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Russland: Ein Volk im Nationalrausch

Russland: Ein Land im Nationalrausch | Bild: Das Erste
Kinder singen
Kinder singen bei der Maifeier | Bild: Bild: BR

Ein Meer an Ballons und Flaggen in den russischen Nationalfarben. Eine gigantische Selbstinszenierung auf dem Roten Platz. Erstmals seit Ende der Sowjetunion fand die Mai-Kundgebung wieder hier statt - mit einem Loblied der Pioniere auf die schöne Heimat und ein sorgenloses Leben.

Aus dem ganzen Land waren sie gekommen, um daran teil zuhaben und um zu zeigen, wie stolz sie sind auf ihr Land – gerade jetzt, wo sie sich vom Westen angegriffen fühlen.

Mit dabei die Kommunisten: Früher wäre es ihnen um "faire Löhne für anständige Arbeit" gegangen – eigentlich das Motto des Marsches.

Doch heute geben auch sie sich patriotisch, auch Oleg Jemeljanov, rechts im Bild: "Russen ergeben sich nicht" steht auf dem T-Shirt seines Ortsvereins. Er hat sie eigens für den Marsch gedruckt. Oleg kommt aus einer kommunistischen Tradition.

Oleg Jemeljanov:

»Verstehen Sie, ich bin eigentlich in der Opposition. Aber in Zeiten wie diesen stehen wir zusammen. Das war schon immer so. In gefährlichen Situationen stehen wir Russen zusammen hinter unserem Führer. Und wir hoffen, dass wir siegen werden – wie immer.«

Reporterin:

»Wieso siegen? Führen Sie Krieg?«

Oleg Jemeljanov:

»Es könnte schon sein, dass ein Dritter Weltkrieg ausbricht. Und dann müssen wir kämpfen. Wir Russen stehen vereint, wenn es gefährlich wird. Das ist unsere Mentalität.«

Vera Pavlovna
Vera Pavlovna | Bild: Bild: BR

Und so lassen sie die guten alten Zeiten hochleben und träumen vom Glanz der Sowjetunion, deren Zerfall viele hier als Verlust empfunden haben.

Vera Pavlovna:

»Die Sowjetunion war einzigartig. Ein sehr starkes Land. Einzigartig auf der Welt. So etwas hat es nie wieder gegeben. Und es hat viel für die Menschen getan: kostenlose Ausbildung und Medizin. Das ist doch der Traum für jeden Menschen auf der Welt.«

Und was ist mit Putin?

Vera Pavlovna:

»Putin ist unser Präsident und wir lieben ihn. Er ist gut.«

"Putin hat recht" steht auf diesem Plakat.

Und hier die Ultra-Patrioten mit ihren St. Georgs-Fahnen. Sie knüpfen an alte militärische Traditionen an: Das Georgwappen – ein Zeichen für Tapferkeit.

Vladimir Putin – für sie der Garant für Stabilität?

Oksana, Ärztin:

»Ja, natürlich. Ich bin echte Patriotin. Ich liebe meine Heimat. Ich verehre sie. Niemals im Leben würde ich mein Heimatland verraten. Ich bin Russin.«

Ein Mann:

»Wir unterstützen die Krim, Russland und Putin. Wir sind alle für ihn. Hurra!«

"Hurra! Die Krim ist wieder zu Hause" konnte man hier lesen.

Gleich mehrere Plakate feiern die Annexion der Krim.

Und zur Feier des Tages spielt der alte Herr Popmusik und Folklore von der Krim.

"Die Krim und Russland gehören zusammen – für immer". Gleich mehrere Wandgemälde zieren nun Moskaus Straßen.

Alexej Visokanov
Alexej Visokanov | Bild: Bild: BR

Reisebüros bieten günstige Angebote an. Die Regierung appelliert an die nationalen Instinkte. Statt ins feindlich gesinnte Ausland, sollen die Russen jetzt auf der annektierte Halbinsel Urlaub machen.

Alexej Visokanov, Reisebüro Multitur:

»Der Staat macht große Werbung für Reisen auf die Krim. Daher haben wir viel mehr Kunden als früher. Wir erleben einen Boom. Die Fahrkarten werden vom Staat subventioniert. Dadurch werden sie billiger. Das sind super Preise. Sie sollten sich das selbst anschauen. Es lohnt sich. Ich war gerade da vor einer Woche. Die Menschen dort sind gut gelaunt und spazieren mit russischen Flaggen am Meer.«

Lev Panomarov
Lev Panomarov | Bild: Bild: BR

Alle die, die nicht im Patriotismus schwelgen und gegen den Strom schwimmen, werden ausgegrenzt. Ich treffe den Menschenrechtler Lev Panomarov in einem Wald. Er will in seinem Wohnviertel nicht mit ausländischen Journalisten gesehen werden.

Lev Panomarov, Menschenrechtsaktivist:

»Einige Intellektuelle und ich haben die Annektierung der Krim kritisiert. Daraufhin hat man uns als "fünfte Kolonne" und Verräter beschimpft. Man wollte uns aus dem Land jagen. Russland gerät so zunehmend in die Isolation. Wer nicht jubelt, ist ein Volksfeind. Seitdem Putin Präsident ist, sind alle demokratischen Errungenschaften der 90er Jahre zerstört worden.«

Lev Panomarov:

»Wir erleben die Art Patriotismus von Menschen und Nationen mit Minderwertigkeitskomplexen: „Wir sind die besten und alle hassen uns“ – das ist heute die Losung, die wir permanent im Fernsehen hören. Wir müssen zusammenhalten und uns der Herausforderung des Westens stellen. In Wirklichkeit gibt es diese Herausforderung gar nicht. Putin hat den Patriotismus instrumentalisiert, um die Nation hinter sich zu bringen.«

Studenten mit Bildern
Studenten mit Bildern | Bild: Bild: BR

Voller patriotischer Gefühle auch diese Gruppe junger Künstler. Mit ihren Bildern wollen sie den Präsidenten unterstützen.

Dimitry:

»Die, die diese Sanktionen in Kraft setzten, werden über kurz oder lang selbst darunter leiden. Unser Land ist groß und stark genug, und wir bemühen, uns gerade unabhängig zu werden, damit man uns nicht mehr unter Druck setzen kann.«

Mit ihren Bildern laufen sie durch die Parks und Einkaufszentren. Hier auf diesem Bild wird Russland ausgepeitscht.

Alina:

»Dieses Bild symbolisiert einen stabilen Rubel. Man hat uns mit Sanktionen versucht in die Knie zu zwingen, aber wir lassen uns davon nicht einschüchtern. Jeder, der den Rubel schwächen will, wird sich daran die Zähne ausbeißen.«

Zweifel lassen sie nicht aufkommen. Für viele ist Putin der Held der Stunde. Und sie wollen ihm folgen, wohin er sie auch führt.

Autorin: Birgit Virnich / ARD Moskau

Stand: 05.05.2014 00:09 Uhr

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Bayerischer Rundfunk
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