So., 27.11.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Katar: Fußball-Fans zwischen Stadion, Shopping und Mangroven
Den Nachtflug nach Katar haben die vier Fußball-Fans aus München noch immer in den Knochen. Kaum geschlafen, übermüdet. Trotzdem wollen sie die Strandpromenade von Doha erkunden. Immer dabei: der goldene Pokal. Das WM-Maskottchen daneben kippt ständig um. Und dann entfaltet der massive Gold-Pokal seine ganze Anziehungskraft – jeder will ein Selfie. "Football is coming home to Germany! Des ist einfach, des ist spitzenmäßig. Ihr habt’s die strahlenden Gesichter a gesehen, das war nicht aufgesetzt, des waren keine gekauften Fans, das war Emotion pur, und das macht total Spaß. Ich hab Gänsehaut", sagt Christian.
Der Tag geht, die vier suchen eine Kneipe, fürs Eröffnungsspiel und mit richtigem Bier. 15 Euro das Weißbier, egal. Andreas, Christian, Siggi und Freddy – perfekte Botschafter Deutschlands. Gemeinsames Singen – sogar mit den Briten. Nur am Rande: Protest gegen die Mullahs im Iran. Vereinzelte Zeichen aus einer Welt abseits des Sports.
"Ich will Fußball schauen, ich will dabei sein"
Besuch auf dem Touristenmarkt – geleckt und blitzeblank, wie alles in Katar. "Fresh Juice, Milkshake, das ist auch nicht das, was wir jetzt wollen", sagt Freddy. Andreas Handy vibriert. Seine Tochter sendet ihm einen Boykottaufruf gegen die WM. "Wie wir ja alle mitbekommen haben, läuft ja nicht alles rund in den letzten zwölf Jahren, mit der Vergabe, und so weiter, was da alles passiert ist. Also sie wollte auf gar keinen Fall hierher kommen, aber sie versteht uns umgekehrt und ist tolerant ihrem Papa gegenüber, der so bekloppt ist und trotzdem hierher fährt", sagt Andreas. Siggi ergänzt: "Ich bin jetzt noch nicht ganz 60, und kann noch zu zwei oder drei WMs fahren, wenn ich Glück hab. Und insofern war für mich die Entscheidung dann die: Ich will Fußball schauen, ich will dabei sein."
Die vier fahren in den Norden der Halbinsel, vorbei am Al-Bayt-Stadion, wo die deutsche Nationalmannschaft zweimal spielen wird. Einige von ihnen haben seit 1994 jede WM besucht. "Also wenn der Präsident davon spricht, das wird die beste WM aller Zeiten – dann frage ich mich, für wen wird das eigentlich die beste WM? Es geht ja eigentlich um den Fußball und wenn es um den Fußball geht, dann geht es um den Fußballfan, und das sind wir. Der krasse Unterschied zwischen dem, was ich mit den Fans erlebe und was ich im Stadion gefühlt habe, ist schwierig, ist schwierig", meint Siggi.
Noch ein paar Kilometer im Auto, dann erreichen die vier die Mangroven von Al Thakira, eines der wenigen Naturschauspiele im Wüstenstaat. Die Fahrt im Doppelkajak entpuppt sich als spektakulär. "Das ist schon überraschend, dass es Katar so was gibt, mitten in der Wüste. Ich würde sagen Natur pur, ist das hier", sagt Freddy. Und Siggi fügt hinzu: "Man sieht immer wieder, wie stark die Natur in dieser Welt ist und sein kann und das macht mich momentan einfach sprachlos."
Keine "One-Love-Binde" gegen Diskriminierung
Die schöne Stille hält nicht lange. Das Spiel gegen Japan steht an. Mittlerweile hat die iranische Elf Haltung gezeigt und der DFB vor der FIFA gekuscht. Heute keine "One-Love-Binde" gegen Diskriminierung – Neuer und Co. fühlen sich diskriminiert. "Das macht schon Sinn, dagegen was zu unternehmen, versuchen, es besser zu machen, die Welt besser zu machen. Nur jetzt sind wir hier beim Fußball. Man sieht es ja auch wieder hier bei den Leuten zusammen, die man hier trifft, mit denen man Spaß hat. Und ja, eine Armbinde ja oder nein, das spielt dann keine Rolle", sagt Andreas.
Diesmal bleibt das Maskottchen stehen. Die deutsche Mannschaft aber wird trotz Unterstützung der Fans von Japan besiegt. Die schlimmste Form von Punktabzug.
Autor: Thomas Aders, ARD-Studio Kairo
Stand: 27.11.2022 20:09 Uhr
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