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Japan: Junge Frauen retten Samurai-Tradition

Japan: Junge Frauen retten Samurai-Tradition  | Bild: NDR

Gerade halten! In der Mitte bleiben! Gleichmäßig spannen! — in vollem Galopp überlasst sie dem Pferd die Kontrolle. Das traut sich Aoi Fuse nur auf dem Rücken von Spade. Ihr Pferd weiß, was es tun muss. Sie konzentriert sich auf ihre Haltung und den Schuss. "Ich kann die Hände nur vom Pferd nehmen, wenn ich ihm vollkommen vertraue. Das ist das Wichtigste!", erklärt Aoi.

"Yabusame": Freizeitsport statt blutiges Kriegshandwerk

Aois Vertrauen in Spade währt fast schon so lange, wie die beiden auf der Welt sind. Zum ersten Mal begegnet sind sich Pferd und Reiterin, als er zwei war und sie sieben. Seit damals sind Aoi Fuse und ihr Wallach Spade unzertrennlich. Gemeinsam aufgewachsen auf dem Land im Norden Japans, in der Präfektur Aomori, teilen sie die Begeisterung für "Yabusame", das berittene Bogenschießen. Vor Jahrhunderten ein blutiges Kriegshandwerk in Japan. Doch Schlachtenlärm passt so gar nicht zum Naturell des friedfertigen Spade. "Du würdest wahrscheinlich vor dem Feind wegrennen!", lacht Aoi.

Auf Feinde schießen sie hier schon lange nicht mehr. Auch die heilige Aura, die das Bogenschießen in Japan bis heute umgibt, als einem strengen Ritual und Dienst an Göttern, nehmen sie nicht ganz so ernst. Hier auf dem Land entdecken sie "Yabusame" neu: als Freizeitsport fernab der großen Städte. An die Stelle elitärer Kämpfer treten sie: Frauen wie Aoi, Anfang 20, setzen die Jahrhundertealte Tradition auf ihre Weise fort und interpretieren sie neu.

"Macht Euch mal locker! Guckt zu mir, in die Richtung. So ist richtig, genau so! Ihr müsst beweglich bleiben!", sagt Trainerin Ayuko Kamimura zu ihren Schützlingen. Als sie vor 15 Jahren damit anfing, lag das Bogenschießen vom Pferderücken noch fest in Männerhand. "Damals musste ich mir einiges anhören. Dass Frauen besser die Finger davon lassen sollten. Auch so Dinge wie: 'Aus Deinem Mund will man das Wort 'Yabusame' gar nicht erst hören.'"

Frauen erobern das berittene Bogenschießen

Samurai-Reiterinnen mit Pfeil und Bogen
Vor allem Frauen üben heute "Yabusame" als Freizeitsport aus. | Bild: NDR

Heute wäre das berittene Bogenschießen in Japan wohl ausgestorben, wenn sich nicht so viele junge Frauen dafür begeistern würden. Nur wo sie sind, geht das Leben weiter, im alternden Japan mit seiner schwindenden Bevölkerung. Die wenigen jungen Menschen zieht es in die Städte. Aoi hält hier vor allem eines: die Passion für ihren Sport: "Dass die Zahl der Leute, die sich dafür interessieren, wieder zunimmt, ist eine tolle Sache. Es sieht allerdings so aus, dass nur wenige Jungs neu dazukommen. Das wird wohl bald eine reine Frauenwelt sein."

Zu Hause haben sie Aois Weg noch nie in Frage gestellt. Schon seit der zehnten Klasse landet sie bei Wettbewerben ganz vorne. Aus Kimono-Stoff näht ihre Mutter Kaori das Gewand für den nächsten Sieg. Aoi will bei einem großen Turnier glänzen. Die Kleinstadt Towada hat das Turnier etwas vollmundig zur Weltmeisterschaft ausgerufen. Wunschdenken der Veranstalter. Gäste aus dem Ausland verirren sich selten hierher.

Doch für Aoi geht es um nicht weniger als die Zukunft ihres Sports. Wenn "Yabusame" überleben soll, dann muss es gut aussehen: "Mit roter Farbe haben sie sich auch früher schon angemalt, bevor sie in den Kampf zogen. Deshalb mache ich das jetzt auch so." Die Konkurrenz ist fast ausschließlich weiblich. Die Regeln verlangen drei Schüsse aus vollem Lauf. Zum Zielen bleiben nur Bruchteile von Sekunden. "Yabusame hat heute den Charme, dass es als Sport für alle offen ist. Für Frauen und Männer jeden Alters", sagt Aoi. Vorausgesetzt sie trauen sich den wilden Ritt auch zu. Und stellen sich der Besten. Die heißt an diesem Tag wieder einmal Aoi.

Autor: Ulrich Mendgen, ARD-Studio Tokio    

Stand: 25.02.2024 20:40 Uhr

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