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Noor Huda Ismail: "Radikalisierung durch das Internet"

Der Islam in Indonesien gilt als moderat und weltoffen. Aber auch hier versuchen extremistische, islamistische Gruppierungen, Menschen für den Heiligen Krieg zu rekrutieren und einen Gottesstaat in Südostasien zu errichten. Der Indonesier Noor Huda Ismail forscht seit Jahren über den islamistischen Terror in seinem Land. Er besuchte als Jugendlicher selbst ein islamistisches Internat. Einer seiner Mitschüler, mit denen er ein Zimmer teilte, wurde zum Attentäter beim Bombenanschlag auf Bali im Jahr 2002. Im Interview mit Weltspiegel Moderator Andreas Cichowicz spricht Noor Huda über die Gefahren des politischen Islams in Indonesien. Noor Huda ist in Kontakt mit Ex-Terroristen, begleitet sie bereits im Gefängnis.

Andreas Cichowicz: Ist Indonesien eine Brutstätte für Terrorismus geworden?

Noor Huda: Man muss das im Kontext sehen: In Indonesien leben über 250 Millionen Menschen. davon sind nur ein paar Hundert Terroristen. Sie sind das aufgrund individueller Umstände geworden, aber der wichtigste Grund ist die Radikalisierung durch und über das Internet. Viele sehen Bilder vom Leiden anderer Moslems im Ausland, etwa im Nahen Osten, und das bewegt die Menschen.

Die Bali-Bomber und zuletzt die Familie, die sich bei einem Selbstmordattentat in die Luft sprengte – wie wurden sie angeworben?

Früher lief das über traditionelle Strukturen in ihrem Umfeld. Aber heutzutage verbreitet zum Beispiel der sogenannte IS Filme in den sozialen Medien. Früher schloss man sich erst einer bestimmten Gruppe an. Aber im Zeitalter des Internets hat sich das geändert. Die fühlen sich einer Idee verbunden. Sogar junge Menschen, die gar keiner Gruppe angehören – sogar auch Frauen – wollen etwas unternehmen und zum Beispiel in Syrien kämpfen.

Kritiker sagen, die islamisierung habe in Indonesien begonnen als das Land demokratisch wurde.

Da ist was dran. Aber der politische Islam hat sich nicht in einem Vakuum entwickelt. Man muss in die 1980er-Jahre schauen, als die Saudis begannen, jungen Leuten Geld für ein Studium im Nahen Osten zu geben. Dort ließen sich dann viele von deren sehr strengen Auslegung des Koran, vom Wahhabismus, inspirieren.

Indonesien ist bekannt für einen Liberalen Islam und religiöse Toleranz. Wie lange wird das noch so bleiben?

Ich hoffe, das bleibt möglichst lange so. Aber wir machen jetzt eine sehr schwierige Zeit durch, in der wir mit dem Erstarken des politischen Islam konfrontiert sind. Gott sei dank sind die beiden größten islamischen Organisationen in Indonesien moderat: Die eine hat mehr als 40 Millionen Mitglieder und die andere etwa 30. Sie lehren und gewährleisten den gemäßigten Islam im Land. Aber der politische Islam besorgt uns.

Das ist also nicht sicher?

Genau. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass Indonesien langfristig auch in Zukunft ein gemäßigtes Land sein wird.

Vielen Dank, Huda, dass sie sich Zeit für uns genommen haben.

Das Interview führte Weltspiegel Moderator Andreas Cichowicz

Stand: 28.08.2019 06:43 Uhr

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