So., 25.01.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
Spanien: Podemos auf dem Sprung
Die Massen strömen. Die Partei Podemos feiert ihren ersten Geburtstag im Kongresszentrum in Sevilla.
Und er verkörpert ihre Hoffnungen: Pablo Iglesias – Anstifter, Vordenker, inzwischen auch Generalsekretär der jungen, linken Partei.
4000 Menschen feiern ihn frenetisch. So viele konnten früher nur die Sozialdemokraten hier in Andalusien mobilisieren. Aber auch die haben damit inzwischen Schwierigkeiten.
Pablo Iglesias reichen simple Botschaften, um sein Publikum in Verzückung zu versetzen:
Pablo Iglesias, Generalsekretär Podemos:
Noch muss Podemos gar keine Lösungen anbieten. Die Zustandsbeschreibung genügt, denn sie ist Realität für viele.
Schlangen vor den Arbeitsämtern – sie sind immer noch Alltag für viele Menschen in Spanien. Zwar hat das Land die Rezession überwunden und Spaniens Ökonomie wird in diesem Jahr wohl stärker wachsen als die meisten Volkswirtschaften in der EU. Aber die Arbeitslosenzahlen sind immer noch exorbitant. Die Quote für 2014: Knapp 25 Prozent.
Über die Räumung von Wohnungen redet außerhalb Spaniens kaum noch jemand. Fakt aber ist: Im vergangenen Jahr landeten mehr Menschen als 2013 auf der Straße, weil sie den Kredit für ihr Wohneigentum nicht mehr bedienen konnten.
Und dann gibt es noch ein Geschwür, das diese Gesellschaft schon lange befallen hat.
Pablo Iglesias, Generalsekretär Podemos:
Die konservative Regierungspartei steckt tief drin im Korruptionssumpf. Luis Barcenas, ihr ehemaliger Schatzmeister etwa, soll Millionen Euro in die Schweiz geschafft und Parteifunktionären Geld aus schwarzen Kassen bezahlt haben. Ein Beispiel von vielen.
Sozialdemokraten, Gewerkschafter, das Königshaus – sie alle geben ein schlechtes Bild ab. Prinzessin Cristina, die Schwester von König Felipe, wird demnächst wegen Steuerhinterziehung auf der Anklagebank sitzen. Die Spanier haben von dieser Selbstbedienung der Privilegierten die Nase gestrichen voll. Selbst die konservative Presse lobt Podemos.
Casimiro García-Abadillo, Herausgeber El Mundo:
San Blas, ein Stadtteil von Madrid. Hier hat Podemos viele Anhänger. Menschen, die immer noch unter den Folgen der Krise ächzen.
Juan Carlos Monedero ist die Nummer Zwei der Partei. An diesem sonnigen Wintertag ist er zum ersten Treffen der Stadtteilgruppe in diesem Jahr gekommen. Ein Foto mit ihm ist eine begehrte Trophäe, kann man später vielleicht mal vorzeigen: Schaut her, ich war dabei, als die Politik in Spanien neu erfunden wurde. Und die, die gekommen sind, spüren, dass sich etwas tut:
Juan Carlos Monedero, Podemos:
Die letzten Umfragen der Meinungsforscher sehen Podemos stabil vor den Konservativen und den Sozialdemokraten. Und das nach nur einem Jahr auf der politischen Bühne - sensationell.
Zum ersten Mal seit dem Tod des Diktators Franco steht das Zweiparteiensystem Spaniens auf der Kippe, mit Folgen vielleicht über Spanien hinaus.
Casimiro García-Abadillo, Herausgeber El Mundo:
Zum ersten offiziellen Parteikongress im Herbst war natürlich auch Alexis Tsipras gekommen. Im Europaparlament sitzen Syriza und Podemos gemeinsam in der Fraktion der Linken. Und viele Forderungen klingen ähnlich: Neuordnung der Schulden, staatliches Grundeinkommen, mehr Geld für öffentliche Bildung und das Gesundheitssystem.
Podemos wird die spanische Politik nach den Wahlen im Herbst nicht von einem Tag auf den anderen auf den Kopf stellen können. Aber ohne sie geht ab jetzt nichts mehr. Das wissen sie. Das Selbstbewusstsein ist bei der Veranstaltung in Sevilla mit Händen zu greifen. "Si, se puede" – ja, wir können etwas ändern. Das ist die Botschaft.
Autor: Jörg Rheinländer, ARD Madrid
Stand: 30.01.2015 23:47 Uhr
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