So., 27.02.22 | 18:30 Uhr
Das Erste
Algerien: eine Erdgas-Alternative für Nordeuropa?
Taugt Algerien als alternativer Gaslieferant?
In der endlosen Weite der algerischen Sahara könnte eine Antwort auf deutsche Energieprobleme liegen – das nordafrikanische Land ist der zehntgrößte Gasproduzent der Welt, auf mehr als vier Billionen Kubikmeter werden die Vorkommen geschätzt. Doch der Großteil Europas hat kaum für diesen Reichtum in seiner Nachbarschaft interessiert. Nur Italien, Portugal und vor allem Spanien werden über Pipelines zuverlässig versorgt. Allein Spanien bezog im letzten Jahr fast die Hälfte seines Bedarfs aus Algerien. In der Hauptstadt Algier betonen Experten, dass eine kurzfristige Kapazitätssteigerung schwierig sei, weil das Gas vor allem für den Eigenverbrauch genutzt wird. Aber langfristig sehe das anders aus. "Algerien hat ein sehr großes Potential, vor allem beim nicht konventionellen Erdgas, beim Fracking", sagt Mourad Preure, Energie-Experte in Algier. "Da verfügen wir mit 20.000 Milliarden Kubikmetern über die drittgrößte Reserve weltweit."
Bundeskanzlerin Merkel hat Algerien mehrere Male besucht, dabei ging es um bessere Handelsbeziehungen und auch Erdgas-Importe. Doch zu einem konkreten Abschluss ist es bei diesen Gesprächen nicht gekommen. "Ich glaube, wir hatten ein großes Vertrauen in die Verlässlichkeit der Energielieferungen aus dem Osten, aus Russland und wir haben deswegen zu wenig auf Alternativen geschaut", so Andreas Löschel, Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik von Universität Bochum. "Dazu gehört der gesamte nordafrikanische Raum. Und man muss jetzt etwas den Preis dafür zahlen, dass man nicht so gut diversifiziert ist." Allerdings ist Algerien kein besonders vertrauenswürdiger Partner. Gegen sein korruptes Regime gab es in den letzten Jahren Massenproteste, Oppositionelle wurden und werden verhaftet. Auch Algerien ist keine echte Demokratie. "Aber ich glaube, wir sind jetzt tatsächlich in einer Ausnahmesituation, wo wir hier vielleicht auch solche Kompromisse eingehen müssen", so Andreas Löschel.
Spanien ist Vorreiter bei Flüssiggas-Terminals
Für Spanien war Algerien bislang ein zuverlässiger Lieferant. In Almería kommt die Pipeline aus Nordafrika an – ein wichtiger Baustein in der Energieversorgung des Landes. Doch bei weitem nicht der einzige. Spanien setzt zunehmend auf Flüssiggas. Mit Schiffen wird es aus Algerien, aber auch anderen Ländern nach Spanien gebracht. An sogenannten LNG Terminals wird die tiefgekühlte Fracht wieder in Gas umgewandelt und dann in die Pipelines geleitet. Spanien hat sechs solcher Flüssiggas-Terminals, ein siebter ist im Bau. Damit ist das Land europaweit Spitze – Deutschland verfügt über kein einziges Terminal. "Spanien hat den Vorteil, dass es fast eine Insel mit sehr viel Küste ist, an der Schiffe mit Gas anlegen können", erklärt Natalia Fabra Professorin für Energie an der Universität Carlos III. in Madrid. "Außerdem gab es im letzten Jahrzehnt große Anstrengungen, um die Flüssiggas-Technologie zu entwickeln."
Spanien hat eine sehr diversifizierte Energieversorgung. Das Land verfügt über fast ein Dutzend verschiedener Gas-Lieferanten und könnte selbst Gas nach Nordeuropa exportieren – wenn es da nicht ein Verbindungsproblem gebe. Nur zwei kleinere Pipelines mit geringer Kapazität führen von Spanien nach Frankreich – ein Ausbau ist in der Vergangenheit gescheitert. "Warum wurde nicht mehr in die Infrastruktur investiert? fragt sich Natalia Fabra. "Auch weil wir uns ja langfristig vom Erdgas verabschieden wollen. Diese Ressource hat keine Zukunft." Nordeuropa hat sich bislang zu wenig für das Potenzial im Süden interessiert. Auch wenn Algerien ein schwieriger Partner ist – das Erdgas aus der Wüste könnte dazu beitragen, die Energieversorgung unabhängiger zu machen.
Autor: Stefan Schaaf, ARD-Studio Madrid
Stand: 01.03.2022 16:00 Uhr
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