Mo., 06.02.17 | 04:50 Uhr
Das Erste
Schnappschuss Ägypten: Was ist ein Lochschneider
Ein Loch im Lieblings-Pullover, ein Riss im Abendkleid. Warum das in Kairo kein Fall für den Mülleimer ist, erklärt Matthias Ebert (ARD-Studio Kairo).
"Ein Loch in einem meiner Lieblings-Shirts: In Deutschland ein klarer Fall für den Müll", meint Matthias Ebert. "Aber nicht in Kairo, denn hier gibt es die Lochschneider." Doch was macht eigentlich ein Lochschneider?
Die Kundschaft kommt von weit her
Das Geschäft von Galal Kamel ist noch nicht mal einen Quadratmeter groß. Er gilt als bester Lochschneider des Viertels. Sechs Tage die Woche sitzt er in die Arbeit versunken vor seiner Nische. Mein T-Shirt? Für ihn ein Leichtes. Umgerechnet zwei Euro soll es kosten. Abgemacht. Eine Detailarbeit, Faden um Faden. "Einer wie ich braucht Geduld, um das zusammen zu nähen. Das kann man nicht so husch husch machen. Es braucht alles Zeit, viel Zeit. Beigebracht hat mir das mein Vater."
Dann kommt Kundschaft. Mai Al-Faraj lebt in Kuwait. Doch dort finde sie diese Art Handwerker nicht mehr. "Meine teuren Abendkleider sind was Besonderes. Wenn ich mit meinen High Heels daran hängen bleibe, reiße ich Löcher hinein. Das ruiniert alles. Galal repariert es, und es sieht aus wie neu."
Nachwuchssorgen bei den Schneidern
Auf der anderen Straßenseite: die Brüder Al-Zazzat, die bekanntesten Teppichflicker im Viertel. Flicken und Stopfen: Ein Männer-Job, sagen sie. Frauen könnten das nicht. "Unser Geschäft ist eines der ältesten", erklärt Ibrahim Az-Zazzat, "eröffnet in den fünfziger Jahren. Jetzt möchte leider niemand mehr dieses Handwerk erlernen. Die Jugend sucht sich andere Jobs."
Gegenüber ist Mais Kleid fertig. Sie erkennt kaum noch, wo das Loch war. "Das ist mein Handwerk. Ich denke nicht daran, es aufzugeben. Ich habe ja viele Kunden. Aufhören und diesen Platz verlassen? Nein, unmöglich." Seine Kinder, erzählt Galal, studieren Wirtschaft. Er wird der letzte Lochschneider seiner Familie sein.
Stand: 13.07.2019 20:58 Uhr
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