viel höher als alle Windräder in Frankreich. Auch wenn Regelungen und Genehmigungswege eingehalten wurden –  und alle umliegenden Gemeinden konsultiert, Projektentwickler Marc Wiemann weiß genau, dass das Projekt provoziert – gerade auf der französischen Seite. Die Windräder stehen viel näher an den französischen Ortschaften als an den deutschen: "Es ja nicht so, dass wir hier durch die Lande ziehen und schauen: Hier könnte man an der Grenze einen Windpark bauen und verschandeln die Landschaft für unsere französischen Freundinnen und Freunde. So ist es nicht, sondern in Deutschland wird die Windkraft gesteuert. Das ist Ländersache." Und das zuständige Saarland hat entschieden: Die Windräder sollen im Wald an der Grenze stehen.

Bürgerinitiative: Deutsche und Franzosen protestieren gemeinsam

Doris Döpke und Joël Kaiser stehen nebeneinander auf einem Waldweg.
Doris Döpke und Joël Kaiser kampfen gemeinsam gegen die Windräder. | Bild: NDR

Joël Kaiser hat in Petite-Rosselle nicht nur eine Petition gegen die Windräder gestartet. Er hat sich einer deutschen Bürgerinitiative angeschlossen. Denn auch auf der deutschen Seite gibt es zahlreiche Windkraftgegner. "Aus irgendwelchen Gründen scheint die Grenze doch noch geblieben zu sein. Und man tut solche Dinge, die man nicht gerne hat, irgendwie an die Grenze, warum auch immer", sagt Doris Döpke.

So sehr die unterschiedlichen energiepolitische Entscheidungen vor Ort für schlechte Stimmung sorgen. Spalten konnten sie die Menschen in der Gegend von Petite-Rosselle nicht: "Wir sind doch ein geeintes Europa. Diese Windräder sind Sand im Getriebe der deutsch-französischen Beziehungen, ja. Aber das wird nicht alles verändern", sagt Kaiser. Und irgendwie ist es ja auch eine Art deutsch-französischer Freundschaft, wenn sich Windkraft-Gegner von beiden Seiten der zusammentun.

Autorin: Friederike Hofmann, ARD-Studio Paris

Stand: 22.01.2023 10:06 Uhr

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