So., 10.12.23 | 18:30 Uhr
Das Erste
Ägypten: Hoffnung für Korallenriffe?
Ein Panzer auf dem Meeresgrund. Nein, das hier ist keine Geschichte über Krieg und Frieden. Es geht stattdessen um einen Kampf für Umweltschutz. Diese zwei Ägypter, haben sich ihn zur Lebensaufgabe gemacht. Aktivist Nour Farid und Meeresbiologie-Professor Mahmoud Hanafy. "Als Wissenschaftler interessieren mich die Korallen im gesamten Rote Meer, oben vom Golf von Akaba bis weit runter in den Süden", sagt Letzterer und ergänzt: "Unsere Organisation ist ein Whistle Blower. Wir versuchen die Menschen aufmerksam zu machen, Dinge zu verbessern und die Mächtigen dazu zu bewegen, im Sinne der Natur zu handeln."
Die Natur hier ist: beeindruckend. Wer verstehen will, was auf dem Spiel steht, muss abtauchen. In eine Welt voller Zauber und erstaunlicher Begegnungen. Die, die als Besucher:innen aus der Ferne hierherkommen, werden belohnt mit Bildern, die alles andere als einfach in Worte zu fassen sind. "Ich tauche seit 25 Jahren. Aber so einen Ort wie hier habe ich noch nie erlebt", sagt ein Tourist.
Strikte Regeln, um das Ökosystem zu schützen
Wir sind in Ägypten – einem Land, dessen Küsten dank Tourismus-Boom mit den Jahren immer voller geworden sind. Ober- aber auch unterhalb der Wasseroberfläche. Gerade dort gibt es kostbare Schätze gibt, die es zu hüten gilt: Korallenriffe, wie überall auf der Erde, sind sie auch in Ägypten bedroht von immer wärmer werdenden Wasser – und doch: evolutionsbedingt sind sie hier widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel als anderswo. "Es ist gut möglich, dass die Korallenriffe Ägyptens eines Tages die einzig verbliebenen der Welt sein werden. Deswegen ist ihr Erhalt nicht nur ein nationales Anliegen, sondern im Interesse der gesamten Menschheit", sagt Professor Mahmoud Hanafy.
Ein Einsatz zum Wohle der Menschheit. Nein, in Kategorien drunter machen die beiden es nicht. Seit Jahren schon sind Mahmoud und Nour ein Team. Ihre Organisation HEPCA wird finanziert durch internationale Entwicklungshilfe und eigene Müll-Recycling-Projekte. Das Ziel: Ägyptens Korallen vor vielen Gefahren schützen – vor allem vor Menschen-Massen. Unterwegs auf einer Art Patrouille. Hier ist gerade schon wieder viel zu viel Betrieb – Taucher und Schnorchler: eine große Belastung. "Es sind viel zu viele Menschen auf einem viel zu kleinen Fleck. Gerade die Anfänger-Taucher fassen die Korallen an, brechen sie ab. Immerhin: Fortgeschrittene Taucher passen besser auf", erzählt Professor Mahmoud Hanafy.
Die Aufpasser-Aufgabe: gar nicht so einfach. Nour und seine Mitstreiter sind keine Polizisten, können Fehlverhalten nur melden, nicht selbst ahnden. Deswegen wollen sie vor allem im Gespräch bleiben, reden, für ein Gleichgewicht werben zwischen Naturschutz und Tourismusgeschäft, von dem in Ägypten so viele leben. Diese Tauchschule ist ein Vorzeigeprojekt. Nour hat sie oft besucht, einen Plan mit ausgearbeitet, der eine Maximalanzahl an Tauchgängen pro Tag vorsieht, um Korallen zu schonen: "Basierend auf dieser Berechnung der Kapazität für unser Haus-Riff haben wir uns auf eine Anzahl geeinigt – und wenn diese erreicht ist, lassen wir niemanden mehr ins Wasser. Selbst wenn wir damit weniger Profit machen und sogar Stammgäste enttäuschen müssen."
Fehlverhalten wird Behörden gemeldet
Ein paar Kilometer weiter: Besuch im Forschungszentrum von Professor Mahmoud. Zusammen mit einem Team von Studenten züchtet er Riesenmuscheln, um diese später im Meer auszusetzen – Nahrung und Lebensraum für viele Unter-Wasser-Spezies. Alles in allem: das perfekte Korallenriff-Aufforstungsprogramm. "Uns geht es darum, mit allem was wir können, das Ökosystem der Korallenriffe zu erhalten. In der Zukunft wollen wir auch Korallen selbst züchten, ganze Siedlungen schaffen, im Meer wachsen lassen. Das ist dann die nächste Stufe der Idee eines großen Erhaltungsprozesses", sagt Professor Mahmoud Hanafy.
Und während der Wissenschaftler auf seine für Art Ägyptens einzigartige Unterwasserwelt kämpft, ist Aktivist Nour schon wieder auf Streife unterwegs – wer verhält sich respektlos und gefährdend gegenüber den Schätzen des Meeres? Heute erwischen sie in der Nähe von Hurghada, wo die Touristenanstürme traditionell besonders groß ist, einen richtigen Umweltsünder: "Dieser Kapitän hat ein Seil direkt ans Riff gebunden – das macht alles kaputt, bricht die Korallen ab – das ist unverantwortlich – er weiß, dass es falsch ist, es ist so traurig."
Ob er dafür bestraft werden wird, fragen wir: Ja, auf jeden Fall, man werde die Videoaufnahmen an die Behörden weiterleiten. Dann muss er blechen. Bleibt schließlich noch die Frage, was es mit den alten Panzern auf sich hat. Ganz einfach: Nour, Mahmoud und die andere HEPCA-Mitarbeiter:innen haben sie mit Hilfe von Ägyptens Armee und Regierung vor ein paar Monaten hier versenken lassen – als Ablenkungs-Ziel für abenteuerlustige Taucher. "Wir nennen es das Militärmuseum – es ist eine alternative Attraktion unter Wasser. Die Idee dahinter ist klar: Wir wollen die Aufmerksamkeit von der Natur nehmen, die Anzahl der Tauchgänge bei den Korallen reduzieren, um sie so zu entlasten", erklärt Aktivist Nour.
Ob der Plan funktioniert? Offen. Viel ist hier gerade noch nicht los. Denn wer interessiert sich schon für Metall und Kanonen am Meeresgrund, wenn er ein paar Meter weiter Natur pur erleben kann.
Autor: Simon Riesche / ARD Kairo
Stand: 10.12.2023 18:28 Uhr
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