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Serbien: Präsidentschafts-Wahlkampf im Schlingerkurs

Serbien: Präsidentschafts-Wahlkampf im Schlingerkurs | Bild: NDR

Ein Nachmittag Mitte März in Belgrad: Einige Männer präparieren ihre Autos mit dem "Z", das auch russische Panzer tragen. Das Zeichen für den russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Auch Dušan Filipović, will beim Autokorso mitfahren: "Wir alle haben uns hier versammelt, um der Russischen Föderation im Kampf gegen den Nazismus in der Ukraine unsere Unterstützung auszudrücken." Organisiert hat den Autokorso eine rechtsextreme Organisation, der Veranstalter wurde bereits mehrfach verhaftet. "Lasst uns noch einmal zeigen, dass Serben und Russen Brüder sind. Es lebe Serbien, es lebe Russland", sagt er. Die Versammelten skandieren: "Serben und Russen – Brüder auf ewige Zeiten."

"Es gibt keine Alternative zu Russland"

Und dann geht es los. Der 47-jährige Dušan Filipović ist ein gut situierter Belgrader Unternehmer, hat einige Jahre in Russland studiert. Die Infos über diese Veranstaltung hat er über den Nachrichtendienst Telegram erhalten. Konventionellen Medien traut er nicht, selbst Facebook hat seinen Account kürzlich gesperrt. Frage an Filipović: "Gibt es für dich eigentlich ein Dilemma, wohin man sich orientieren soll: Russland oder EU?"
Er antwortet: "Nein, kein Dilemma: Es gibt keine Alternative zu Russland. Sogar die Sonne geht im Osten auf und stirbt im Westen – okay, sie stirbt nicht, geht aber unter."
Zwei Stunden lang drehen sie ihre Runden durch Belgrad, rund 150 Autos beteiligen sich. Es gibt immer wieder Zustimmung von den Passanten.

200 Kilometer südwestlich von Belgrad, eine andere Welt. In einer Fabrik verdient Goran Janković sein Geld mit der Produktion von Werkzeugen. Das Unternehmen wächst kontinuierlich, drei seiner vier Kinder arbeiten inzwischen mit. Die Hälfte seiner Kunden kommen aus Deutschland. "Der dominante Markt unserer Firma befindet sich in der EU, auch was die Zulieferung anbelangt", sagt Janković. "Wir haben in Österreich studiert, wir sind pro EU, natürlich", sagt Slobodan Janković. Stolz zeigt er die großen Fertigungsmaschinen. Eine hat er selbst aus Baden-Württemberg abgeholt. Deutschland ist in Serbien der bedeutendste Investor, weit vor Russland und China. Gleich haben sie ein wichtiges Meeting. Eine Firma aus dem Schwarzwald will nach Serbien expandieren. Der Plan ist ein gemeinsames Werk in Serbien. In der nächsten Stunde wird sich zeigen, ob sie die deutsche Firma überzeugen können.

Hass auf die NATO

Demonstranten mit Fahnen in Serbien.
Demonstranten in Serbien. | Bild: NDR

Zurück in Belgrad treffen wir Dušan wieder, den Russlandfan mit dem "Z" auf dem Auto. Erstaunlicherweise ist in seinem Privatleben alles sehr westlich. Die Tochter studiert in den USA, sein Sohn geht auf eine französische Schule. Wie passt das zusammen? "Ich will meine Kinder in einer globalen Welt erziehen, aber in einer gesunden globalen Welt. Ich will nicht, dass meine Kinder in einer Kolonie leben." Und schon sind wir mittendrin in Verschwörungsmythen: Kolonie, Weltherrschaft, Nazismus.

Auch wenn nur ein kleiner Teil offen pro-russisch protestiere – für den Politikberater Dušan Milenković besteht das Problem darin: "Die Mehrheit der serbischen Gesellschaft wird einen nicht hart verurteilen, wenn man zu diesen prorussischen Demos geht." Was die Demonstranten auch mit Putin vereint ist der Hass auf die NATO. "Schluss mit der NATO-Okkupation und den Nato-Nazis", rufen sie auf einer Demonstration.

Im Kosovo-Krieg wurde Serbien selbst von der NATO angegriffen. Damit hatte die NATO auf die brutalen Angriffe Serbiens gegen die Kosovo-Albaner reagiert. Sie mündeten in Kriegsverbrechen und Vertreibung. Die Erinnerung sitzt tief, sagt Politikberater Dušan Milenković: "Serbien ist ein stigmatisiertes Land vom Krieg in den 1990er-Jahren. Wenn die europäische Öffentlichkeit jetzt sieht, dass wir uns als einziges Land der Allianz gegen Russland nicht anschließen, dann sind wir Serben die Troublemaker, dann sind wir wieder auf der falschen Seite der Geschichte."

Angst vor Isolation Serbiens

Zurück im Familienunternehmen von Goran Janković: Auch in den Verhandlungen mit der deutschen Firma ist der russische Angriffskrieg Thema – und er hat Auswirkungen: "Vor diesem Hintergrund können wir keine Entscheidung treffen für eine Investition in Osteuropa. Da braut sich ein Sturm zusammen", sagt der Vertreter der deutschen Firma. Der Start für den gemeinsamen Standort wird verschoben: "Ich bin immer erschöpft, es sind harte Zeiten", sagt Slobodan Janković. Seine Schwester ergänzt: "Sie haben Interesse mit uns zusammenzuarbeiten, haben gleiche Werte, aber momentan macht diese Krise mit Ukraine und Russland sie ein bisschen unsicher."
Am Ende des Tages trifft sich die Familie im Elternhaus. Sie hoffen, dass sich Serbien nicht weiter isoliert, denn zumindest hier wissen sie als was sie sich fühlen – als Europäer.

Autorin: Anna Tillack, ARD-Studio Wien

Stand: 03.04.2022 20:41 Uhr

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