So., 10.02.13 | 19:20 Uhr
Das Erste
Iran: Urlaubsparadies in der Straße von Hormus
Nur wenn ganz viele Delfine in einem Schwarm zusammenkommen, trauen sie sich dicht an die Boote und lassen sich streicheln, sagen die Fischer. Gerade schwimmen rund 30 Tümmler vor der Insel Qeshm auf und ab - ganz zur Freude der iranische Touristen. Wer aus dem Smog von Teheran kommt, genießt die Seeluft.
Touristen im Boot:
"Alles ist super auf dieser Insel im Persischen Golf. Die Gastfreundschaft der Menschen, ihre wunderbare Natur, man kann Delfine beobachten und die saubere Luft.“
Und gleich ein Stück weiter draußen fahren die großen Öltanker vorbei. - Wir sind in der Straße von Hormus, durch die ein Drittel des weltweit benötigten Öls transportiert wird. Diese Meerenge zwischen Iran und dem in Sichtweite liegenden Oman ist seit Jahren ein Brennpunkt der Weltpolitik.
Und mitten drin: die Insel Qeshm. Natur pur, wilde Tiere und ein Hauch von Monument Valley. Die Insel ist durch verschiede Naturgewalten entstanden: Tektonische Plattenverschiebung, Wasser und Wind.
Jährlich kommen bis zu vier Millionen, meist iranische Touristen auf die Insel. Dieses Tal, poetisch "Sternental" genannt, soll durch herabgestürzte Sternenteile entstanden sein - soweit die Legende. Den Menschen gefällt’s, auch wenn die touristische Infrastruktur zu wünschen übrig lässt, sagen Sahar und Peschman aus Teheran, nach ihrem Dreitagestrip über die Insel.
Peschman Purschirasi, Tourist:
"Das Tal ist super. Aber der Staat müsste ein bisschen mehr investieren: Hotels, Transport, Beschilderung und alles. Dann könnte man richtig zeigen, was die Insel zu bieten hat. Dann könnte man richtig stolz sein, als Iraner.“
Doch wichtiger als die Naturschönheiten ist für die meisten Touristen das Shoppen. Denn die Insel ist Freihandelszone und hat die größte Shopping-Mall-Dichte im ganzen Land. Aber die Sanktionen und der Kursverfall des iranischen Rial zeigen Wirkung. So werden importierte Waren immer teurer und die großen Käufermassen bleiben seit neuestem auch aus.
Das "City-Center" in der Hauptstadt wurde vor einem Jahr gebaut und lockt mit höherwertigen Läden und Produkten, zumindest auf den ersten Blick.
Doch innen sieht man, dass höchstens 50 Prozent der Geschäfte vermietet sind. Und IKEA ist wohl auch ein bisschen kleiner ausgefallen als sonst wo auf der Welt.
Wir treffen Sahar und Peschman aus dem Sternental wieder. Sie sind aus dem 1500 Kilometer entfernten Teheran eigentlich nur wegen des günstigen Einkaufens gekommen. Bis zu einer Grenze von umgerechnet 80 Dollar ist der Einkauf zollfrei.
Ob Fälschung oder Original ist ihnen egal, denn die meisten Artikel sind gut die Hälfte billiger als zuhause.
Sahar Purschriasi, Touristin:
"Die Preise hier sind super. In der freien Handelszone ist alles günstiger, weil keine Steuern drauf sind und keine Kosten für die Zwischenhändler bis Teheran.“
Wir wundern uns: Trotz ausbleibender Touristen und Kaufkraftverlust der iranischen Währung herrscht Bauboom auf Qeshm. Über eine Million Quadratmeter Verkaufsfläche soll hier in den nächsten Jahren zusätzlich entstehen, dieselbe Fläche an Wohnungen und dazu noch Hotelneubauten.
Bei der Verwaltung der Freien Handelszone Qeshm glaubt man an den Aufschwung – trotz Sanktionen und Währungsverfall.
Esfandyar Heydaripour, General Manager Freie Zone Qeshm:
"Iran ist ein Land mit großer Kapazität und großem Potential. In schweren Zeiten zeigen wir immer, was wir drauf haben. Von außen sieht es vielleicht so aus als würden wir viel Druck und Probleme haben, aber langfristig werden wir von dieser Situation profitieren und gewinnen.“
Doch vorerst stockt der Aufschwung gewaltig und nicht nur beim Handel. Seit die USA und die EU die Sanktionen verschärften, zogen sich viele Firmen von der Insel zurück. Von Siemens, die hier mal den Service für Ölpumpen betrieben haben, ist nur noch das Firmenschild übrig.
Nichts läuft rund im Moment in der iranischen Wirtschaft. Diese Schiffe sind nicht auf eine Sandbank gelaufen, die haben die Behörden beschlagnahmt.
Am Nachmittag sehen wir Menschen voll bepackt an die Piers gehen. Nein, drehen dürfen wir sie nicht. Also mieten wir uns ein Boot und filmen ein bisschen vom Wasser aus. Voll beladene Boote mit Warenmengen, die sicher über der Freigrenze von 80 Dollar liegen.
Was machen die Leute mit den Waren? Wo geht das hin, fragen wir? "Ach das wird aufs Festland gebracht oder auf andere Boote verladen. Die Leute kaufen im großen Stil ein, zollfrei und vergünstigt und bringen es illegal ans Festland und verkaufen es dann in Teheran oder Isfahan.“
Während im Kleinen der Handel floriert, warten über 100 Frachtschiffe zwischen der Insel und dem Hafen von Bandar Abbas auf Ladung und das schon monatelang.
Am Abend fallen uns Fahrzeuge auf, die große Tanks auf der Ladefläche haben. Schnell erfahren wir, dass hier Benzin geschmuggelt wird.
Auf der Insel Qeshm kaufen Schmuggler subventioniertes, sehr günstiges Benzin ein und verkaufen es zum fünffachen Preis im nahegelegen Dubai. Hier verladen sie es gerade auf schnelle Boote und transportieren es nachts über die Straße von Hormus und kommen mit anderen Waren zurück.
Freitagnachmittag, wenn die Ebbe den Strand sehr breit macht, versammeln sich tausende Schaulustige um beim großen Spektakel dabei zu sein: Cardriften auf Sand. Und hier sehen wir sie wieder, die Wagen ohne Nummernschild, mit den abgedunkelten Scheiben. Auch sie nutzen den Strand als Übungsfläche, um bei möglichen Verfolgungsfahrten, den richtigen Dreh rauszuhaben.
Autor: Martin Weiss, ARD Teheran
Stand: 22.04.2014 14:08 Uhr
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