So., 03.09.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Cook-Inseln: Streit um Tiefsee-Bergbau
Teina Rongo und sein Team bei einem Haka. Ganz traditionell begrüßen sie die Jugendlichen, die von der Nachbarinsel Atui herübergesegelt sind. Der Meeresbiologe und Sozialarbeiter will, dass ihr Erbe nicht vergessen, vor allem die Beziehung zum Meer. Und das ist gar nicht so leicht. "Wenn du da draußen auf dem Meer bist, entdeckst du so viel und du lernst es zu schätzen. Aber weil wir da heute nicht mehr oft rausfahren… wenn irgendwas da draußen gemacht werden soll, würden wir das so hinnehmen, weil wir keine Beziehung mehr dazu haben", sagt Teina Rongo.
Nickel und Kobalt am Meeresgrund — Trüffel der Südsee
Nur ein paar 100 Meter weiter liegt ein anderes Schiff im Hafen – für Teina Symbol dieser gefährlichen Entwicklung. Knollen hat der Südafrikaner Hans Smit von der Firma Moana Minerals rund um die Cook Inseln vom Meeresgrund geholt. Sie stecken voller Kobalt und Nickel. Metalle, die auch Deutschland für seine Energiewende braucht. Die schwarzen Trüffel der Südsee – potenziell ein Milliarden-Geschäft. "Vermutlich liegen hier in der Region um die 20 bis 30 Prozent der Kobalt-Vorkommen der Welt. Und die sind immens wichtig. Es ist das größte unangetastete Vorkommen und es könnte unsere Zukunfts-Probleme lösen", so Smit.
Hans Smits Schiff ist unterwegs im Auftrag der Regierung der Cook Islands. Eine Machbarkeits-Studie soll zeigen: Wie lassen sich die Knollen aus bis zu 5.000 Metern Tiefe einsammeln? Und was wären die Folgen für das ökologische Gleichgewicht? Denn die Tiefsee ist bisher kaum erforscht. Doch Hans Smit fordert Pragmatismus: "Es gibt diese Metalle auch an Land, aber zu einem viel höheren Preis als auf dem Meeresgrund. Wir müssen das objektiv betrachten. Wir müssen die Daten und die Wissenschaft genau analysieren und uns für das kleinere Übel entscheiden."
Die traumhafte Lagune vor Aitutaki liegt ungefähr 160 Kilometer von dem möglichen Abbaugebiet entfernt. Die bunte Unterwasserwelt aber leidet jetzt schon unter dem Klimawandel, sagt Teina Rongo. An diesem Tag taucht er mit anderen Freiwilligen außerhalb der Lagune nach Dornenkronen-Seesternen, die sich gerade drastisch vermehren. Vermutlich durch Düngemittel von Land. Die roten Tentakel zerstören die Korallenriffe. "Wir haben nicht das Recht, dem Ozean noch mehr zuzumuten, als wir das jetzt schon tun. Wir als Welt sollten das Meer schützen, ihm eine Überlebenschance geben, um mit dem fertig zu werden, was wir ihm ohnehin schon antun", sagt Teina Rongo.
Jeder einzelne Dornenkronen-Seestern kann bis zu sechs Quadratmeter Korallen im Jahr zerstören. Was der Tiefseebergbau anrichte, so Teina, wisse niemand so genau. Die Menschheit kenne sich vermutlich auf dem Mond besser aus als in 5.000 Metern Meerestiefe. "Wo wir hier sind, wird an der Küste schon viel gebaggert und wir sehen überall ringsherum die Auswirkungen, die Ablagerungen. Die Sedimente zerstören die Korallen und das könnte durch den Tiefsee-Bergbau auch passieren."
Tourismus und Tiefseebergbau im Einklang?
Die Cook-Inseln leben bisher vor allem vom Tourismus, es sind mehr als 60 Prozent der Staatseinnahmen. Doch zwischen Singen, Sand und Sonne macht genau das dem Inselstaat auch Sorgen. Selbst Tourismus-Chefin Karla Eggleton sagt: "Wir müssen uns wirtschaftlich breiter aufstellen." Tiefseebergbau sei eine Option, auch wenn viele westliche Nationen davor warnen. Doch die Cook Insulaner seien kompetent genug, das selbst zu beurteilen. "Wenn Covid uns eins gelehrt hat, dann das: Wir sind auf uns allein gestellt. Niemand rettet uns. Und wir haben ein Volk und Kinder zu versorgen. Deshalb: Ja, wir müssen diese Entscheidung über den Tiefsee-Bergbau treffen und sorgfältig darüber nachdenken, wie wir das harmonisch hinbekommen."
Das passt ganz zur Politik des Premiermisters. Mark Brown fährt mit seinem Elektro-Auto vor. Er sieht eine potenzielle Win-Win-Situation: Der Westen bekomme die Metalle für seine Energiewende und die Cook Islands dringend benötigte Staatseinnahmen. Aber noch sei ja gar nichts entschieden. "Wir erforschen das, um dann zu entscheiden, ob wir diese Knollen ernten wollen. Das Moratorium, der Aufschub, den viele, andere Staaten wollen, ist nicht der Weg. Wir halten nichts davon, den Kopf in den Sand zu stecken. So nach dem Motto: Lieber erst gar nichts wissen wollen. Wir wollen unseren Ozean kennenlernen."
Mark Brown spricht bewusst vom Ernten der Knollen, nicht vom Abbauen. Das klingt ihm zu negativ. Der Premierminister träumt davon, aus seinem kleinen Inselstaat ein Exzellenz-Center für Meeresforschung und Tiefseebergbau zu machen. Die Umweltprobleme müsse man nur richtig angehen. "Wir könnten den Tiefseebergbau vielleicht in fünf Jahren starten. In zehn Jahren wird die Nachfrage nach diesen Metallen noch größer und wir im Pazifik könnten führend sein in der nachhaltigen Ernte dieser wichtigen Metalle, um die Welt zu beliefern aber unter Schutz unseres Ozeans."
Cook Islands : Zwiespalt zwischen Tradition und Versuchung
Der Sonntagmorgen auf den Cook Islands gehört immer noch Gott und Gesang. Der Tiefseebergbau könnte den Christen hier viel Wohlstand bringen. Doch Wissenschaftler Teina Rongo fürchtet, dass die Cook Inseln dann auch ihre Identität, ihre Seele verlieren. "Wir nehmen einen Lebensstil an, der nicht zu uns und nicht zu unserer Umgebung passt. Es geht um den indigenen Weg. Unsere Vorfahren haben hier seit Tausenden Jahren gelebt und zwar in Harmonie mit unseren Ressourcen. Und das stellen wir jetzt in Frage." Teina betet dafür, dass es anders kommt. Doch der Zwiespalt zwischen Tradition und Versuchung scheint gerade besonders groß. Für die Bewohner der Cook Inseln ist Moana, das Meer, der Ursprung allen Lebens. Jetzt müssen sie neu entscheiden, was das bedeutet.
Autorin: Sandra Ratzow, ARD-Studio Singapur
Stand: 03.09.2023 20:16 Uhr
Kommentare