So., 12.04.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
Griechenland: Deutsche Kriegsverbrechen "Hinter den Bergen"
Jeder einzelne Schritt fällt ihr mittlerweile schwer. Ihr Körper - von der harten Arbeit in der Landwirtschaft geschunden. Maria Tzouvara ist 80 Jahre alt. Sie lebt allein, war nie verheiratet. Ihre Verwandten kochen für sie – doch den Abwasch will sie noch wie vor selbst erledigen. Marias Geist ist hellwach. Ihre Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, an die Überfälle auf ihr Dorf, sie sind noch so präsent als hätten sie sich erst gestern ereignet.
Maria Tzouvara:
Wir sind in Nordgriechenland. "Hinter den Bergen" – so wird die Gegend, in der das Bergdorf Greveniti liegt, genannt. Es wirkt verlassen. Vor dem Zweiten Weltkrieg haben hier über 800 Menschen gelebt. Heute sind es gerade einmal 65. Es ist Sonntag, Zeit für den Gottesdienst. Auch Tasos Theodorikas hat sich auf den Weg in die Kirche gemacht. 13 Jahre war er alt, als die Nazis das Dorf plötzlich überfielen. Seine Mutter war schon einige Jahre vorher gestorben – die zehn Geschwister seitdem ganz auf ihren Vater angewiesen.
Tasos Theodorikas:
Die Kinder blieben zurück. Tasos, hier links im Bild, musste sich mit seinen 13 Jahren um seine neun jüngeren Geschwister kümmern, als Vollwaise ganz auf sich allein gestellt. Die Häuser hier, sowie in 21 weiteren Bergdörfern der Gegend: vollständig niedergebrannt. Allein Greveniti wurde innerhalb von zwei Jahren sechs Mal von den Deutschen überfallen. Das Dorf: für die Nazis ein strategisch wichtiges Angriffsziel, weil sich dort ein kleines Hospital befand. Die Einwohner pflegten auch Partisanenkämpfer, die gegen die deutschen Soldaten in den Bergen erbitterten Widerstand leisteten. Die Folge: Brutale Sühneaktionen an Zivilisten.
Für die 25 Opfer haben die Überlebenden vor ein paar Jahren ein Denkmal errichtet. Tasos Voganis besucht den Ort regelmäßig. Nur wenige Meter entfernt konnte er sich als Zehnjähriger vor den Nazis verstecken. Er weiß, es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass sein Name nicht auf der Tafel steht.
Tasos Voganis:
Tasos kam mit dem Schrecken davon. Und über die Spuren der Verwüstung ist in Greveniti Gras gewachsen. Doch die Willkür mit der die Nazis in dem Dorf gewütet haben, hat verletzte Seelen hinterlassen. Maria wurde als kleines Mädchen unfreiwillig Augenzeugin jenes deutschen Überfalls mit den meisten Opfern.
Maria Tzouvara:
Nach den Kriegswirren haben die Menschen versucht, ihre Heimat irgendwie selbst wiederzubeleben. Die aktuellen Reparationsforderungen von griechischer Seite an Deutschland – hier können nicht alle Zeitzeugen etwas damit anfangen.
Tasos Theodorikas:
Maria Tzouvara:
Tasos Voganis:
Greveniti, eines der Dörfer hinter den Bergen. Das Leid der Menschen, es wurde jahrzehntelang vergessen. Eine Aufarbeitung oder gar eine Wiedergutmachung haben nie stattgefunden.
Autorin: Mira Barthelmann, ARD-Athen
Stand: 14.04.2015 17:37 Uhr
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