So., 26.11.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Brasilien: Ökosystem Pantanal - am Rande der Belastbarkeit
Es brennt im Pantanal. Die Flammen fressen die Bäume weg und alles Leben, das nicht rechtzeitig entkommt. Sprachlos blickt das Team von Wissenschaftlerin Solange Ikeda von der Universidade do Estado do Matto Grosso, wie das Feuer unkontrolliert wütet. Erst dieses Jahr haben sie hier aufgeforstet. "Es brauchte die Lebenszeit eines Planeten, um das Pantanal zu erschaffen und wir zerstören es in so kurzer Zeit. Das ist furchtbar…"
Wäre das Pantanal ein Patient, er wäre krank
Das Team war eigentlich auf dem Weg zu seinem Forschungsfeld. Hier untersuchen sie, ob sich der Wald von den katastrophalen Bränden vor drei Jahren erholt hat, das heißt, ob neue Bäume nachwachsen. Das Ergebnis ist nicht gut: "Wenn wir mehr Bäume hätten, wären die Temperaturen hier niedriger. In ihrem Schatten könnten neue Bäume nachwachsen. Da die schützenden Bäume jetzt fehlen, vertrocknen die jungen Pflanzen", erklär Joari Arruda vom Instituto GAIA. Der Klimawandel erhitzt die Erde, dazu kommen nun die fehlenden, kühlenden Bäume, und so wachsen hier keine mehr nach. Wäre das Pantanal ein Patient, er wäre krank, sagt Solange: "Der Fluss ist mein Leben, ich habe entschieden, dass ich mein ganzes Leben dem Schutz dieses Flusses widmen werde."
Das Pantanal im Westen Brasiliens ist das größte Binnen-Feuchtgebiet der Erde, halb so groß wie Deutschland, Unesco-Weltnaturerbe. Die Biodiversität ist gigantisch und darauf abgestimmt, dass es eine Trockenzeit und eine Überschwemmungszeit gibt. Enilza Silva und George leben seit jeher hier am Rande des Flusses mit diesem Rhythmus. In der Zeit der Überschwemmung finden die Fische reichlich Futter und vermehren sich. Davon leben wiederrum die Flussanwohner, Mensch und Tier über das ganze Jahr. Doch es stehen große Veränderungen bevor, die ihnen Angst machen. Es ein Hafen entstehen für die Frachtschifffahrt, um zum Beispiel Soja und Rind zu transportieren. "Wo das Geld ist, passieren die Dinge, das ist leider so", sagt Fischerin Enilza Silva.
Brasilien exportiert weltweit am meisten Rindfleisch
Kein Land exportiert so viel Rindfleisch wie Brasilien. Und Ilson Corrêa ist der stolze Leiter einer der größten Rinderzuchten des Landes. Für ihn ist die wirtschaftliche Nutzung des Flusses das Richtige. Jedes Land suche den wirtschaftlichen Fortschritt: "Das bringt uns Devisen, das bringt Wohlstand, das bringt Arbeit."
Das Unternehmen grenzt direkt an den Fluss. Der Weg über das Wasser werde für die Landwirte die Transportkosten deutlich senken und die Zeit beschleunigen, um an den Pazifik zu gelangen. Und von dort auf den riesigen, lukrativen chinesischen Markt. "Das eröffnet neue Perspektiven. Das hier ist ein schlafender Tiger, wenn das hier einmal losgeht, werden alle wachsen", sagt Corrêa.
Mehr Rind, mehr Soja, mehr Abholzung mehr Hitze, fürchtet Solange. Der Flusspegel ist alarmierend niedrig. Es wird gegraben, um ihn zu vertiefen. Und es wird noch mehr so sein, wenn Frachtschiffe-Schiffe hindurchpassen sollen. Dann werde es kaum mehr zu natürlichen Überschwemmungen kommen, sagt die Wissenschaftlerin: "Wenn der Fluss vertieft wird, läuft das Wasser wie in einem Kanal ab. Der Herzschlag, der Puls von Ebbe und Flut wird enden. Wenn wir das Feuchtgebiet verlieren, ist es eine Tragödie für Brasilien und die Welt."
Pantanal nur durch massive Aufforstung zu retten
Und es brennt. In keinem November gab es jemals so viel Brände wie in diesem. Panik kriecht in das Herz von Fischerin Enilza. Das Feuer kommt näher. Schon einmal kam es bis auf 20 Meter an ihre Wohnung heran: "All die Tiere, alle… zu sehen wie sie sterben und du kannst nichts tun. Es ist zum Verzweifeln." Enilza sammelt seit drei Jahren Baumsamen für Solange und ihr Team. Denn damit können die Wissenschaftler wichtige Tropen-Bäume nachpflanzen. Eine Pflanze bekommt Enilza heute selbst, als Dankeschön.
Massiv Aufforsten – sofort. Das brauche es, um das Pantanal zu retten.
Autorin: Xenia Böttcher, ARD-Studio Rio de Janeiro
Stand: 26.11.2023 19:50 Uhr
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