So., 07.04.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Indonesien: Gewalt gegen Christen
Sonntagmorgen: Die protestantische Filadelfia-Gemeinde zieht zu ihrem Gebetshaus. Doch der Weg ist versperrt. Aufgebrachte Muslime haben eine Straßenblockade errichtet.
Pastor Palti versucht sich durchzukämpfen, ohne Erfolg. Es ist nicht das erste Mal, dass seine Gemeinde den Hass auf ihren Glauben zu spüren bekommt.
"Wo bleibt die Gerechtigkeit!“ rufen sie. Doch die Polizei guckt tatenlos zu.
Palti Panjaitan sagt zu einem Polizisten, Filadelfia-Gemeinde Bekasi: “Helfen Sie uns doch! Sichern sie den Weg zum Ort unseres Gebetes!”
Eine vergebliche Bitte. Ein "Ave Maria“ mitten auf der Straße. Der Gemeinde bleibt nichts anders übrig.
Der Gottesdienst unter Polizeischutz - für die radikalen Muslime eine weitere Provokation. Vor den Augen der Beamten brüllen sie ihre Hasstiraden: “Pastor Palti, nimm dich in Acht, wir kriegen dich. Ich werde dich persönlich köpfen!”
Seit Jahren kämpft der Pastor dafür, auf diesem Grundstück eine richtige Kirche zu errichten. Immer wieder hat er dafür alle notwendigen Unterlagen eingereicht - ohne Erfolg.
Lange Zeit konnte seine Gemeinde hier ihren Gottesdienst feiern. Doch vor drei Jahren haben die Behörden plötzlich den Zugang zum Grundstück versperrt. Dagegen hat er geklagt - bis zum Verfassungsgericht - und Recht bekommen. Doch die Stadtverwaltung ignoriert das Urteil. Das Gelände bleibt versiegelt!
Palti Panjaitan, Pastor Filadelfia-Gemeinde Bekasi: "Wir haben alle Voraussetzungen erfüllt. Doch die Behörden lassen sich von einer militanten Gruppe unter Druck setzen. Die wollen hier keine Kirche. Mich erfüllt das mit Scham. Und ich bin überrascht, dass eine Behörde das mit sich machen lässt anstatt diese Intoleranz zu bestrafen!"
Bedroht, geschlossen, abgebrannt - die Angriffe auf Gotteshäuser in Indonesien nehmen zu.
Theophilus Bela setzt sich für verfolgte Christen ein. Er beobachtet eine wachsende Intoleranz. In der Verantwortung sieht er vor allem Lokalbehörden und Provinzpolitiker, die die Stimmung gegen Christen für eigene Zwecke missbrauchen.
Theophilus Bela, Christliches Forum Jakarta: "Das hat viel mit Politik zu tun. Die Bürgermeister wollen die Unterstützung aller Muslime und auch die der radikalen Gruppen. Deshalb machen sie die Kirche zu hoffen sie dann, die nächste Wahl zu gewinnen!"
Die muslimischen Extremisten gehen zunehmend aggressiv und lautstark gegen religiöse Minderheiten vor. Mit riesigen Lautsprechern versuchen sie die Gemeinde von Pastor Palti zu vertreiben.
Sie kommen aus allen Teilen des Landes und haben in hier Arbeit und ein neues gefunden. Doch ihr Glaube ist nicht erwünscht. Die Provinz Westjava ist der wichtigste Industriestandort Indonesiens - über 90 Prozent der Einwohner sind Muslime.
“Haut ab!” rufen sie immer wieder! Die Lautesten unter ihnen nennen sich Front zur Verteidigung des Islam: “Allah ist der größte! Ich sage es ein letztes Mal: Wir wollen in diesem Dorf keine Kirche!”
Ulil Abshar Abdalla, Politikwissenschaftler: "Diese Gruppe hat ein sehr radikales Verständnis von Religion. Sie hassen Minderheiten. Und das beinhaltet Minderheiten im Islam, wie die Ahmadiyya-Bewegung oder die Schiiten, und Minderheiten außerhalb des Islam - und hier vor allem Christen!"
In Indonesien leben die meisten Muslime weltweit. Doch der Islam ist keine Staatsreligion. Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit. International wird das Land immer wieder als Vorbild muslimischer Demokratie gelobt. Doch von religiöser Toleranz spürt Pastor Palti wenig.
Er muss sich und seine Gemeinde schützen. Viele von ihnen wurden beleidigt, bedroht, manche sogar mit Steinen und Exkrementen beworfen. Deshalb treffen sie sich nun meist privat - jede Woche in einem anderen Haus.
Palti Panjaitan, Pastor Filadelfia-Gemeinde Bekasi: "Einige sind traumatisiert, andere verängstigt. Bei manchen ist der Hass aufgekommen. Doch das dürfen wir nicht zulassen. Wir versuchen die Wunden zu heilen durch das Gespräch und das Gebet!"
Doch das Gebet - es wird in diesen Tagen nicht oft erhört. Eine Nachbargemeinde, nur wenige Kilometer entfernt, zwischen Wut und Trauer.
Ihr Gotteshaus - keine große Kathedrale, sondern ein einfaches Gebäude für 200 Gläubige. Doch jetzt soll es abgerissen werden. Die Probleme fingen als, als sie das Haus renovieren und vergrößern wollten. Seitdem stehen radikale Muslime am Straßenrand und fordern lautstark die Zerstörung.
Eine muslimische Aktivistin: "Das ist ein muslimisches Land. Eine Kirche hat hier nichts zu suchen!"
Bis zur letzten Sekunde hat die Gemeinde auf ein Einlenken der Behörden gehofft. Doch der Streit um das Gotteshaus - er wird schwerem Gerät beendet!
Eine Christin: "Was ist aus unserem Land geworden? Zeigt es mir! Wo ist mein Indonesien, das Land, zu dem wir alle gehören?"
Gesichert von Militär und Polizei kämpft sich der Bagger vor. Die Religionsfreiheit wird geopfert, angeblich um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.
Der Glaube an ein friedliches Miteinander - an diesem Tag liegt er begraben unter den Trümmern einer Kirche.
Autor: Norbert Lübbers, ARD-Singapur
Stand: 22.04.2014 13:50 Uhr
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